"Forever Alone" – dieser Ausdruck wabert seit etlichen Jahren als semi-selbstironisches Zeichen vermeintlichen Versagens durchs Internet. Aber warum eigentlich? Was, wenn forever alone nicht Einsamkeit und Elend und auch kein potenzielles Scheitern eines ultimativ erstrebenswerten Plans – nämlich Beziehungsführung – signalisiert, sondern schlicht ein alternatives Lebensmodell voller Unabhängigkeit und Erfüllung darstellt?

Auch, wenn die Gesellschaft in vielerlei Hinsicht noch nicht so weit ist – die Forschung sagt: Wir können auch erfüllt und glücklich sein ohne Liebe.

Am Lebensende macht Liebe keinen Unterschied

Wissenschaftler*innen der Michigan University haben eine der ersten Studien mit dem Ziel durchgeführt, Unterschiede im Glücksniveau von verheirateten, ehemals verheirateten und alleinstehenden Menschen im späteren Lebensalter zu ermitteln.

Dafür haben sie die Beziehungsbiografien von mehr als 7.500 Menschen zwischen ihrem 18. und dem 60. Lebensjahr betrachtet, analysiert und abgefragt, wer mit 60 am glücklichsten ist und inwieweit Liebe dabei eine Rolle spielt.

Zur Überraschung der Forscher*innen bestand im Hinblick auf Glück und Wohlbefinden kein signifikanter Unterschied zwischen lebenslangen Singles oder Menschen mit wechselnder Beziehungsbiografie einerseits und Verheirateten andererseits.

"In Sachen Glück ist der Beziehungsaspekt nicht alles", so Co-Autor William Chopik laut Uni-Website. "Menschen können unglückliche Beziehungen führen und Singles wiederum tiefe Freude aus anderen Teilen ihres Lebens ziehen, beispielsweise Freundschaften, Hobbys und Arbeit." Demnach scheine es "fast ein bisschen albern", dass Menschen so einen großen Wert darauf legen würden, eine*in Partner*in zu finden.

Warum hängen wir unser Glück an die Liebe?

Doch warum machen wir dann eigentlich so einen Großteil unseres Lebensglücks davon abhängig, ob wir eine*in Partner*in finden oder nicht?

"Ich denke, das ist in unserer Gesellschaft noch sehr traditionell so verankert", erklärt die Psychologin und Glücksexpertin Heide-Marie Smolka. "In vielen Köpfen gibt es noch Glaubenssätze wie 'Verheiratet sein entspricht einem gelungenen Leben'; es ist der 'Plan des Lebens'." Wenn jemand nicht verheiratet sei, dann gelte das für viele Menschen als Scheitern oder Übrigbleiben. Und das nagt langfristig am Selbstwert.

Dabei haben wir im Einzelnen nicht allzu viel Einfluss darauf, ob und wann wir jemand Geeignetes für eine feste Beziehung finden – und ob diese Beziehung dann auch hält. Egal, wie sehr wir uns bemühen, manchmal klappt es einfach nicht; die Kompromisshöhe oder die zu erbringenden Opfer wären zu groß, das Timing passt nicht.

Es kann daher eine enorme Entlastung sein, den eigenen Selbstwert von der Partner*innenfindung zu entkoppeln. Es gäbe laut Heide-Marie Smolka auch genug unglücklich Verheiratete und zufriedene Singles: "Das Glück hat andere Einflussfaktoren. Außer natürlich, man redet sich ein, dass man nur in einer Beziehung glücklich sein kann – dann wird das auch so sein."

Wir haben unser Erfüllungslevel diesbezüglich also selbst in der Hand. Hervorragend!

So geht glücklich sein ohne Liebe

Anstatt also erschöpft dem nie erreichbaren Möhrchen des gesellschaftlich vorgegebenen Beziehungsideals hinterherzuhoppeln, ist es deshalb cleverer, den Fokus auf andere Lebensbereiche zu richten.

"Am besten ist es, zu erkennen, dass es noch ganz viele andere, wesentlich einflussreichere Glücksfaktoren gibt", sagt auch die Glücksexpertin. Daran zu arbeiten und nicht das Glück vom Thema Beziehung abhängig zu machen, entspanne und schaffe die beste Basis für Zufriedenheit.

Dazu gehört zum Beispiel, wie in der Studie genannt, ein gut zusammengestellter Kreis aus verständnisvollen, loyalen und ganz allgemein spitzenmäßigen Freund*innen. Mit denen lassen sich auch jede Menge großartiger Dinge erleben: Sonnenuntergänge, ins Kino, Restaurant oder spazieren gehen, Weltreise, Ausstellungen, Fußball, Konzerte. Manchmal sogar besser als mit einem*einer Partner*in, weil nicht eine einzige Person jedes Interesse und jedes Bedürfnis teilen und abdecken muss.

Außerdem ist laut Studienautor die Arbeit für einige ein wichtiger Bestandteil ihrer Zufriedenheit. Je nachdem, was wir als Erfolg und Erfüllung definieren und wie wir so ticken, kann der Job in Teilen auch zum Glück führen. Nach Feierabend kommen dann noch Hobbys dazu, die glücklich machen und wirklich erfüllen können.

Besonders wichtig für das Glücklichsein ohne Liebe ist jedoch die Auseinandersetzung mit sich selbst. Denn auch die beste Beziehung, Freundschaft, Arbeit oder Freizeitbeschäftigung sind Dinge im Außen; in unseren Herzen oder Köpfen sind wir mit unseren Gedanken und Gefühlen allein.

"Ein sehr wichtiger Einfluss auf das Glück ist die Grundhaltung", erklärt Heide-Marie Smolka. Also, sieht jemand grundsätzlich eher die Probleme des Lebens oder die Lösungen und das, was klappt? "Auch der Umgang mit sich selbst ist ein wichtiger Faktor: Wie selbstkritisch ist man, wie wertschätzend kann man mit sich umgehen? Dazu kommen Achtsamkeit, Humor, Neugierde oder auch soziale Kompetenz."

Es lohnt sich

Die gute Nachricht: Glücklichsein ohne Liebe lässt sich laut Glücksexpertin üben: "Der erste Schritt liegt darin, sich bewusster zu werden, welche Einstellungen immer wieder hinderlich sind", sagt Heide-Marie Smolka. "Im zweiten Schritt können sie dann adaptiert werden, um das Wohlbefinden zu steigern."

Ja, Glücklichsein ohne Liebe ist ein langer Prozess, der mit Arbeit verbunden ist und nicht auf Knopfdruck funktioniert. Doch es lohnt sich. Denn letztlich gibt es nur einen Menschen, der uns ein Leben lang wirklich glücklich machen kann – und das sind wir selbst.