Nicht jede*r trifft ständig rationale Entscheidungen. Manchmal werden wir von Gefühlen überwältigt und es kommt zu Kurzschlusshandlungen. Völlig normal. Bei mehr als 83 Millionen Einwohner*innen in einem Land ist das Potenzial hoch, dass irgendjemand mal etwas Schräges anstellt. Um diese Menschen und jene, die sich beim Schräge-Dinge-Tun nicht an Gesetze halten, kümmern sich Beamt*innen der Polizei.

Etwa 3.700 Menschen wählen allein in Berlin jeden Tag die 110, die Notrufnummer der Einsatzleitzentrale. Etwa die Hälfte dieser Anrufe resultiert in sogenannten eilbedürftigen Einsätzen. Das bedeutet, das Anliegen wird direkt an einen Funkwagen weitergegeben, der dann zum Einsatzort fährt – bei Bedarf mit Blaulicht und Sirene. Die Einsätze sind mal mehr, mal weniger dramatisch. Von nervigen, aber harmlosen Nachbar*innen über Ladendiebstahl bis hin zu lebensbedrohlichen Auseinandersetzungen kann alles auf der Tagesordnung stehen.

Und dann gibt es noch die Einsätze der besonderen Art. Die mit tragikomischem  Beigeschmack, bei denen Polizist*innen vor Ort nicht wissen, ob sie lachen oder einfach nur den Kopf schütteln sollen und sich am Ende vielleicht sogar als Teilnehmer*innen bei Versteckte Kamera zu wissen glauben. Wir stellen euch drei der skurrilsten Fälle des vergangenen Monats vor.

Der falsche General

Ticketkontrolleur*innen sind es wahrscheinlich gewohnt, allerlei kreative Ausreden von sogenannten Schwarzfahrer*innen zu erhalten. Die Geschichte, die ein Mann in einem Zug der Deutschen Bahn am 28. Mai parat hatte, dürfte aber auch erfahrene Kontrolleur*innen überraschen. Eigentlich wollte der 49-Jährige von Frankfurt am Main nach Berlin fahren. Wie sich aber herausstellen sollte, kam er nicht viel weiter als bis nach Fulda.

Der Mann trug eine Militäruniform. "Einen Parka mit originalen Schulterstücken eines Generals und einen Overall mit Tarndruck, wie sie Panzerfahrer haben", sagt der Pressesprecher der Bundespolizeiinspektion Kassel zu ze.tt. Es kam zu der üblichen Fahrscheinkontrolle. Doch statt ein Ticket vorzuweisen, deutete der Mann auf seine Uniform. Er dürfe als Mitglied der Bundeswehr mit hohem Rang kostenfrei den Zug benutzen. Ein Ticket brauche er nicht, sagte er.

Es ist seit Januar diesen Jahres tatsächlich so, dass Soldat*innen der Bundeswehr innerdeutsche Fernzüge der Deutschen Bahn gratis benutzen dürfen. Vorausgesetzt, sie tragen ihre Uniform, haben einen Truppenausweis bei sich und ein Ticket über ein spezielles Portal gebucht. Ist eine dieser Bedingungen nicht erfüllt, gilt die Regelung nicht.

Der Mann ist zwar polizeibekannt, war so allerdings noch nicht aufgefallen.
Pressesprecher Bundespolizeiinspektion Kassel

Der Zugbegleiter wurde misstrauisch. Sitzt da wirklich ein Mann mit dem höchsten Dienstgrad der Bundeswehrstreitkräfte vor ihm? Mit Vollbart, langen Haaren und einem recht ungepflegten Erscheinungsbild? "Nach allgemeiner Lebenserfahrung entsprach dies nicht dem Bild eines Bundeswehroffiziers", sagt der Pressesprecher der Bundespolizeiinspektion Kassel über die Begegnung im Zug. Außerdem trug er  keine Kopfbedeckung, die üblicherweise zwingend zu einer vollständigen Uniform gehört.

Der General hatte kein gültiges Bahnticket, genauso wenig wie einen Ausweis bei sich. Weil der Zugbegleiter ihn so nicht identifizieren konnte, verständigte er die Bundespolizei, die den General mit auf die Dienststelle in Fulda nahm. Dort angekommen fand sie mithilfe der Feldjäger, der Militärpolizei der Bundeswehr, rasch und eindeutig heraus, dass der General kein echter war.

Wie er an die Uniform gekommen war, ist nicht bekannt. Der Panzeroverall samt der angenähten Generalschulterstücke und der Schulterstücke des Parkas wurde von der Polizei beschlagnahmt. Zum Glück hatte der Mann noch mehr Kleidung im Gepäck, sodass er sich auf der Dienststelle umziehen konnte. Die Bundespolizeiinspektion Kassel ließ den Mann wieder frei und leitete ein Strafverfahren ein: Wegen des "Erschleichens von Leistungen" sowie "Missbrauchs von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen". Der falsche General habe sich laut Pressesprecher die ganze Zeit ruhig und kooperativ verhalten.

Der falsche Tod

Anfang Oktober vergangenen Jahres wurde ein Mann aus Schleswig-Holstein als vermisst gemeldet. Der 52-Jährige war mit seinem Motorboot alleine von Kiel nach Dänemark aufgebrochen und scheinbar nie angekommen. Nach wenigen Tagen ohne Lebenszeichen gab seine Ehefrau schließlich die Vermisstenanzeige auf – und Polizeibeamt*innen der Kieler Kriminalpolizei machten sich an die Sucharbeit.

Die Seenotrettung fand kurz darauf bei Schönberg in der Nähe des Ufers ein gekentertes Boot. Es war das Boot des Vermissten, der allem Anschein nach verunglückt war. Die Polizei suchte weiter, befragte Angehörige über mögliche Aufenthaltsorte und beauftragte externe Gutachter*innen, die das Boot inspizierten. Anfangs ohne Erfolg. Die Tage vergingen und die Hoffnung, den Vermissten noch lebend zu finden, wurde langsam aber sicher geringer. Auf offener See kann ein Mensch nicht lange überleben. Da die Vermutung eines Unfalls laut Pressesprecher der Polizeidirektion Kiel recht nahe lag, gingen die Zuständigen mit der Zeit davon aus, dass sie nur noch nach der Leiche des Mannes suchen konnten.

Doch dann fielen die ersten Ungereimtheiten auf. Die Gutachter*innen kamen zu dem Schluss, dass das Boot manipuliert und womöglich absichtlich zum Kentern gebracht worden war. Die Kieler Kriminalpolizei fand zudem heraus, dass der 52-Jährige im Jahr 2018 mehrere Versicherungen, darunter Risikolebens- und Unfallversicherungen, abgeschlossen hatte. Im Falle seines Ablebens sollten hohe Summen sowohl an seine Ehefrau als auch an seine Mutter gezahlt werden. Bis dato hat die Polizei 14 Versicherungen gezählt, mit einer Gesamtsumme von 4,1 Millionen Euro.

Die Polizei suchte weiter nach dem Mann, die Monate vergingen. Ob die Ermittler*innen nun nach wie vor nach einer Leiche suchten, war nicht mehr so sicher. Die Ermittlungen führten die Beamt*innen Anfang Mai diesen Jahres schließlich ins niedersächsische Schwarmstedt zum Haus der Mutter. Das Haus war groß, verwinkelt, nicht alle Räume schnell einsehbar. Laut Pressesprecher sei es daher notwendig gewesen, alle Räume akribisch zu durchsuchen, mögliche Verstecke ausfindig zu machen und auch etwaige Umbauten mitzudenken. Dafür mussten die Polizeibeamt*innen auch mal schwere Möbelstücke verrücken. Die Suche sei mit dem Ziel begangen worden, den Vermissten – nun Verdächtigen – aufzufinden. Ein Haftbefehl war zu diesem Zeitpunkt bereits ausgestellt.

Die Einsatzkräfte durchstöberten das Haus, von unten immer weiter nach oben. Am Dachboden angelangt, entdeckten sie schließlich eine eingezogene Zwischenebene direkt unter dem Dach, die nur mit einer Leiter zu erreichen war. Mit ihren Taschenlampen leuchteten sie hinein, durchbrachen die Dunkelheit und erkannten einige dort gelagerte große Gegenstände. Der Lichtstrahl war immer noch nach vorne gerichtet, als es plötzlich leicht blitzte.

Der Blitz stammte tatsächlich vom Vermissten. Sein Ehering reflektierte das Licht des Scheins der Taschenlampe eines Polizisten und ihn verraten. Da half es auch nichts mehr, sich unter einer Decke zu verstecken. Die Beamt*innen forderten ihn mehrmals auf, sich zu stellen, doch der Mann reagierte nicht. Nachdem sie ihn aus dem Versteck holten, sei er allerdings kooperativ gewesen.

Der 52-Jährige wurde festgenommen, genauso wie seine Frau. Beide sind wegen gemeinschaftlich versuchten Betrugs angezeigt worden und in Untersuchungshaft. Das Verfahren läuft noch. Die Staatsanwaltschaft Kiel wie auch die Polizeidirektion Kiel beschreiben den Fall als filmreif.

Die echte Kettensäge

Ende Mai spielte sich eine außergewöhnliche Szene vor dem Arbeitsamt in Berlin-Tempelhof ab. Ein 44-jähriger Mann und seine genauso alte Begleiterin waren um die Mittagszeit im Amt, um einen Scheck einzulösen. Die zuständige Mitarbeiterin ließ das allerdings nicht zu. Warum sie diesen Wunsch verwehrte, ist noch nicht bekannt.

Der Mann wurde wütend, konnte die Abweisung nicht akzeptieren und startete einen Streit. Doch die Mitarbeiterin ließ nicht locker. Wutentbrannt verließ der Mann das Gebäude und schickte auf dem Weg zum Ausgang einem Sicherheitsmitarbeiter noch eine Drohung hinterher: Sollte es keine Einigung geben, komme er mit einer Kettensäge wieder.

Er hielt sein Wort. Wenige Minuten später standen der Mann und seine Begleiterin mit besagter Säge vor den Türen des Arbeitsamtes. Was er mit dem Gerät genau vorhatte, ist nicht klar. Die Kettensäge war ausgeschaltet. Mitarbeiter*innen des Arbeitsamtes sperrten schnell alle Zugänge zum Gebäude und verständigten die Polizei.

So standen die beiden vor den verschlossenen Türen des Arbeitsamtes in der Alarichstraße, bis zufällig ein Rettungshubschrauber über sie hinwegflog. Dieser war gerade wegen eines Unfalls in ihrer Nähe unterwegs. Die beiden 44-Jährigen nahmen allerdings an, der Hubschrauber wäre wegen ihnen gekommen.

In dem Glauben, dass die Berliner Polizei große Geschütze auffährt, bekamen es die beiden mit der Angst zu tun, stiegen in ihr Auto und fuhren davon – noch bevor die Polizei vor Ort eintraf. Die beiden wurden wegen des Verdachts der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten angezeigt. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Allerdings haben sich die beiden Verdächtigen noch kurz zuvor beim Versuch, den Scheck einzulösen, ausgewiesen. Die Identitäten der beiden sind also bekannt.

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