Ich hatte mal eine Chefin, vor der hatten alle Angst. Wenn sie morgens langsam durchs Büro schritt, konnte man die plötzliche Anspannung fast greifen. Sie grüßte nur ausgewählte Günstlinge, für andere hatte sie – wenn überhaupt – bloß sarkastische Sprüche übrig. Wenn ihr was nicht passte, beleidigte und brüllte sie. Sie misstraute ihren Angestellten zutiefst.

Das Schlimmste war, dass dieser Führungsstil allmählich auf andere Ebenen durchsickerte und eigentlich herzliche Menschen mit der Zeit zu gnadenlosen Antreiber*innen und Erfüllungsgehilf*innen machte. Die Devise: Anschreien und Triezen, sonst arbeitet das Fußvolk nicht. Ich habe nach einem Jahr gekündigt, etliche andere hatten diese Wahl nicht.

Sieht so Führungsstärke aus? Ist natürlich eine Fangfrage, die Antwort lautet: nein. Das hat auch eine Untersuchung der US-Elite-Uni Yale ergeben. Und das gilt insbesondere für Berufe, in denen Kreativität gefragt ist.

Böser Boss vs. guter Boss

Die Yale-Forscher*innen haben knapp 15.000 US-Amerikaner*innen quer durch verschiedene Branchen befragt. Und zwar zu emotionaler Intelligenz und dem Verhalten ihrer Vorgesetzten und ihren entsprechenden Erfahrungen mit Kreativität und Innovation im Job.

Ergebnis: Rund 70 Prozent der Befragten mit eher fiesen Chef*innen zeigten negative Gefühle in Bezug auf ihre Arbeit. Im Gegensatz dazu fühlten sich zwei Drittel mit empathischen Vorgesetzten gut im Hinblick auf ihre berufliche Tätigkeit.

"Wir haben dramatische Unterschiede darin festgestellt, wie Menschen ihren Job darstellen – abhängig davon, ob sie ihre Vorgesetzten als emotional intelligent erleben oder nicht", sagt die beteiligte Wissenschaftlerin Dr. Zorana Ivcevic in einer Mitteilung.

Je empathischer und emotional intelligenter sich Vorgesetzte verhalten, desto mehr haben Angestellte das Gefühl der Teilhabe. Desto stärker sind auch Kreativität und Innovation ausgeprägt und desto mehr Wachstum und Entwicklung gibt es bei den Mitarbeiter*innen.

Fiese Vorgesetzte ersticken Kreativität

Die Wissenschaftler*innen haben dafür auch Erklärungsansätze."Bei emotional intelligenten Vorgesetzten scheinen die Angestellten intrinsisch motiviert", so Dr. Ivcevic. "Sie fühlen sich gleichermaßen gefordert und erfüllt." Das stehe in starkem Kontrast zu denjenigen, die keine emotional intelligenten Vorgesetzten haben: "Sie sind unglücklich und wütend im Job – gereizt, genervt, sauer, fühlen sich ebenso unterschätzt wie unbeachtet." Unschön.

Doch das bedeutet selbstverständlich nicht, dass die entsprechenden Chef*innen wie kleine Glücksbärchis permanent fröhlich pfeifend und dauerknuddelnd durchs Büro ziehen.

Emotional intelligente und empathische Führung heißt konkret: Einerseits die Gefühle der Angestellten (an)erkennen, ihnen beim Umgang damit zu helfen und ihre Perspektive einnehmen zu können; andererseits aber auch, die eigenen Gefühle zu spüren und gegebenenfalls zu regulieren. Außerdem Vertrauen herstellen, Unterstützung und Wertschätzung zeigen, Begeisterung erzeugen. Das führt laut Studie zu zufriedeneren, kreativeren und besseren Teams.

Und Kreativität sei laut Dr. Ivcevic eine enorm wichtige Eigenschaft und Fähigkeit in der heutigen Arbeitswelt, weil sie entscheidend ist für Innovation und eben nicht ohne Weiteres durch künstliche Intelligenz ersetzt werden könne.

Ab in den angstfreien Raum

Im Grunde ist es ja auch logisch: Wer Angst hat, dass er*sie für einen unausgegorenen Vorschlag angeschrien oder ausgelacht wird, hält im Zweifel lieber die Klappe – oder sagt höchstens Dinge, die dem entsprechen, was der*die Vorgesetzte vermutlich gern hört. Wenn das alle machen, sagt keine*r mehr was oder es kommen nur innerlich zensierte Ideen auf den Tisch. Und das bremst.

Denn selbst nicht zu Ende gedachte Gedanken können sich in einer Gruppe weiterentwickeln und mithilfe aller zu einem hervorragenden Spitzenansatz werden. Vorausgesetzt, Ideen dürfen angstfrei geäußert werden.

Und wer das Gefühl hat, gehört und gesehen, respektiert, wahr- und ernstgenommen zu werden, der*die hängt sich im Zweifel deutlich mehr rein, gibt alles und bringt das Team und das Unternehmen dadurch voran.

Wer führen will muss freundlich sein

Das Wichtigste im ersten Schritt sei laut der Studie die Erkenntnis, dass Kreativität eng mit Gefühlen verbunden ist. "Vorgesetzte, die begreifen, dass Emotionen in kreativen Prozessen eine Rolle spielen, nehmen mit höherer Wahrscheinlichkeit Rücksicht auf ihre Angestellten und erschaffen so ein Umfeld, in dem es bessere Chancen zur Entwicklung gibt", heißt es in dem Paper.

Außerdem raten die Wissenschaftler*innen Firmen dazu, entsprechende Schulungen und Unterstützung anzubieten und emotionale Intelligenz in ihrer Unternehmenskultur zu verankern.

Denn eins sollte inzwischen wirklich klar sein: Die Zeiten vom brüllenden, bösen Boss sind echt vorbei. Oder anders gesagt: Wer führen will muss freundlich sein.