Ehe für alle in Österreich – und Kritik kommt von der katholischen Kirche. Geht’s eigentlich noch? Ein Kommentar

Nachdem erst kürzlich in Deutschland und Australien die Ehe für alle beschlossen wurde, setzt nun auch der österreichische Verfassungsgerichtshof ein Zeichen für die Liebe. Das ist richtig, schön und wurde auch mal Zeit. Natürlich werden dabei auch wieder Gegenstimmen laut, unter anderem aus dem Lager der katholischen Kirche.

Kathpress, der katholischen Presseagentur Österreichs, zufolge bedauert der Diözensanbischof Klaus Küng die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes: "Es schmerzt, dass sich die Bedeutung der Ehe als Verbindung von Mann und Frau nun nicht mehr im staatlichen Rechtsverständnis in ihrer Exklusivstellung als ,Keimzelle der Gesellschaft' ausdrückt."

Er betonte in einer Stellungnahme, dass Kinder ein Recht auf Vater und Mutter haben, denn das sei "maßgeblich für die Identität und Persönlichkeitsentwicklung notwendig", Küng sieht die Kinder als die Leidtragenden. Des Weiteren gibt er zu verstehen, dass die Verbindung von Mann und Frau "als Abbild des Schöpfers, die die Sexualität nicht willkürlich von Fortpflanzung trennt, sondern als ein Ganzes sieht" zu verstehen sei. Auch der Wiener Kardinal Christoph Schönborn findet es "beunruhigend, dass sogar die Verfassungsrichter den Blick verloren haben für die besondere Natur der Ehe als Verbindung von Mann und Frau", wie die Tageszeitung Kurier berichtet.

So, jetzt erst mal kurz durchatmen. Ich möchte wirklich keine religiösen Ansichten verletzten und vielleicht kommt mir diese Debatte auch einfach besonders absurd vor, weil ich ein schwuler Atheist bin. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass jeder Mensch an das glauben kann, was er möchte, solange er niemanden damit verletzt. Und dann liegt es doch aber auch auf der Hand, dass jeder Mensch lieben kann, wen er möchte – ganz unabhängig von Geschlecht und Geschlechterrolle, oder?

Mutter und Mutter, Vater und Vater

In Österreich dürfen gleichgeschlechtliche Paare bereits seit 2015 adoptieren. Ein Kind kann also nicht nur Mutter und Vater, sondern auch Mutter und Mutter oder Vater und Vater haben. Und das soll schlimm sein? Ein Kind, das nicht klassisch mit Mutter und Vater, wie Küng das beispielsweise gerne hätte, aufwächst, kann keine Identität, keine Persönlichkeit entwickeln, oder wie soll man sich das vorstellen?

Mal ganz abgesehen davon, dass alle Studien zur Entwicklung von Kindern in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften ergaben, dass es den Kindern mit homosexuellen Eltern genauso gut geht wie denen mit heterosexuellen Eltern, verstehe ich die Angst Küngs einfach nicht.

Klar: Wenn die Eltern Arschlöcher sind und ihr Kind zu einem Arschloch großziehen, dann leidet das Kind – das möchte ich nicht abstreiten. Und Homosexualität befreit natürlich nicht davon, menschlich ein Arschloch zu sein. Heterosexualität aber eben auch nicht. Darum kann mir kein Mensch erzählen, dass schwule oder lesbische Paare nicht in der Lage wären, gute Eltern zu sein. Letztendlich zählt doch nicht die Form der Familie, sondern die Art und Weise wie in der Familie miteinander umgegangen wird.

Was soll also passieren? Hat man etwa Angst, dass Kinder, die von vornherein mit dem Wissen aufwachsen, dass nicht nur Adam und Eva, sondern zum Beispiel auch Adam und Adam Sex haben können, die Kirche hinterfragen? Dass sie sich vielleicht nicht einfach so in ein religiöses Korsett zwängen lassen und auch mal Dinge hinterfragen?

Aufwachen, es ist 2017

Die klassische Ehe als "Keimzelle der Gesellschaft"? Was soll das übrigens heißen? Das müsste man mir bitte noch mal erklären. Und kommt mir nicht mit dem Argument, dass Kinder gleichgeschlechtlicher Paare in der Schule starkem Mobbing ausgesetzt sind. Wenn sie gemobbt werden, dann weil ihre Mitschüler*innen von ihren Eltern nicht ausreichend darüber aufgeklärt wurden, dass Menschen unabhängig von dem, was man zwischen den Beinen hat oder nicht, lieben können. Und genau mit dieser Aufklärung sollten wir beginnen. Aber nein, stattdessen wird ein veraltetes Familienbild glorifiziert, das viele Menschen ausschließt.

[Außerdem bei ze.tt: In dieser Kirche heiratet niemand mehr, bis es alle dürfen]

Wir leben im Jahr 2017. Ich frage mich, warum müssen wir solche Diskussionen überhaupt noch führen? Warum muss eine Institution wie die katholische Kirche, die den Menschen doch eigentlich einen Halt, ein Zugehörigkeitsgefühl vermitteln sollte, soviel Lärm um nichts machen? Ich bin wütend – und dabei sollte ich doch eigentlich glücklich sein.