Alle haben es so oder so ähnlich schon einmal erlebt: Man tingelt mit seinen Freund*innen durch die Bars der Stadt, beugt sich über die Theke, um eine Runde zu ordern und merkt beim Blick zu Seite, verdammt, da steht der*die Expartner*in. Die unsichere Begrüßung verwandelt sich schnell in ein Gespräch über alte Zeiten. Man kennt sich, man versteht sich. Da ist eben diese Vertrautheit. Die Freund*innen verdrehen die Augen und machen sich irgendwann aus dem Staub. Zurück bleiben mehrere leere Gin-Tonic-Gläser und die Frage: Warum haben wir uns eigentlich getrennt, wenn wir uns doch gerade so gut verstehen?

Genau so eine Begegnung kann den Anfang vom Ende oder eben auch den Anfang vom Wiederanfang bedeuten. Aber was spricht dafür, sich wieder auf den*die Ex einzulassen? Und wann sollte man die alte Beziehung lieber nicht noch einmal aufwärmen? Oliver Heil, Diplom-Psychologe und Leiter einer Praxis für Liebe und Beziehung in Freiburg, beschäftigt sich beruflich mit Verliebtheit. Als Experte erläutert er das Für und Wider einer aufgewärmten Beziehung.

ze.tt: Herr Heil, was spricht ganz allgemein dafür, eine Beziehung wieder aufzuwärmen und was dagegen?

Oliver Heil: Dafür spricht, dass man sich ja mal gut verstanden und es eine Weile zusammen funktioniert hat. Wenn daran angeknüpft werden kann, ohne dass an die alten Verletzungen oder offenen Rechnungen gedacht wird, warum nicht.

Dagegen spricht, dass meistens einer (meistens der, der mehr geliebt hat) defizitär dasteht. Die Person, die verlassen wurde, wird möglicherweise insgeheim immer misstrauisch bleiben und das stört wiederum das tiefere Einlassen in die Beziehung. Die Seele kann verzeihen, aber zumeist nicht vergessen.

Warum kommt es dann trotz dieser Vorzeichen oft dazu, dass Menschen sich wieder auf ihre*n Expartner*in einlassen? Woher kommen der plötzliche Sinneswandel und die erneuerte Attraktivität?

Auf die Distanz betrachtet erscheint der Partner noch mal in einem anderen Licht. Es können aber auch andere Gründe sein, wie das Bedürfnis nach einer gesicherten, materiellen Versorgung oder das Wertschätzen der Gemeinsamkeit anstelle der Einsamkeit.

Wie kann es gelingen, die alte Liebe zu reanimieren?

Jede Beziehungsform braucht Klarheit. Diejenige Person, die verlassen wurde, muss wieder Vertrauen gewinnen, und das ist die Aufgabe von beiden. Verzeihen können ist dabei die größte Herausforderung für alte, beziehungsweise neue Paare, weil die Trennungswunde wieder geheilt werden muss. Beide müssen zusammen einen Weg finden, wie sie mit diesem Teil der Beziehung umgehen. Dies sollte meines Erachtens unbedingt angesprochen und in keinem Fall ignoriert werden. Es ist sehr wichtig, sich noch mal bewusst zu machen, was denn damals eigentlich los war und ob es noch offene Rechnungen gibt. Aber es ist genauso wichtig, es dann auf sich beruhen zu lassen und nach vorne zu schauen.

Ist ein kompletter Neuanfang denn auch möglich? Vielleicht ist die erste Beziehung schon lange her und man hat das Gefühl, nicht mehr darüber sprechen zu müssen. Oder man möchte einfach einen sauberen Neustart ohne die Altlasten der früheren Beziehung.

Ich halte das für ein Ding der Unmöglichkeit. Vielleicht ist es möglich, eine innere Haltung im Sinne eines Neuanfangs einzunehmen, bei der sehr genau darauf geachtet wird, nicht in die alten, destruktiven Beziehungsmuster zu rutschen. Aber das durchzuhalten, ist ungefähr so schwierig wie der feste Vorsatz, seine Kinder nicht so zu erziehen, wie die eigenen Eltern es mit einem gemacht haben.

Meistens machen sich die Paare nicht bewusst, was genau eigentlich zur Trennung geführt hat und fallen in alte Verhaltensweisen zurück.
Oliver Heil, Psychologe

Welche Fehler machen die meisten Paare, die ihre Beziehung wieder aufnehmen?

Meistens machen sich die Paare nicht bewusst, was genau eigentlich zur Trennung geführt hat und fallen in alte Verhaltensweisen zurück. Sie müssen sich Kommunikations- und Beziehungsmuster bewusst machen, damit ein neues, wertschätzendes Miteinander entstehen kann. Das ist am Anfang intensive Arbeit, die sich aber lohnen kann, wenn beide die Beziehung als ein gemeinsames Projekt ansehen und bereit sind, ganz neue Erfahrungen in der Beziehung zu machen.

Wie kann man prüfen, ob es nicht nur Nostalgie ist, wegen der man sich dafür entscheidet?

Ich würde Nostalgie in diesem Zusammenhang gar nicht so bedenklich sehen. Das ist schließlich auch eine Sorte der Liebe, die sehr, sehr lange dauern kann. Bei der Nostalgie geht es um die Sehnsucht nach jener Zeit, in der die Beziehung noch sehr gut funktionierte. Wenn sich Paare dieses gute Funktionieren als Zieldefinition setzen, kann dies ein sehr guter Anker sein und bleiben. Schwierig wird es meistens, wenn zum Beispiel die Erwartungen an das Wie-gut-es-einmal-War zu hoch sind. Zum Beispiel verändert sich im Laufe des Lebens der Wunsch nach der Menge oder der Qualität des Sexes. Wenn in der aufgewärmten Beziehung der Fokus zu sehr darauf gelegt wird, wie es toll es einmal war, dann sind meistens Enttäuschungen vorprogrammiert. Wenn jedoch das Augenmerk auf der Bewunderung der Qualitäten und Besonderheiten des Partners liegt, dann kann es durchaus gelingen.

Gehen wir davon aus, dass es nicht nur eine mentale Nostalgie gibt. Der*die Exfreund*in weiß auch nach all der Zeit noch um die eigenen erogenen Zonen und Vorlieben. Gibt es einen Unterschied zwischen mentalem und körperlichem Aufwärmen einer alten Beziehung?

Ja, selbstverständlich. Schon Friedrich Nietzsche sagte, man solle drauf achten, dass man gut miteinander kommunizieren kann, wenn man sich dauerhaft binden möchte. Schließlich ist es das, was Paare am meisten miteinander machen. Paare, die gut miteinander reden können, haben große Chancen ihre Beziehung noch mal aufzuwärmen. Bei denen dies kaum gelingt, aber der körperliche Kontakt gut funktioniert, denen würde ich keine lange reanimierte Beziehung prognostizieren.