Eine Kollegin schickte mir kürzlich eine Studie, die zeigte, dass viele neue Bäume das Klima retten könnten. "Könnte nicht jeder, der einen Garten hat, einfach einen Baum pflanzen", fragte sie. Eine andere wollte mit dem Zug nach Griechenland fahren, statt das Flugzeug zu nehmen. Der Klimawandel ist vielen wichtig, viele wollen etwas machen, doch der Ansatz ist oft der falsche. Denn um das Klima wirklich zu schützen, müssten wir bis zum Ende des Jahrhunderts jedes Jahr eine Fläche bepflanzen, die halb so groß ist wie Deutschland. Und entgegen aller privaten Bemühungen steigt die Zahl der Flüge in Deutschland seit fünf Jahren, anstatt zu sinken.

Der Ansatz, das Klima im Privaten zu retten, passt zu einem Zeitgeist, der von einem Rückzug ins Individuelle und von Konfliktscheu gekennzeichnet ist. Dieser lässt sich in vielen Lebensbereichen sehen. Leute in stressigen Start-up-Jobs beginnen häufiger zu meditieren, statt einen Betriebsrat zu gründen und für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Nicht, dass Meditieren schlecht ist, aber strukturelle Probleme am Arbeitsplatz wird es nicht beseitigen.

Deutschland ist für zwei Prozent der globalen Emissionen verantwortlich

Auch der Klimawandel ist ein strukturelles Problem und dazu noch eines, dass so groß und so drängend ist, dass Einzelne fast nichts dagegen tun können. Um die Größenordnungen zu verstehen, hilft ein Blick auf ein paar Zahlen. Im Jahr 2017 war Deutschland zwar der sechstgrößte Treibhausgaserzeuger weltweit – dennoch machten die Emissionen aus Deutschland global nur gut zwei Prozent aus.

Von diesen zwei Prozent stammt wiederum ein Großteil aus Industrie und Energiesektor. Der Verkehr ist für immerhin knapp 20 Prozent der Treibhausgase verantwortlich – und hier kommen mehr als 90 Prozent von Autos und Lastwagen. Auf einen Flug verzichten? Ist gut gemeint, aber wird das Klima kaum retten.

Häufig kommt dann das Argument, dass man ja irgendwo anfangen müsste und es immer noch besser sei, auf einen Flug zu verzichten, als gar nichts zu tun. Diese Haltung beruhigt vielleicht das eigene Gewissen, das Klima wird sie nicht merklich schützen. Auch dann nicht, wenn viele anfangen, auf den ein oder anderen Flug zu verzichten oder weniger Fleisch zu essen – die Dimensionen sind einfach zu groß. Ein Flug von Berlin nach New York verursacht ungefähr drei Tonnen Kohlendioxid, die gesamte Menschheit war im Jahr 2017 aber für 36.000 Megatonnen verantwortlich.

Auf einen Flug zu verzichten, beruhigt vielleicht das eigene Gewissen, das Klima wird es nicht merklich schützen.

Selbst wenn 20 Millionen Deutsche, also ein Viertel der Bevölkerung, auf so einen Flug verzichten würden, wären das gerade mal 60 Millionen Tonnen oder 0,16 Prozent der weltweiten Emissionen. In anderen Worten: sehr wenig.

Geht auf die Straße

Was kann man also tun, wenn es einer*m Ernst ist? Druck auf die Politik machen oder selbst politisch aktiv werden. Niemand hat das besser verstanden als Fridays for Future. Die Klimakrise ist zu groß, um sie individuell zu lösen, darum sind politische Lösungen nötig. Und je größer der Druck auf die Politik, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass keine halbherzigen Lösungen herauskommen, sondern wirksame Maßnahmen.

Nun könnte man einwenden, dass es immer noch nichts bringt, wenn Deutschland zwar ein ambitioniertes Klimagesetz hat, alle anderen Länder aber nicht. Doch das stimmt nicht. Politik hat auch viel mit Abschauen zu tun und damit, wer sich als Erstes traut, einen mutigen Schritt zu tun.

Ein Beispiel für solch einen ersten Schritt ist die Einspeisevergütung für Erneuerbare Energien, die Deutschland als erstes europäisches Land einführte. Seitdem lässt sich Strom aus erneuerbaren Energien zu einem festen, garantierten Preis verkaufen. Er schaffte Planungssicherheit für Unternehmen, die Zahl der Windräder und Photovoltaikanlagen stieg. Das Gesetz war nicht perfekt, dennoch war es eine Idee, die sich durchsetzte. Nachdem Deutschland das Gesetz im Jahr 1990 einführte, zogen Spanien und Dänemark wenige Jahre später nach. Heute nutzen mehr als 45 Länder das Instrument.

Ähnliches wäre möglich, wenn Kanzlerin Angela Merkel mit einem ambitionierten Klimagesetz zum Klimagipfel der Vereinten Nationen nach New York aufbräche, der kommenden Montag beginnt. Es wäre ein Signal an andere Länder, dass es möglich ist, politisch etwas zu bewegen. Diese Vorreiterrolle sollte den Ländern des globalen Nordens zukommen, also denen in Europa und den USA. Denn anders als Länder des globalen Südens blasen sie seit Beginn der Industrialisierung Treibhausgase in die Luft, und nicht erst seit einigen Jahrzehnten. Folglich haben sie eine größere Verantwortung und sollten nicht auf China oder Indien zeigen, die aktuell auf Platz eins und drei als größte Emittenten liegen. Ohne sie wird es nicht gehen, aber als erste bewegen müssen sich andere.

Den Druck, das auch zu tun, werden sie nicht bekommen, wenn du ab und zu auf Fleisch oder einen Flug verzichtest; sondern wenn du diesen Freitag beim Klimastreik auf die Straße gehst.

Update: In einer vorigen Fassung war eine falsche Zahl enthalten, sie ist nun auf 0,16 Prozent korrigiert. 

Mehr zum Thema:

Warum das deutsche Streikrecht so restriktiv ist: Arbeitnehmer*innen dürfen in Deutschland nicht ihre Arbeit für das Klima niederlegen. Warum ist das so – und wie sieht es in anderen Ländern aus? Ein Experte erklärt die Hintergründe.Ich habe kein schlechtes Gewissen mehr: Warum es in Ordnung ist, Auto zu fahren, in den Urlaub zu fliegen, Fleisch zu essen – und trotzdem für mehr Klimaschutz einzutreten (

ZEIT ONLINE, zahlungspflichtig)

Global Carbon Atlas: Grafische Übersicht, welches Land wie viele Treibhausgase emittiert.

Bis sie versinken: Seit mehr als einem Vierteljahrhundert warnen Wissenschaftler*innen vor der Klimakatastrophe. Immer wieder sagen sie, es sei fünf vor zwölf, und vielleicht ist es sogar schon viel später. Doch warum folgt niemand ihrem Rat? (

ZEIT ONLINE, zahlungspflichtig)