"Wer trauern kann, der weiß, was Freude und Liebe bedeuten" – dieser Satz stammt von Gina. Sie führt ein Leben mit dem Tod. Das ist für viele unvorstellbar. Für Gina ist es Alltag und Passion. Gina Krause ist 26 Jahre alt und arbeitet als Trauerbegleiterin und Hospizkoordinatorin. Damit ist sie eine der Jüngsten ihres Fachs.

Die meisten von uns sind froh, wenn sie sich nicht mit dem Tod beschäftigen müssen. Gerne wird das Thema ausgeklammert, verschwiegen, solange es möglich ist. Können wir heutzutage überhaupt noch richtig trauern? Gina hat genau das zu ihrem Beruf gemacht. Schon mit 15 beschäftigt sie sich zum ersten Mal professionell mit diesem Thema, als sie freiwillig in einem Institut für Familientrauerbegleitung mitarbeitet. Die Erfahrungen dort erfüllen sie – schnell steht fest, dass sie mal hauptberuflich in diesem Bereich arbeiten will.

"Ich dachte, Sie wären älter"

Neben ihrem Heilpädagogik-Studium absolviert Gina diverse Praktika, arbeitet als Tutorin und als Ehrenamtliche für Kinder- und Jugendhospize, schließlich auch als Referentin in Sachen Trauer- und Hospizarbeit. "Ich dachte, Sie wären älter" – Gina kann nicht mehr mitzählen, wie oft sie diesen Satz zu hören bekommen hat. Wenn es um Tod und Trauerbegleitung geht, erwarten die Menschen jemanden gesetzten Alters, keine junge Frau unter Dreißig. "Viele denken auch: Sie ist noch so jung und macht etwas so Trauriges. Das passt für sie nicht zusammen. Aber wenn das für mich immer alles nur traurig wäre, dann könnte ich diesen Job gar nicht machen."

Gina unterstützt Menschen in ihrer Trauer, indem sie Fragen beantwortet, zuhört, berät – dem Tod das Tabu nimmt und eine Neustrukturierung ermöglicht. "Richtig trauern bedeutet nicht loslassen, sondern dem Verstorbenen einen neuen Platz geben."

Aber wenn das für mich immer alles nur traurig wäre, dann könnte ich diesen Job gar nicht machen.
Gina

Sie glaubt, dass es in ihr verankert war, diesen Weg zu gehen: "Ich bin davon überzeugt, dass ich meinen Job gut mache. Und dabei spielt es keine Rolle, ob ich Mitte 20 oder Mitte 50 bin."

Auf Augenhöhe begegnen

Natürlich gibt es Momente und Begegnungen, die auch sie mit nach Hause nimmt. Ein Beispiel stammt aus ihrer Arbeit in der Kindertrauerbegleitung: "Es gab den Fall eines Fünfjährigen, dessen Vater sich das Leben genommen hatte. Ihm wurde das aber nicht gesagt. Stattdessen hieß es, der Vater sei bei einem Unfall ums Leben gekommen. Der Junge kämpfte während der Trauerbegleitung sehr mit der Sache und er spürte, dass irgendetwas nicht stimmt. Das hat mich sehr beschäftigt. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass man Kindern nichts vormachen kann."

Auf jeden Menschen individuell einzugehen und seinen eigenen Weg der Trauerarbeit zu unterstützen, das ist die wesentliche Aufgabe, der sich Gina immer wieder stellt. Dabei sei es wichtig, jede*n Einzelne*n ernst zu nehmen und ehrlich mit dem Gegenüber umzugehen. "Vor allem Menschen mit Behinderung werden häufig Dinge abgesprochen. Das führt dazu, dass nicht mit ihnen, sondern über sie geredet wird." Dabei findet Gina auch in der Trauerbegleitung mit Menschen, die beispielsweise nicht sprechen können, immer einen Weg der Verständigung. "Das ist völlig individuell. Man muss sich dabei auf die Mimik und die Atmung desjenigen konzentrieren und sehr sensibel sein. So entwickelt man andere Wege der Kommunikation."

Gina hat ihren Traumberuf gefunden. Ob in der Trauerbegleitung, in Seminaren, in der Hospizarbeit oder bei der Ausbildung Ehrenamtlicher – der Sinn ihrer Arbeit steht immer außer Frage. "Ich weiß, dass das Leben endlich ist und ich etwas Sinnvolles tun will, solange ich da bin. Das klingt abgedroschen, aber durch meinen Beruf ist einfach immer wieder aufs Neue klar, wie wertvoll das Leben ist." Bezüglich der Trauerarbeit spricht sie gerne von einem "Trauerberg, den es abzutragen gilt. Durch die Verarbeitung von Gefühlen, durch Gespräche, Fragen, ist irgendwann nur noch ein Stein übrig, den man in die Tasche stecken kann."

"Man kann nichts falsch machen"

In ihrem Umfeld ist Gina in Sachen Tod und Trauer immer wieder auch private Ansprechpartnerin. Sie erlebt es oft, dass sich Freund*innen und Bekannte rückversichern, wenn es um Beistand einer*s Trauernden geht. "Eine Freundin hat mich zum Beispiel gefragt, ob sie für einen trauernden Freund eine Taschentuchbox mit Fotos bekleben kann. Ich fand diese Idee total klasse. Denn ich bin der Meinung: Man kann gar nichts falsch machen, wenn man jemanden in seiner Trauer zu unterstützen versucht. Wir haben verlernt, damit umzugehen und sind deshalb oft total verunsichert. Ich glaube, dass viele Menschen auch Angst vor ihrer eigenen Trauer haben. Dabei ist es eigentlich absurd: Wenn etwas lustig ist, dann lachen wir. Wenn etwas traurig ist, warum sollten wir dann also nicht weinen?"

Die gesellschaftliche Erwartung, dass man funktioniert und Emotionen nur in angemessener Dosierung nach außen treten, blockiert uns auch in unserem Umgang mit dem Tod. Nicht selten ist man verunsichert, wie man einem*r Trauernden begegnet oder wie sehr man selbst trauern darf – oder gar muss. Ein Reflex ist auch, das Traurige von denjenigen fernzuhalten, die wir lieben. Eitel Sonnenschein ist gesellschaftlich hoch im Kurs. Dabei lautet Ginas Rat: "Wir sollten uns nicht vor der Trauer beschützen, sondern uns im Trauern unterstützen."