Als Recep Tayyip Erdoğan im Jahr 2002 die Wahl gewann, lag die Wirtschaft des Landes am Boden: Staatsschulden und Wirtschaftskrise. Die AKP und allen voran Erdoğan sorgte für Aufbruchsstimmung. Er baute Straßen, schuf Jobs. Auf einmal hatten Menschen Jobs, Geld und Kühlschränke. Aber das Wichtigste: Sie hatten Hoffnung, dass es ihnen bald besser geht.

Plötzlich war die Türkei als mögliches EU-Mitglied im Rennen. Doch die Regierung bewegte sich immer weiter weg von Meinungs- und Pressefreiheit. Bei den Gezi-Protesten 2013 kippte die Stimmung im Land endgültig. Friedliche Proteste wurden gewaltvoll gestoppt. Es folgten massenhafte Verhaftungen der Opposition und Kritiker*innen.

Viele Türk*innen sind Erdoğan für den wirtschaftlichen Aufschwung der Türkei bis heute dankbar. Aber von einem Aufschwung kann keine Rede mehr sein. Seit Beginn des Jahres verlor die heimische Währung Lira mehr als 20 Prozent an Wert, die Inflation liegt mittlerweile bei über elf Prozent. Am 24. Juni wird in der Türkei gewählt. Wir geben Antworten auf die wichtigsten Fragen:

Was wird gewählt?

Am 24. Juni 2018 werden in der Türkei zeitgleich Parlament und Präsident*in gewählt. Somit stellt sich Erdoğan als Kandidat um die Präsidentschaft und seine Partei die AKP kämpft darum, die Mehrheit im Parlament zu behalten.

Mit dieser Wahl werden auch die Verfassungsänderungen (des Referendums 2017) in Kraft treten, womit unter anderem das Amt des Ministerpräsidenten zum ersten Mal in der türkischen Geschichte abgeschafft wird.

Was ist neu?

Im Gegensatz zur letzten Wahl steckt die Türkei nun in noch größeren wirtschaftlichen Probleme, wie der Fall der Lira zeigt.

Überraschend ist nun einen Monat vor der Wahl die Präsenz einer starken Opposition, welche der AKP-Regierung um Erdoğan mit einer gemeinsamen Allianz die Stirn bieten will.

Wer ist Teil der Opposition?

Derzeit ist vor allem einer auf den Bühnen der Wahlkampfauftritte zu sehen: Muharrem Ince. Er ist der Präsidentschaftskandidat der säkularen CHP und stammt aus dem linken Flügel der sozialdemokratisch bis nationalistischen Partei. Er gilt als begnadeter Rhetoriker.

Auch eine ehemalige Innenministerin der Türkei, Meral Aksener, tritt bei der Wahl an. Erst im vergangenen Jahr hat sie die Partei Iyi (übersetzt: die gute Partei) gegründet. Sie hat es auf eine ähnliche Wähler*innenschaft wie die AKP abgesehen – nämlich die nationalistischen und konservativen Wählenden. Ince und Aksener schlossen mit ihren und zwei weiteren Parteien ein Art Wahlbündnis gegen die AKP.

Am schwierigsten hat es nach wie vor die pro-kurdische HDP, da die meisten Politiker*innen der Partei im Gefängnis sitzen, unter anderem ihr Präsidentschaftskandidat Selahattin Demirtas. Er betreibt derzeit Wahlkampf aus dem Gefängnis.

Was bedeutet diese Wahl für die Türkei?

Es gilt als wahrscheinlich, dass Ince Erdoğan in eine Stichwahl zwingen wird. Denn für einen Sieg der Präsidenschaftswahl benötigt Erdoğan eine absolute Mehrheit. Seine Umfragewerte liegen derzeit aber nur bei rund 42 Prozent.

Trotzdem bleibt Erdoğan der populärste Politiker der Türkei und sorgt fleißig vor, dass das auch so bleibt. Beispielsweise wurde der Ausnahmezustand nun zum siebten Mal von der Regierung verlängert, was den Wahlkampf massiv erschwert. Zudem gibt es mittlerweile so gut wie keine regierungskritischen Medien im Land mehr.

Was bedeutet das alles kurz zusammengefasst?

Erdoğan verfügt nach wie vor über viel Macht im Land. Doch sie scheint zu bröckeln. Es gilt als ein realistisches Szenario, dass die AKP und Erdoğan ihre absolute Mehrheit verlieren.