Wo genau Entenhausen liegt, weiß niemand. Für die meisten Zeichnerinnen und Zeichner ist es eine Stadt an der nordamerikanischen Westküste, für die meisten Fans spielt es keine Rolle. Seit über 50 Jahren ist die Heimatstadt von Donald Duck und Micky Maus Dreh- und Angelpunkt der Geschichten im Lustigen Taschenbuch (LTB). Im vergangenen Jahr erschien die 500. Ausgabe.

In all der Zeit wurde das LTB, wie viele andere Comicreihen auch, zu einem Spiegel der Gesellschaft. Handys und Internet erhielten Einzug in die Geschichten, älteren Leserinnen und Lesern fallen auch die feinsinnige Konsumkritik oder die kollektiven Bindungsängste der Generation Y auf. Die Popkultur wird Gegenstand von Parodien. Nur die Verteilung der Geschlechterrollen entspricht noch immer Stereotypen.

Gewinnt Oma Duck einen Backwettbewerb, ist ihre Konkurrenz ausschließlich weiblich. Nimmt die Polizei die Panzerknacker mal wieder am Geldspeicher fest, besteht die Streife aus Männern. Im Krankenhaus arbeiten Frauen nur als Pflegerinnen und Männer als Ärzte. Treffen Daisy Duck oder Minnie Maus ihre Freundinnen, sitzen sie mit dicken, Hüte und Handtaschen tragenden Klatschweibern am Tisch, die scheinbar nichts Besseres zu tun haben, als den ganzen Tag Kaffee zu trinken. Viele, oft namenlose, weibliche Nebenfiguren sehen genauso aus: Kleider und Röcke bestimmen den Dresscode, eine brave Schleife im Haar macht sie häufig zum bloßen, berufslosen Beiwerk ihrer erfolgreichen Ehemänner. Die Farbe Rosa dominiert häufig ihre Kleidung.

Dabei ist der Frauenanteil unter den Hauptfiguren im Lustigen Taschenbuch eigentlich relativ groß. Daisy und Oma Duck erhalten oft eigene Geschichten, ebenso die Hexe Gundel Gaukeley. Doch die Zeichner*innen stellen sie, wie viele Nebenfiguren, mit typisch weiblichen Eigenschaften dar.

Weibliche Figuren mit typisch weiblichen Eigenschaften

Erfunden wurde Entenhausen von dem US-Amerikaner Carl Barks, der in den 1940er Jahren noch viele weitere Figuren schuf, darunter Dagobert Duck, den reichsten Mann der Welt, den genialen Erfinder Daniel Düsentrieb und den Glückspilz Gustav Gans. Entenhausen spiegelte damals Barks' Lebenswelt wieder, ein bürgerliches, aber auch keusches und konservatives, mitunter biederes Amerika. Eine Männerdomäne, in der Frauen tagsüber typische Arbeiten wie Sekretariatsdienste übernehmen, in Abendgarderobe dagegen anmutig und grazil erscheinen.

Es gibt wohl wenige Comiczeichner*innen, der sich von Barks nicht hat inspirieren lassen. Eine umfassende Szene gibt es in Italien. Nahezu alle Geschichten im Lustigen Taschenbuch stammen von dort. Im Micky-Maus-Magazin stammen die Zeichner*innen auch aus anderen Ländern, vor allem aber Dänemark, aus dem auch die verlegende Egmont-Gruppe kommt. Auch hier entwickelten sich verschiedene Zeichenstile, die Autor*innen erfanden wiederum Figuren hinzu, die Strömungen beeinflussten andere Zeichner*innen. Und doch behielt das heutige Entenhausen Züge des Entenhausens der 50er Jahre, mit Frauen als Subjekten. "Selbst Erika Fuchs, die Barks' Comics übersetzte und bis 1988 Chefredakteurin des Micky Maus Magazins war, hat festgestellt, dass Frauen in Barks' Geschichten sehr traditionell und dümmlich präsentiert wurden", sagt Peter Höpfner.

Wir haben viele Geschichten, [...] die heute nicht mehr zeitgemäß sind." – Peter Höpfner

Er ist Global Creative Director des deutschen Egmont-Ablegers Ehapa und damit Chefredakteur des Lustigen Taschenbuchs. "Wir haben tatsächlich viele Geschichten, die noch in klassischen Rollenverhältnissen verhaftet sind und heute nicht mehr zeitgemäß sind", gibt er zu. "Klassische Geschichten, wo Donald den Kindern mit dem Stock hinterherrennt, würde man so nicht mehr machen." Viele Comics seien sehr alt. Sie wurden schon seit 1951 verlegt und immer wieder nachgedruckt. "Manche veröffentlichen wir dagegen gar nicht mehr: Wenn Dagobert auf eine einsame Insel fährt und auf Eingeborene trifft, die sehr einfältig sind, keine normale Sprache sprechen und nur Menschen fressen wollen – das war eine Zeit lang eine schöne Abenteuergeschichte, heute geht das nicht mehr."

Oma Duck war schon immer lieb und gut – das kann man nicht ändern

Bei der Darstellung der Figuren spielt auch deren Charakter eine Rolle. "Damals wurde Oma Duck beispielsweise eben als liebe, gute alte Oma dargestellt. Das können wir nicht verändern", sagt Höpfner.

Die Wahrnehmung der Geschichten hängt auch mit der Leser*innenschaft zusammen. 70 Prozent aller LTB-Fans sind Männer. "Die eine Hälfte sind natürlich Kinder zwischen 8 und 14 Jahren. Es gibt aber auch eine Gruppe ab 19 Jahren, die dann wieder einsteigt." Bestimmte Comicreihen abseits des gewöhnlichen Lustigen Taschenbuchs richteten sich ausschließlich an Erwachsene oder eine bestimmte Zielgruppe. "Manche Editionen werden nur von Frauen gelesen", sagt Höpfner. Erstaunlicherweise seien es gerade die jungen Erwachsenen unter den Leser*innen, die die kontroversesten und auch konservativsten Diskussionen führten.

Das dänische Unternehmen Egmont Publishing ist seit 1948 Disney-Lizenznehmer, hat also das Recht, Comics aus Entenhausen zu erstellen und zu drucken. Egmont Ehapa ist ein deutsches Tochterunternehmen. Einfluss auf den Inhalt der Comics haben Höpfner und seine Kolleg*innen durchaus. "90 Prozent sind Auftragsarbeiten von freien Zeichnerinnen und Zeichnern. Die erscheinen zuerst im italienischen Topolino-Heft und wir kaufen sie dort ein."

Bestrebungen, das Rollenverhältnis zu ändern, habe es immer wieder gegeben. "Wir müssen Entenhausen entstauben und die Hauptfiguren in einer modernen Zeit halten. Auch eine Frau kann eine Superheldin sein und viele Publikationen richten sich bereits an Frauen." Ihre Rolle müsse thematisiert werden. "Sie wird auch Veränderung erfahren, wir führen regelmäßig Umfragen durch und testen Sachen aus, beispielsweise durch Serien mit Daisy oder weiblichen Agenten." Ähnlich sei es mit schwarzen Figuren in Entenhausen. "Das bleibt weiter spannend."

Disney hat auch noch ein Wörtchen mitzureden

Tiefgreifende Veränderungen seien allerdings nicht so leicht umzusetzen. "Da gibt uns Disney bestimmte Vorgaben, an die wir uns halten müssen, beispielsweise über die Darstellung von Waffen", sagt Höpfner. "Wir führen darüber immer wieder Diskussionen mit Fans. Wir durften schon Geschichten nicht drucken, weil Micky im Auto nicht angeschnallt war oder Goofy keinen Helm trug. Dabei ist das nur ein Hund auf dem Rad. Da muss man schon vorsichtig sein."

Auch eine Frau kann eine Superheldin sein." – Peter Höpfner

Höpfner findet aber auch: "Eine Debatte über die Nebenfiguren geht schon sehr ins Detail, das ist ein nachgelagerter Schritt. Es würde wahrscheinlich auch niemand merken, wenn sie auf einmal anders dargestellt werden", vermutet er. "In der nächsten Geschichte kommt Daisy dann wieder mit ihren altbackenen Werten daher, das krempelt das Rollenverhältnis auch nicht um. Da müsste einfach mehr kommen, das ist aber auch Geschmackssache."