Wir wissen alle, was Liebeskummer mit uns machen kann. Von bodenloser Traurigkeit bis zu rasender Wut bietet der Es-ist-aus-Modus das ganze Ballett der fiesen Gefühle. Wie wir damit umgehen, ist mindestens genauso unterschiedlich.

Die einen schnappen sich jede greifbare Flasche Alkohol, posten schwarz-weiße Selfies und leiden mit existenziellem Nachdruck vor sich hin. Wieder andere müssen vor allem reden, reden, reden und sind hinterher bestenfalls erleichtert, schlimmstenfalls noch ratloser als vorher. Aber eine Reaktion ist mindestens genauso typisch: der Rebound.

Rebound als Medizin

Die englische Bezeichnung rebound (in etwa: Rückschlag) bezeichnet das Phänomen, sich nach einem Liebesaus sofort wieder in eine neue Beziehung zu stürzen. Wobei das keine ernsthafte Angelegenheit sein muss. Manche wollen gar nicht sofort eine neue Liebe. Alles, was sie wollen, ist irgendwas. Eine Knutscherei, ein One-Night-Stand, ein Affärchen.

weißt du, ich brauche das jetzt einfach. Das ist genau das Richtige

Wie L., die ich nur zwei Tage, nachdem mit ihrem langjährigen Freund Schluss war, in einer Bar traf, als sie gerade einem spanischen Austauschstudenten am Hals hing. "Ist das eine gute Idee?", fragte ich sie, als Eduardo – oder Edmundo, sie war sich nicht mehr sicher – Getränkenachschub holte. "Jaaa", glühte sie mir freudestrahlend entgegen, "weißt du, ich brauche das jetzt einfach. Das ist genau das Richtige."

Barknutscherei als Liebeskummermedizin. Wie L. mich so beseelt angrinste, konnte ich sie sogar gut verstehen. Denn ein Beziehungsende hat ja auch ganz praktische Konsequenzen. Keine*r mehr da, von dem man sich nachts wärmen lassen kann. Keine*r mehr da, der*die einem ab und an sagt, dass man schön sei. Bedürfnisse, die mit dem Beziehungsaus nicht einfach weggehen. Da liegt es also durchaus nahe, diese Bedürfnisse schnell wieder kompensieren zu wollen. Und das muss psychologisch betrachtet nicht einmal von Nachteil sein.

Schnelle Lösung für Verlassene

Einige Studien zu sogenannten Rebound-Beziehungen konnten schon zeigen, dass diese uns richtig gut tun und auch dauerhaft halten können. In einer Studie US-amerikanischer Wissenschaftler*innen zeigte sich beispielsweise, dass Menschen, die besonders schnell wieder in einer neuen Beziehung waren, sogar emotional glücklicher waren. Rebound-Beziehungen, so die Wissenschaftler*innen, könnten also vorteilhafter sein als gemeinhin angenommen.

L. hingegen hat keinerlei Bedürfnis mit Eduardo oder Edmundo, eine dauerhafte Beziehung aufzubauen. Ihr geht es vor allem um das gute Gefühl des Wieder-begehrt-werdens; Rebound-Flirterei als praktische Instant-Lösung für Verlassene. Denn neben der generellen Traurigkeit über ein Beziehungsende, provoziert ein Liebesaus ja auch Probleme mit der Selbstwahrnehmung. Oft genug erleben wir den Verlust als Absage an die eigene Attraktivität. Und damit verbunden fragen wir uns zwangsläufig, ob und vor allem wie wir diese Unsicherheit beseitigen können.

Da kann es helfen, sich sofort in eine Flirterei zu stürzen, denn wenn wir dann knutschend mit jemandem in der Ecke stehen, können wir getrost glauben, dass wir es noch können und zumindest irgendwer da draussen uns noch anziehend findet. Wenn auch nur für ein paar Stunden.

Es klingt höchst uncharmant, aber solche Rebound-Flirterei hat auch etwas mit dem Austesten des sogenannten Marktwertes zu tun. Und auch wenn sich der nur höchst unzuverlässig über eine Barknutscherei austesten lässt, kann so ein Flirt als genau die Art von Selbstbestätigungs-Snack dienen, die wir nötig haben. Weil wir dabei eben körperlich spüren, dass uns irgendwer gut findet. Und bei Liebeskummer tut das gut.

Das ist der Glücksdrogen-Effekt des Rebound. Auch wenn das Verfallsdatum in Leuchtschrift über dem Techtelmechtel steht, kann es genau das sein, was wir brauchen, wie L. es für sich beschreibt. Es streichelt das Ego und zuckert erst mal allen Gram aus dem Sichtfeld. Und wenn wir uns die Halbwertzeit dieses guten Gefühls klar machen, muss so ein Rebound auch gar nichts Schlechtes sein.

Flirt mit Verfallsdatum

Das ist überhaupt der Punkt: Bei einem Rebound sollten wir unsere Motive im Blick behalten. Denn die nobelsten Motive sind es meistens nicht. Was nämlich auch oft eine Rolle spielt, ist eine unterschwellige Form der Rache – nennen wir es das Ätschbätsch der frisch Verlassenen. Selbst wenn der*die Expartner*in vom Rebound überhaupt nichts erfahren wird, kann es eine satte innere Genugtuung sein, sich auszumalen, wie der*die andere sich ärgern würde. Wie verletzt und empört er*sie wäre. Und das tut in dem Moment gut, weil bei einer Trennung eben auch Gefühle wie Wut verarbeitet werden müssen.

Ein Rebound ist dann sozusagen ein Druckventil, mit dem wir angestaute Verletzungen umlenken können, ohne dabei in die direkte Konfrontation zu gehen.

Aber klar ist natürlich auch, dass so ein Verhalten nach hinten losgehen kann. Dass es lediglich der Betäubung dient und die eigentliche Wucht der traurigen Gefühle damit nur aufgehalten wird, aber dann eben verspätet über einen hineinbricht. Das sollte man wissen, wenn man sich auf so einen Rebound einlässt.

Was man so braucht

L. weiß das zum Glück. Ihre Trennung ist mittlerweile zwei Monate her und man trifft sie nicht mehr in Bars, sondern bei sich zu Hause, wo sie leidend die Reden-reden-reden-Phase auslebt. Sich wieder nach einem neuen Typen umzuschauen, kommt ihr gerade überhaupt nicht in den Sinn.

Aber ihre Rebound-Flirterei bereut sie trotzdem nicht. Es habe ihrem Kummer erstmal die schärfste Kante abgeschliffen, meint sie. Einfach weil es ihr gezeigt habe, dass es auch noch andere Männer gibt: "Eigentlich ziemlich dämlich. Aber, weißt du, manchmal reicht es nicht, so etwas zu wissen. Man muss es auch mal spüren."