"Du musst ihn einfach loslassen", sagten damals sämtliche Freundinnen immer wieder zu mir, und meine Zustimmung hätte nicht größer sein können. Das zwischen ihm und mir führte schon seit Ewigkeiten zu nichts außer Selbstzweifeln und Schmerz. Aber was zur Hölle heißt loslassen, wie geht das? Über diese Frage habe ich mir sehr, sehr lange und intensiv den Kopf zerbrochen. Erst Jahre später habe ich es irgendwann verstanden: Loslassen ist nichts anderes als Akzeptanz.

Egal, ob innerhalb einer Beziehung oder nach einer Trennung, ob es um dich selbst geht oder andere: Manchmal hilft es nur, die Situationen und Menschen so hinzunehmen, wie sie sind.

Akzeptanz senkt den Leidensdruck

"Sobald wir wirklich verstehen und akzeptieren, dass das Leben schwer ist, dann ist das Leben nicht mehr schwer. Denn sobald wir es akzeptiert haben, spielt diese Tatsache keine Rolle mehr", schreibt Morgan Scott Peck in seinem Lebensratgeber The Road Less Travelled zum Thema Akzeptanz.

Einfacher ausgedrückt: Sobald du hinnimmst, dass manches eben wehtut und ätzend ist, tut es direkt ein bisschen weniger weh und ist weniger ätzend. Denn ein ganz erheblicher Anteil an emotionaler Energie wandert immer in das frustrierende Gefühl von "Warum? WARUM?!". Die Antwort "Tja, ist halt so" kann da zuweilen wahre Wunder und regelrecht befreiend wirken.

Auch bei den Anonymen Alkoholikern zum Beispiel lautet das Motto: Gib mir die Gelassenheit, die Dinge anzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden. Das ist eine hohe Kunst und gilt grundsätzlich für alle Lebensbereiche, aber besonders für die Liebe.

Deine Gefühle sind okay, bekämpfe sie nicht

Ob du nun jemanden liebst und nicht damit aufhören kannst, ob er*sie dich einfach nicht will, ob du jemanden niemals aufrichtig lieben können wirst, ob deine Beziehung zwar stabil, aber nicht perfekt ist – der erste Schritt ist, die Situation so anzunehmen, wie sie ist und auf das Bedürfnis nach unmittelbarer Änderung zu verzichten. Das nimmt den Leidensdruck raus. Dann kannst du dir in Ruhe überlegen, ob und wie du damit umgehen möchtest.

Es ist okay, jemanden zu lieben, der*die dich nicht liebt. Du musst damit nicht aufhören, dein Gefühl hat seine Berechtigung. Aber du wirst den*diejenige nicht umstimmen können. Deshalb kann es sinnvoll sein, dich aus Selbstschutz zurückzuziehen. "Man braucht Raum, um alles zu verarbeiten, Abstand zu gewinnen und zu sich selber zu finden", sagt die Beziehungsexpertin Silvia Fauck. "Und man benötigt ein gutes Selbstwertgefühl, um Zurückweisung zu verarbeiten." Das allerdings wächst leider nicht auf Bäumen. Doch Selbstliebe und -fürsorge könne laut Fauck ein Anfang sein: "Geduld mit sich selbst ist angesagt." Akzeptanz also.

Es ist okay, Gefühle nicht zu erwidern. Du musst dich deshalb nicht schuldig fühlen. Allerdings solltest du aus Rücksicht dem*der anderen keine Hoffnung machen und das klar kommunizieren – auch, wenn’s schwer fällt.

Es ist okay, eine mittelgute Beziehung zu führen. Die Frage ist halt, was deine wahren Bedürfnisse sind und was du aktuell von einer Beziehung erwartest und brauchst. Ständig frustriert rumkritisieren ist jedenfalls wenig sinnstiftend und stiehlt allen Beteiligten bloß Zeit. Ohne Kompromisse geht es nie, aber du solltest dich auch nicht komplett verbiegen, denn das macht irgendwann unglücklich. Wenn deine emotionalen Mangelerscheinungen dauerhaft zu hoch sind, kann langfristig eine Trennung befreiend sein.

"Wir können andere ohnehin nicht ändern – und das sollte in einer Beziehung auch nicht das Ziel sein", sagt die Buchautorin und Trennungsexpertin Elena Sohn. "Mir begegnen oft Menschen, die sagen: 'Ich habe halt gehofft, dass er oder sie sich ändert'. Und so gut wie nie hat es geklappt." Besser, als sich am anderen abzuarbeiten, sei demnach die Frage: Kann ich wirklich damit leben oder nicht? Elena Sohn: "Im ersteren Fall sollte ich es akzeptieren, im letzteren getrennter Wege gehen." Ein*e Partner*in sei nicht dazu da, dich glücklich zu machen oder dir zu gefallen, ihr teilt eurer Leben freiwillig und gleichberechtigt miteinander. Dazu gehört auch die Akzeptanz eurer Unterschiede.

Akzeptanz ist nicht gleich Zustimmung

Dabei sind Akzeptanz und Zustimmung übrigens nicht gleichbedeutend. Zu akzeptieren, dass jemand sich für dich unangenehm oder toxisch verhält und das nicht (mehr) aktiv ändern zu wollen, ist etwas ganz anderes, als es hinzunehmen und gar nicht zu reagieren.

Der Unterschied besteht im Aufgeben – beziehungsweise in der Priorisierung des eigenen Wohlbefindens und den daraus folgenden Handlungen. Also, "Ich akzeptiere, dass es so ist und kann damit gut leben oder ich gehe" versus "Ich halte lieber die Klappe und leide still vor mich hin".

"Wenn es darum geht, dass mein Partner ein Verhalten hat, das mich schädigt, dann sollte ich es natürlich nicht akzeptieren", erklärt Elena Sohn noch mal genauer. "Es hat wenig Zweck, zu hoffen, dass der andere sich ändert. Besser ist es, die eigenen Grenzen klar auszusprechen und wenn der andere sich nicht daran hält, Konsequenzen zu ziehen."

Wie das mit der Akzeptanz konkret gelingt? Im ersten Schritt zum Beispiel damit, das eigene Seelenheil an oberste Stelle zu setzen – auch, wenn das in unserer Gesellschaft teilweise als egoistisch verpönt ist. Wie Silvia Fauck sagt: "Alles, was einem persönlich gut tut, ist in dem Moment richtig. Man muss Selbstverantwortung lernen, dann kann Schritt für Schritt alles gut werden." Und natürlich gilt auch umgekehrt: Alles, was auf Dauer nicht gut tut, muss weg.

Ich habe übrigens irgendwann tatsächlich loslassen können, vor langer Zeit schon. Im Laufe der Jahre sind die Details verletzender Wortwechsel verblasst, der Zorn verflogen, Sturheit geschmolzen. Ich konnte sowohl meine als auch seine Gefühle akzeptieren. Es ist wie es ist, und es ist sehr okay.

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