"Bitte beachten Sie, dass dieser Raum ab dem 14. März 2016 geschlossen ist und nicht mehr als islamischer Gebetsraum genutzt werden kann. Wir bitten um Ihr Verständnis. Der Präsident."

Als Dawud Ansari Ende Februar plötzlich diesen Aushang in der Technischen Universität Berlin sieht, ist er schockiert. Obwohl der Raum gerade mal zehn Quadramter misst, sucht der 24 Jahre alte Student ihn täglich auf. Und er ist nicht allein: Zu Stoßzeiten verrichten über 100 Muslime dort nacheinander ihr Gebet; nun soll der Gebetsraum dichtgemacht werden. Ohne Angabe von Gründen.

Binnen weniger Tage schließt sich Dawud, der außerdem Sprecher des Vereins Syrischer Studenten und Akademiker ist, mit fast 600 weiteren muslimischen Studierenden der TU Berlin kurz und setzt eine Petition zum Erhalt des Gebetsraums auf. Die Universitätsleitung reagiert und lädt vier muslimische Hochschulgruppen zum Gespräch. Dabei stellt sich heraus, dass der Plan bereits seit fast zwei Jahren besteht.

"In all der Zeit wurde mit der halben Welt gesprochen – Innensenator, Asta, Integrationsbeauftragte – aber nicht ein einziges Mal mit jemanden, der den Raum auch wirklich nutzt", beklagt sich Dawud. Zu einem fruchtbaren Dialog kommt es aber auch diesmal nicht. Das Präsidium hält an seinem Beschluss fest. Der Gebetsraum wird geschlossen. Ebenso soll die Turnhalle, in der jeden Freitag an die 500 Muslime zum Freitagsgebet zusammenkommen, für diesen Zweck fortan nicht mehr zur Verfügung stehen.

Trennung von Religion und Staat

Die offizielle Begründung der TU Berlin lautet, man sei als staatliche Einrichtung gemäß Artikel 3 des Grundgesetzes der Bundesrepublik zur Neutralität verpflichtet. Keine andere Religion hat an der TU Berlin einen eigenen Ruheraum. "Es ist nicht unsere Aufgabe, eine Religion zu bevorzugen. Würden wir alle Religionen gleich behandeln und entsprechende Räume anbieten, dann könnten wir das gar nicht, da wir über solche Raumkapazitäten nicht verfügen", erklärt die Pressesprecherin Stefanie Terp. Außerdem gehörten Staat und Religion getrennt. "Wir müssen den Gläubigen keinen Rückzugsort geben. Eine Universität ist kein Ersatz für eine Moschee. Das ist nicht unsere Aufgabe."

Der syrische Studierende Dawud kann diese Argumentation nicht nachvollziehen: "Wenn wir jetzt den Fall hätten, dass die Existenz dieses Gebetsraums in irgendeiner Weise die Aufgabe der TU Berlin als Hochschule beeinträchtigen würde, dann würden wir das verstehen. Das ist aber nicht vorliegend."

Was zweifelsfrei feststeht, ist, dass der Uni-Betrieb ohne den Gebetsraum stärker beeinträchtigt ist als mit ihm. "Ich war dankbar für den Raum, weil ich mich da wohler fühle, als wenn ich irgendwo im Flur oder im Treppenhaus beten muss, wo einen die Leute beobachten", erklärt der 21-jährige Reduan. Das sei sowohl für ihn als auch für die anderen Studierenden unangenehm. Von Seiten der Hochschulleitung wurde die Empfehlung ausgesprochen, doch auf umliegende Moscheen zurückzugreifen. Praktisch gibt es im Umkreis der TU Berlin aber keine Moschee. Mit An- und Rückfahrt müsste pro Gebet mindestens eine Stunde eingerechnet werden; Zeit, die im Uni-Alltag nicht bleibt.

Rückschritt in Sachen Völkerverständigung

Reduan und die anderen fast 600 muslimischen Studierenden, die den Gebetsraum aktiv genutzt haben, beklagen dessen Schließung aber nicht deshalb, weil die Uni ihnen ein Stück Komfort nimmt. "Für mich persönlich ist das ein deutliches Zeichen an die Muslime, dass man sie nicht akzeptieren möchte und ein riesiger Schritt zurück auf dem Weg der Verständigung", findet Yasmin von der Muslimischen Hochschulgruppe Berlin.

Die muslimischen Studierenden fühlten sich durch diesen Schritt des Präsidiums aktiv ausgegrenzt, fügt Dawud hinzu: "Die TU Berlin hat sich immer als sehr weltoffen präsentiert. Allein der Gebetsraum existiert seit 50 Jahren. Ich habe mich hier sehr wohl gefühlt und jetzt sagt mir die TU, 'von mir aus kannst du weiterhin herkommen, aber deine Religion gehört hier definitiv nicht mehr mit hin'."

TU Berlin ist kein Einzelfall

Einen bitteren Beigeschmack hat die Schließung der islamischen Gebetsräume auch deshalb, weil die TU Berlin damit offenbar auf einen aktuellen Trend aufspringt. Den Anfang machte die Hochschule Bochum, die ihren Gebetsraum 2012 schloss. 2013 folgten die Beuth Hochschule Berlin und im Frühjahr 2016 die TU Dortmund sowie die Universität Duisburg-Essen, wobei es sich nicht immer um Gebetsräume, sondern teilweise auch um konfessionslose Ruheräume handelte. Begründet wurden diese Entscheidungen ganz unterschiedlich: Fehlender Brandschutz und Gebäudesanierungsmaßen, in Dortmund beschwerten sich die Studierenden; die Muslime hatten den Raum angeblich okkupiert.

Vom Gebetsraum der Hochschule Bochum abgesehen, in dem Salafisten heimliche Treffen abhielten, wurde aber in keinem der Gebetsräume verfassungsrechtlich bedenkliches Verhalten festgestellt. Auch das Präsidium der TU Berlin betont in seiner offiziellen Stellungnahme, dass die Schließung nicht aufgrund von Sicherheitsbedenken erfolgt. Doch gerade weil es keinen konkreten Anlass gibt, kommen einige muslimische Studierende nicht drum herum, den Wegfall der Gebetsräume in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext zu sehen.

"Es beunruhigt mich sehr, dass in Deutschland unter einigen Bevölkerungsschichten eine immer stärkere Anti-Islam-Stimmung herrscht", sagt der Studierende Dawud. "Und wenn Universitäten, die sich eigentlich genau wegen des Neutralitätsgebots nicht von solchen gesellschaftlichen Diskursen vereinnahmen lassen sollten, dann auf einmal reihenweise ihre Gebetsräume schließen und das in Zeiten, in denen sowohl Flüchtlinge als auch immer mehr Migrantenkinder an Universitäten kommen – ich glaube nicht, dass das das Zeichen ist, das Deutschland als weltoffener Staat senden sollte."

Kein konkreter Plan zur Raumnutzung

Es gäbe keinen günstigen Moment, um einen solchen Gebetsraum zu schließen, rechtfertigt sich der Präsident der TU Berlin: "Wir wollten die Turnhalle, in der das Freitagsgebet stattfindet, und den Gebetsraum ursprünglich Ende 2014 schließen. Aber da fanden die ersten populistischen Veranstaltungen von Pegida statt, wir wollten uns da abgrenzen. Also verschoben wir es auf den Frühsommer 2015 – aber da diskutierten alle über Flüchtlinge."

"Natürlich akzeptieren wir die Entscheidung der TU Berlin", sagt der muslimische Studierende Reduan. Es habe – von der Petition abgesehen – auch keine weiteren Proteste gegeben. "Was ich nicht verstehe, ist allerdings, warum man den islamischen Gebetsraum nicht zu einem multikulturellen Gebetsraum umfunktioniert."

Die Erfahrung mit solchen Räumen ist laut einer informellen Befragung innerhalb des Bundesverbandes der Hochschulkommunikation positiv, behauptet Dr. Patrick Honecker, Pressesprecher der Universität Köln. Die TU Berlin lehnt das jedoch ab. Der Gebetsraum würde jetzt erst einmal saniert und dann einer rein universitären Nutzung zugeführt. Konkrete Pläne, was mit ihm geschehen soll, gibt es allerdings nicht.