Laut Wall Street Journal konsumieren YouTube-Nutzer*innen inzwischen eine Milliarde Stunden YouTube-Content pro Tag. Das ist eine Menge. Auch wenn Internetsucht – im Gegensatz zur Spielsucht – bisher keine offizielle Suchterkrankung ist, gibt es doch immer mehr Menschen, die so viel Zeit im Netz verbringen, dass sie dadurch etwa vereinsamen oder an Schlafstörungen leiden.

In einer Reportage des US-amerikanischen Fernsehsenders PBS wurde jetzt die Geschichte der 13-jährigen Einser-Schülerin Olivia erzählt, die so viel YouTube schaute, dass ihre Mutter sie in eine Reha-Klinik einweisen lassen musste. Olivia, deren Name geändert wurde, begann YouTube zu schauen, um mit den beliebteren Kindern ihrer Schule ein Gesprächsthema zu haben. Diese tauschten sich nämlich ständig über die neuesten YouTube-Stars aus. In dem Moment, in dem Olivia das Schulgebäude verließ, zückte sie ihr Smartphone. Gegenüber PBS sagte sie: "Ich habe versucht, so viele Videos zu schauen, wie ich konnte, damit ich so viel wusste wie die anderen."

Nach Monaten, in denen Olivia Tag für Tag nichts anderes tat, als bewegungslos in ihrem Zimmer zu liegen und YouTube-Videos zu schauen, bemerkte ihre Mutter auch charakterliche Veränderungen – Olivia war gereizter und melancholischer. Auch die Videos, die Olivia schaute, veränderten sich – wurden gewalttätiger. Olivia schaute fast nur noch Videos von Mädchen, die sich gegenseitig verprügelten. Sie zogen sich gegenseitig an den Haaren, zerkratzten sich die Gesichter und schlugen sich manchmal sogar gegenseitig k. o. Laut PBS spielten Olivias schwierige Beziehung zu ihrem Vater und der Tod ihrer Großmutter mit hinein in ihr Konsumverhalten. Die ehemalige Best-Noten-Schülerin konnte nach und nach nicht mehr in der Schule mithalten.

Ich habe versucht, so viele Videos zu schauen, wie ich konnte, damit ich so viel wusste wie die anderen."

Unter schweren Depressionen leidend, musste Olivia schließlich wegen Suizidgefahr in einer psychiatrischen Klinik für eine Woche beobachtet werden – als sie schließlich entlassen wurde, schluckte sie im Elternhaus eine Packung des Schmerzmittels Tylenol, nachdem sie auf YouTube recherchierte, wie viele Pillen sie nehmen musste, um sich selbst das Leben zu nehmen.

Die Behandlung von Internetsucht ist unter Umständen schwieriger zu behandeln, als zum Beispiel Drogenmissbrauch, weil das Internet heute essenzieller Bestandteil des täglichen Lebens geworden ist. Jeff Nalin, Chefpsychologe der Einrichtung Paradigm, die Olivia behandelt, sagt: "Am besten vergleichen lässt sich die Internetsucht vielleicht mit einer Essstörung. Man kann nicht von Essen runterkommen oder ausnüchtern. Man muss die Fähigkeit erlernen, mit dem Problem umzugehen."

Das Problem sei auch, dass die Geräte, die wir benutzen, darauf ausgelegt sind, unsere Aufmerksamkeit zu lenken und zu behalten. Wir hoffen, dass die kleine rote Kugel uns eine Botschaft von Bedeutung übermittelt. Facebook verwendet viel Energie darauf, uns zum Scrollen des Newsfeeds zu kriegen.

Olivia geht inzwischen wieder zur Schule. Ihr Plan ist, sich nicht wieder zu isolieren. Ihren Internetkonsum will sie massiv einschränken, auch wenn sie bereits sehr neugierig ist, was für Nachrichten sie in ihrer Abwesendheit auf Snapchat und WhatsApp erhalten hat. Sie wird weiterhin mit einem Therapeut*innen darüber reden, was in ihrem Leben passiert.

Die ganze Reportage gibt es bei PBS.org