Modetrends kommen immer wieder, heißt es. Die 1970er, die 80er, die 90er. Während die älteren Generationen bei den meisten wiederkehrenden Trends – Leggings, Choker – nur die Augen verdrehen können, dürften sie sich von der aktuellen Entwicklung in der Modewelt fast ein bisschen geehrt fühlen. Denn der neueste Trend erinnert an den Stil von Klischee-Kunstlehrerinnen mittleren Alters. Menocore ist eine Hommage an Frauen in den Wechseljahren.

Aufgekommen ist der Begriff erstmals unter den Moderedakteurinnen der Online-Plattform Man Repeller. Als sie diesen Sommer durch ihr Büro schlichen, dominierte unter ihnen vor allem ein Kleidungsstil: Leinenhosen mit Kordelzug, locker sitzende Hemden, fließende Stoffe, gemütliche Stickpullis, gelegentlich ein Fischerhut, wie es Moderedakteurin Harling Ross nacherzählt. Ist das ein neuer Trend, sich im Stil einer pensionierten Masseurin oder exzentrischen Keramikerin zu kleiden, fragten sie sich. Vielleicht. Sie benannten den Stil Menocore, angelehnt Frauen in ihren 50ern, denen total egal sei, was andere Leute über sie denken würden und die sich einfach wohlfühlen wollten.

Anziehen wie Frauen mittleren Alters

Als Stilvorbilder nennt Ross weibliche Hauptfiguren mittleren Alters in romantischen Komödien, wie Diane Keaton in Was das Herz begehrt. Ross selbst unterscheidet in ihrem Artikel zwischen zwei Archetypen von Menocore: Einerseits die, die sich sehr neutral, von Kopf bis Fuß in weißes Leinen kleiden, hochgerollte Khakipants tragen und so ein bisschen nach Strandurlaub aussehen. Auf der anderen Seite stehen für sie tropische Muster, Seidenhemden mit Taschen, auffälliger Schmuck, Musterkontraste und gerade geschnittene Kleidung.

In Harling Ross' Augen ist die Menocore-Bewegung auch eine Hommage an eine Altersgruppe, die von der Modeindustrie meist wenig beachtet wird. Während junge Frauen durchgehend im Fokus stünden, hätten in den vergangenen Jahren auch Modeikonen über Achtzig dank Iris Apfel mehr Aufmerksamkeit bekommen. Die Frauen dazwischen blieben unsichtbar – das würde sich nun ändern.

Der Man Repeller-Artikel trat eine Zustimmungswelle los, auch deutsche Modejournalistinnen wie Claire Beermann hatten schon nach dem passenden Wort für ihren lockeren Kleidungsstil gesucht: "Ich habe mir schon das Gleiche gedacht, aber konnte kein Wort dafür finden. Wann haben wir angefangen, uns so zu kleiden, wie unsere Mütter auf dem Weg zum Töpferkurs?", kommentierte sie unter den Artikel.

Gemütlichkeit ist das neue sexy

So gekünstelt diese Bezeichnungen klingen mögen, steckt tatsächlich oft eine Einstellung dahinter: Noch vor drei Jahren beschrieb Normcore unser Bedürfnis, dazuzugehören statt uns abzusetzen, uns möglichst unauffällig zu kleiden, in der Masse zu verschwinden. Der Nicht-Stil-Stil, wie ihn die Welt damals betitelte, zeichnete sich durch so wenig Schnickschnack wie möglich aus. Normale Jeans, weiße T-Shirts, Birkenstocks. Diese Gleichschaltung machte mit der Zeit müde. Gleichzeitig sind viele genervt von dem durch Instagram propagierten Bild der durchtrainierten, freizügigen Frau à la Kylie Jenner, die gerne mal ein Pobäckchen durchblitzen lässt, zu viel Make-up aufträgt und von natürlicher Schönheit weit entfernt ist.

Carmen Böker vom Zeit Magazin findet noch einen weiteren Grund dafür, warum Menocore einen revolutionären Charakter hat: Klamotten, die bestenfalls aus Secondhand-Läden oder von der eigenen Mutter stammen, versprechen auch einen nachhaltigen Umgang mit der Kleidung: "Eine Generation junger Frauen, die mit Slogans wie Dress for the moment sartorial sozialisiert wurden, die nicht mehr von der Kunst der Mode reden, sondern in Fast-Fashion-Zyklen denken – die entdecken nun plötzlich die Langlebigkeit."

Wenn junge Frauen sich jetzt also kleiden wie Frauen in den Wechseljahren, lässt sie das nicht älter wirken. Im Gegenteil: Es lässt sie erwachsener aussehen. Mit der lockeren Kleidung wollen sie etwas von dem Selbstbewusstsein und der Stärke vermitteln, die reifere Frauen bereits haben. Sie zeigen, dass sie keine körperbetonte Klamotten brauchen, um auf sich aufmerksam zu machen – ihr Charakter ist bereits stark genug. Sie ziehen sich nicht an, um irgendwem anders zu gefallen außer sich selbst.