Die Bilder der Never-Again-Protestbewegung, bei der US-amerikanischen Schüler*innen sich für härtere Waffengesetze einsetzten, gingen in den vergangenen Monaten um die Welt. Im ganzen Land kam es zu Protestmärschen, Schüler*innen verließen in sogenannten Walkouts den Unterricht und setzten so ein Zeichen gegen Waffengewalt. Sie forderten endlich mehr Sicherheit durch eine härtere Regulierungen von Schusswaffen, insbesondere an Schulen und Universitäten.

Ganz anders sieht das die 22-jährige Kaitlin Bennett aus Ohio. Die rechte Aktivistin und Mitgründerin der Pro-Waffen-Organisation Liberty Hangout erschien deshalb zu der Abschlussveranstaltung ihrer Universität mit einem AR-10 Sturmgewehr, nicht unähnlich der Waffe, mit der ein bewaffneter Schüler im Februar dieses Jahres in Parkland 17 Menschen tötete und 15 weitere verletzte.

Endlich bewaffnet

Die Kent State University, die Bennett besucht, verbietet es Studierenden, eine Waffe zu tragen. Für Besucher*innen gilt auf dem Campus allerdings das gängige Waffengesetz Ohios, das es erlaubt, Schusswaffen offen bei sich zu tragen. Glücklich darüber, durch ihren Uniabschluss endlich zur zweiten Gruppe zu gehören, entschied sich Bennet dafür, mit dem Sturmgewehr ihres Bruders bei der Veranstaltung zu erscheinen.

Auf Twitter postete sie ein Bild von sich, zu dem sie schrieb: "Nun, da ich meinen Abschluss an der Kent State gemacht habe, kann ich mich endlich auf dem Campus bewaffnen. Ich hätte dieses Recht schon als Studentin haben sollen – besonders da vier unbewaffnete Studierende auf diesem Campus von der Regierung ermordet wurden." In der Hand trägt sie ihre Abschlusskappe, die sie mit den Worten "Come and take it" versehen hat. Die Phrase ist in der Pro-Waffen-Szene eine gängige Reaktion auf die Forderung nach härteren Waffengesetzen. Bennetts Tweet wurde innerhalb kurzer Zeit fast 24.000-mal gelikt und 6.000-mal retweetet.

In ihrer Äußerung bezieht sich die junge Frau auf einen Vorfall im Jahr 1970, bei dem die Nationalgarde auf einer Demonstration von Studierenden gegen die Bombardierung von Kambodscha Schüsse in die Menge abgab und vier Menschen ums Leben kamen. Bennetts Ansicht: Wären die Studierenden bewaffnet gewesen, hätte es keine Toten gegeben.

Bennetts Ansicht: Wären die Studierenden bewaffnet gewesen, hätte es keine Toten gegeben."

Diesem von Waffenbefürworter*innen immer wieder angeführten Argument liegt die Logik zugrunde, mehr Waffen würden zu mehr Sicherheit führen. Bennett selbst scheint fest daran zu glauben, benennt sie doch auf der Webseite von Liberty Hangout die Ziele ihrer Organisation als das Sichern von "Frieden, Wohlstand und Eigentumsrechten". Den Weg dorthin sieht Bennett in der Bewaffnung der Bevölkerung.

Von konservativ-nationalistischer Seite wurde Bennett für ihren Tweet gefeiert, erhielt Heiratsanträge und viel Zuspruch. Fox News und Breitbart berichteten über sie. Gleichzeitig zeigen sich viele Twitternutzer*innen entsetzt von den Bildern und kritisierten die Aktion. Neben konstruktiver Kritik kam es auch zu Beschimpfungen und Morddrohnungen. Bennett reagierte einige Tage später mit einem Folgetweet, in dem sie erklärte, sie würde sich nicht für das Foto entschuldigen, da sie sich als Frau nicht in eine Opferrolle drängen lassen wolle. Das Tragen einer Waffe sieht sie als einen Akt der Selbstermächtigung.

Bennett instrumentalisiert dadurch Feminismus zugunsten ihrer eigenen Waffenvernarrtheit. Doch ihre Argumentation ist in den Kreisen von Waffen-Befürworter*innen keineswegs eine Ausnahme. Das damit einhergehende Weltbild steht im krassen Kontrast zu dem Wunsch der Studierenden, deren Stimmen im Zuge der Never-Again-Proteste zu hören waren. Bennetts Tweet und die Reaktionen darauf zeigen, wie stark sich viele US-Amerikaner*innen noch immer an das Recht klammern, eine Waffe tragen zu dürfen.