Ich sitze mit meiner Freundin in einem Café. Unsere Finger sind klebrig von veganen Donuts, von denen sie ein Bild auf Instagram hochlädt. Neben Studium und Aktivismus reden wir natürlich auch über: Männer. Zu der Zeit bin ich gerade mit meinem Freund zusammengekommen. Wir hatten uns bei einem Polyamorie-Meetup kennen gelernt und nach einigen Wochen waren wir ein Paar. Doch anstatt Verliebtheit zu genießen, hielten mich nachts Zweifel wach.

Auch meine Freundin hatte gerade angefangen einen Typen zu daten und naja ... es lief okay. Während wir unsere süßen Donuts essen, sprechen wir im halbbitteren Ton über die Liebe. Es sei schwierig, er melde sich nicht bei ihr und sie wisse nicht, was er will. Und ich bin überfordert mit dem Gefühl, nichts mit meinem Freund gemeinsam zu haben.

Ich stelle eine Frage, die unseren Gesprächsverlauf völlig verändert

Was magst du denn an ihm?

Anstatt von den Sachen zu erzählen, die nerven, beginnen wir, positive Dinge zu erzählen. Wir sprechen darüber, was uns diese beiden neuen Männer in unserem Leben bedeuten, welche Besonderheiten wir an ihnen mögen, wie sie uns zum Lächeln bringen und dass wir die Zeit gerne mit ihnen verbringen.

Dieses Gespräch hielten wir vor über einem Jahr, aber ich habe es immer noch so in Erinnerung, als wäre es gestern gewesen. Mir wurde dadurch bewusst, dass wir viel zu oft die Augen vor der alltäglichen Romantik verschließen und uns lieber auf das Drama in unserem Leben stürzen. Wir idealisieren Beziehungen in Filmen, anstatt unsere eigenen Beziehungen so zu gestalten, wie sie ideal für uns sind. Und ideal heißt nicht perfekt. Denn keine Beziehung ist perfekt.

Ich hatte mit 21 meine erste längere, feste Beziehung. Davor habe ich die Beziehungswelt eher beobachtet und mich in Affären und Romanzen verstrickt. Manchmal fragte ich mich: Warum ist eigentlich irgendwer noch mit jemanden zusammen? Scheinbar läuft es ja bei niemanden wirklich gut. Heute weiß ich, dass man eine Beziehung nicht gleich beendet, nur weil nicht alles läuft. Klingt logisch, ist aber eine wichtige Erkenntnis. Denn Beziehungen sind schön, aufregend, sexy und, ja, auch manchmal traurig.

Es ist ein bisschen so wie bei den Nachrichten. Erst wenn es irgendwo auf der Welt eine Krise gibt, berichten Medien darüber. Warum nicht einmal sagen, wie geil etwas gelaufen ist? Ich kann zwar nicht das Programm der Tagesschau bestimmen, aber ich kann entscheiden, welche Geschichten ich von meinen Beziehungen erzähle. Damit nach der Politikverdrossenheit nicht die Beziehungsverdrossenheit kommt: Her mit der alltäglichen Romantik!

Erzähl von deinen Beziehungen, auch wenn’s läuft!

Der Selbstoptimierungswahn hat auch unsere Beziehungswünsche eingenommen. Könnte alles immer noch ein bisschen besser sein? Ja, vielleicht. Aber könnte auch alles einfach mal gut sein? Ich denke, schon! Ich hatte anfangs auch ein bisschen Angst davor, immer nur die schönen Geschichten zu erzählen, weil ich mich vor den Reaktionen der anderen fürchtete: Gönnen die anderen mir das? Gönne ich es mir selbst, mich einfach mal zu freuen? Verletze ich jemanden damit, glücklich in meinen Beziehungen zu sein? Ich will nichts verschweigen müssen. Klar gibt es auch mal Konflikte und auch darüber soll gesprochen werden dürfen. Aber ich feiere uns und unsere Beziehung auch und ich finde, das sollte ich dürfen.

Mein Freund und ich lagen neulich, ein bisschen high, zusammen im Bett. Wir schauten uns tief in die Augen und er sagte: Cosima, weißt du was Quantenkorrelation ist? Ich nickte halb unsicher und er begann zu erklären: "Wenn sich ein Teilchen spaltet und sich die Quanten weit voneinander entfernen, gibt es Effekte, die dazu führen, dass sich die Quanten immer noch ähnlich zueinander verhalten und es quasi immer noch ,eine Verbindung' gibt. Ich habe das Gefühl wir sind wie zwei Quanten." Für mich war das eine der romantischsten Liebeserklärungen.

Von Liebe und den Momenten zu erzählen, die mich zum Lächeln bringen, zaubern auch anderen ein Lächeln ins Gesicht. Und ist es nicht das, was die Welt mehr braucht: Lächelnde Gesichter? Also erzählt anderen von eurer Liebesgeschichte! Denn Berichte über Krisen gibt’s um 20 Uhr genug.