Das Geflüchtetencamp Moria auf der Insel Lesbos ist vergangene Woche abgebrannt. Sonntagabend widmet Anne Will ihre Sendung dem Thema. Zu Beginn schaltet die Moderatorin zunächst für gut zehn Minuten live auf die Insel Lesbos. Dort sitzt Isabel Schayani neben einer Familie aus Afghanistan und berichtet von ihren Erlebnissen der vergangenen Tage. Die Reporterin wirkt angefasst, es ist ihr anzumerken, wie schwer es ihr fällt, in der Situation professionell distanziert zu bleiben. Denn was sie dort erlebt, ist schwer begreiflich zu machen.

"Ich sitze 40 Meter vom Lidl entfernt", so geht ihr Bericht los, doch der Supermarkt habe geschlossen, um sie herum Hunderte Menschen, die hungern. Die Familie, mit der sie zusammensitzt, kennt sie seit Oktober 2019. Sie hat sie im Rahmen ihrer journalistischen Arbeit kennengelernt. Neben der Mutter sitzen noch drei Kinder vor der Kamera, Schayani erzählt, sie hätten eben gemeinsam Reis gekocht. Dann hält sie ein Ei hoch: drei Eier hätte die Mutter ergattern können. Das Abendessen.

"Die Leute drehen durch"

Seit die griechische Regierung ein neues Lager bauen lasse, sei die Situation auf Lesbos schlimmer geworden, "die Leute drehen durch", sagt Schayani. Sie hätten Angst, dass das neue Lager wieder "ein Gefängnis" werden könne, ein Gefängnis, wie sie Moria in der Quarantäne empfunden hätten. Es gebe allerdings wenig verlässliche Informationen, dafür umso mehr Gerüchte. Viele der Menschen würden es daher vorziehen, auf der Straße zu bleiben, da sie solche Sorge vor dem neuen Camp hätten.

Die Ziele der griechischen Regierung seien ihr unklar, Schayani vermutet aber, dass die Geflüchteten ein "optisches Faustpfand" für die Regierung seien. Die Situation sei so schlecht, dass sie wohl als Abschreckung für weitere Flüchtlinge dienen soll. Und auch wenn die Griech*innen vor Ort wahnsinnig nett und hilfsbereit seien, würde sie die eskalierende Situation vor ihrer Haustür spalten – "Es ist wie Bürgerkrieg", habe ihr ein Grieche gesagt.

Dann zeigt Schayani auf das kleine Mädchen, das neben ihr sitzt. Sie stockt, als sie erzählt, wie sich das Mädchen in den letzten Monaten verändert habe. Viele Kinder seien vom "Schock des Feuers" stark mitgenommen. "Das war ein anderes Kind", sagt Schayani.

Sie selbst habe mitbekommen, wie Mitarbeitende einer NGO angeschrien worden wären, Sicherheitskräfte hätten nicht zugelassen, dass deren Lebensmittelversorgung zu den Menschen gekommen wäre. "Das kennen wir nicht aus Europa", führt sie aus, "die Menschen haben Hunger". Bei einer Essensausgabe sei es daher zu Tumulten gekommen, "die Versorgungslage ist mies", beschreibt sie es.

Sie werde ständig gefragt, was Europa und die deutsche Regierung plane. Die Menschen seien in einem "gedanklichen Dschungel", weil sie keine Informationen bekommen würden. Als sie gesagt habe, dass die deutsche Regierung plane, 400 Menschen aufzunehmen, sei den Leuten "die Kinnlade runter geklappt".

Sie versuche immer, den Menschen klarzumachen, dass Europa nunmal entscheiden dürfe, wen und wie viele es aufnehmen wird. "Wir verstehen das, aber warum behandelt ihr uns wie Tiere?", habe man sie dann gefragt. Und da sei sie mit ihrem Latein am Ende gewesen.

gw