Männer tragen Frauen auf dem Rücken – als Sport. Unsere Autorin findet die WM im Frauentragen in Finnland nicht lustig, sondern sexistisch. Ein Kommentar 253,5 Meter geht es über Sand, Gras, Steinwege, Heuballen und durch flaches Wasser. Die Frau hängt dabei kopfüber auf dem Rücken ihres Trägers. Ihre Oberschenkel liegen auf seinen Schultern und ihre Beine sind oft vor dem Oberkörper verschränkt. So sahen viele Paare beim Hindernislauf der WM im Frauentragen am Wochenende in Finnland aus. Bezeichnet wird der Sport auch als "Ehefrauentragen", verheiratet müssen die Paare aber nicht sein. Die WM fand bereits zum 24. Mal statt.

In den sozialen Medien verbreiteten sich rasch Videos und Bilder von dem Event. Zahlreiche Menschen kommentierten die Posts mit Anspielungen wie "Das könnten wir sein". Das Gros fand die Bilder lustig. Als ich mich durch die Fotos klicke, ist mir weniger zum Lachen zumute. Ich halte diese vermeintliche Sportart auf vielen Ebenen für problematisch und sexistisch.

Die Frauentragen-WM hat ihren Ursprung im Frauenraub

Zuletzt gab es bei der Frauenfußball-WM und der Tour de France Diskussionen über Frauen im Sport. Aktivist*innen kritisierten, dass Frauen im professionellen Radsport lediglich dazu da sind, Siegern zu gratulieren. Spielerinnen protestierten gegen die ungerechte Bezahlung von Fußballerinnen gegenüber ihren männlichen Kollegen. Trotz solcher Diskussionen eine WM im Ehefrauentragen durchzuführen, mutet schon fast mittelalterlich, mindestens aber Zeitgeist-verweigernd an.

Entstanden ist dieser Sport angeblich aus dem sogenannten Brautraub Ende des 19. Jahrhunderts. In Finnland sollen unter dem Anführer Herkko Rosvo-Ronkainen im 19. Jahrhundert zahlreiche Dörfer ausgeraubt und Frauen verschleppt worden sein. Der Sport hat seinen historischen Ursprung also in einem Verbrechen.

Laut Definition bedeutet Brautraub die Entführung eines Mädchens oder einer Frau zum Zwecke der Eheschließung. Derartige Handlungen gab es auf der ganzen Welt. In manchen Fällen wurden Frauen gegen ihren Willen geraubt, in anderen waren sie einverstanden und wurden nur scheinbar geraubt, weil die Familien dagegen waren. Auch auf vielen modernen Hochzeiten inszenieren meist die Trauzeug*innen den Brauch, die Braut zu entführen. Ihr Bräutigam muss sie suchen und mit einem Preis oder Versprechen auslösen.

Männer sollen möglichst stark, Frauen möglichst leicht und klein sein

Nicht nur die Tradition der WM des Ehefrauentragens ist problematisch, sondern auch das Bild von Ehe, das der Wettbewerb transportiert. In den Aufnahmen der WM sind Männer zu sehen, die Frauen auf ihren Schultern durch die Welt tragen. Dieses klassische Bild mag vor Jahrzehnten noch die Idealvorstellung von Verheirateten gewesen sein. Heute dürften sich moderne Frauen (und ebenso Männer) kaum mehr ein solches Ehebild wünschen.

In den offiziellen Regeln der WM ist die Rede vom Kandidaten und seiner Frau. Die jeweiligen Aufgaben sind festgelegt: Mann trägt Frau. "Die Frau, die getragen werden soll, kann die eigene sein, die des Nachbarn oder Sie haben sie weiter entfernt gefunden. Sie muss jedoch über 17 Jahre alt sein und mindestens 49 Kilogramm wiegen." Ob nun gleichgeschlechtliche Paare, nicht-binäre oder trans* Personen wirklich mitgemeint sind, ist fraglich. Auch ob sich Frauen theoretisch anmelden dürften, um ihren Mann zu tragen, bleibt unklar.

Sieht man den Männern zu, wie sie über Hindernisse klettern und durch spritzendes Wasser sprinten, ist die Frau vor allem das Gewicht – wie die Hanteln beim Gewichtheben. Natürlich hängt die Leistung des Paares auch von der Körperspannung der Frau ab. Doch je mehr die Frau wiegt, desto anstrengender ist der Lauf für den Mann. Und damit sind wir bei einem weiteren Punkt angelangt: Die Frau ist beim Sport passiv, den Mann unterstützend sowie möglichst klein und leicht. Der Sport zeigt auf, was in unserer Gesellschaft nach wie vor falsch läuft. Der Preis des Rennens ist übrigens das Gewicht der Frau in Bier.

Hauptregel: Spaß!

Eine der Hauptregeln der WM ist übrigens, dass alle Teilnehmenden Spaß haben müssen. Auch ich als Zuseherin würde gerne darüber lachen. Natürlich kann man argumentieren, dass es nur ein Sport ist. Dass es doch alles nur Spaß ist. Dass es schließlich nur die Menschen machen, die es auch wollen.

Sport sagt immer auch etwas über die Gesellschaft aus. Sport hat schon immer Auswirkungen auf Rollenbilder, das Verhalten der Menschen und ihren Umgang miteinander. Ein heteronormativer Sport, bei dem der Mann aktiv und die Frau passiv ist, der nicht inklusiv ist und Stereotype befeuert, ist nicht unbedingt das, was die Welt 2019 braucht.

Über diesen Sport lachen will ich erst, wenn er sich von dessen Ursprung distanziert und sich Ehemenschentragen nennt, weil alle Menschen auf der Welt heiraten können, die es wollen. Wenn hier jede*r jede*n tragen kann und niemand wegen des Geschlechts oder der Sexualität diskriminiert wird, könnte das doch ein grandioser Sport werden.