Der Hintergrund

Eine Fluglinie zu betreiben ist teuer – vor allem, wenn Maschinen nicht ausgelastet sind. Daher greifen Unternehmen auf einen einfachen Trick zurück: Sie überbuchen die Flüge. Wenn Passagiere nicht rechtzeitig erscheinen, können so trotzdem alle Plätze besetzt werden. Stehen zu viele Passagiere am Gate, werden Gutscheine an Personen verteilt, die freiwillig auf einen späteren Flug ausweichen. Zumindest in der Theorie.

Auf dem United Airlines Flug 3411 von Chicago nach Louisville kam es wegen dieser Buchungspraxis nämlich zu einem brutalen Zwischenfall. United-Mitarbeiter*innen hatten die Maschine besteigen wollen, nachdem der Boardingprozess bereits abgeschlossen worden war. Da keiner der Passagiere an Board seinen Platz freiwillig räumen wollte, entschied das Personal, willkürlich auszulosen, wer das Flugzeug verlassen sollte. Einer der Betroffenen war ein Arzt, der in Louisville erwartet wurde und sich daher weigerte, das Flugzeug zu verlassen.

Was dann geschah, hielten Passagiere mit ihren Handykameras fest: Der Arzt wurde von drei Sicherheitsleuten brutal aus seinem Sitz gezerrt und schlug mit dem Kopf auf. Bewusstlos schleiften sie den Mann über den Gang aus dem Flugzeug. Andere Bilder zeigen den Mann später mit blutüberströmten Gesicht und offensichtlich verwirrt. Mit zwei Stunden Verspätung hob das Flugzeug ab – ohne ihn.

Das sagt United zum Vorfall

Einen Passagier anzugreifen und bewusstlos durch das Flugzeug zu zerren, geht gar nicht, sollte man meinen. United Airlines sah das Problem aber offensichtlich eher bei der fehlenden Bereitschaft des Passagiers, das Flugzeug zu verlassen. Die Airline veröffentlichte ein Statement, dass diesen Schluss nahelegt:

Nachdem unser Team nach Freiwilligen gesucht hatte, weigerte sich ein Kunde, das Flugzeug freiwillig zu verlassen und Sicherheitskräfte wurden zum Gate gebeten. Wir entschuldigen uns für die Überbuchung."

Offensichtlich hatten sie das Entsetzen der Kundschaft falsch gedeutet. Das Problem war schließlich nicht die (zugegeben nervige) Überbuchung, sondern dass das Personal die eigene Kundschaft blutig schlägt.

Das ist aber noch nicht alles. Neben dem öffentlichen Statement folgte auch ein Brief an die eigenen Mitarbeiter*innen. In diesem wurde der Vorfall weder verurteilt noch über zukünftige Vorsichtsmaßnahmen gesprochen. Vielmehr lobte die Airline das ordnungsgemäße Entfernen des "störenden und aggressiven" Kunden. Das Sicherheitspersonal hätte "keine andere Wahl mehr gehabt".

Das Internet schlägt zurück

Kurzum, United hat geradezu um einen Shitstorm gebettelt. Und der ließ nicht lange auf sich warten. Inzwischen füllt sich Twitter mit Entsetzen, Zorn und natürlich auch mit tief schwarzem Humor.

Wie konnte es überhaupt dazu kommen?

In den USA hat das Drama eine große Debatte ausgelöst. Die Fluggesellschaften überbuchen hier seit Jahren die Flüge, um eine Auslastung von einhundert Prozent zu erreichen. Da immer seltener Passagiere ausfallen oder ihren Flug verschieben können, wird es jedoch zunehmend schwieriger, Kunden mit Gutscheinen zu vertrösten.

Gleichzeitig sind US-Amerikaner*innen auf Grund der weiten Strecken auf den Flugverkehr im Inland angewiesen. Ein Boykott durch die eigene Kundschaft muss United Airlines daher nur bedingt fürchten. Aber vielleicht wird ihnen der Vorfall auch auf ganz andere Weise zum Verhängnis: Nämlich, wenn der Arzt sich entscheidet, sie wegen Körperverletzung zu verklagen.