Teresa* und Luisa* sind 23 und 24 Jahre alt und zwei Frauen, die auf den ersten Blick sehr unterschiedlich wirken. Luisa hat in Regelstudienzeit Wirtschaftsrecht studiert und arbeitet heute in einem großen Consulting-Unternehmen. Im Herbst beginnt sie mit dem Master und wird nebenbei weiterarbeiten. Teresa ist angehende Krankenpflegerin, nach dem Bachelor plant sie eine Ausbildung zur Heilmasseurin. Was die beiden verbindet, ist das Ausbleiben ihrer Periode. Sie haben über längere Phasen in ihrem Leben ihre Tage nicht bekommen.

Bei Untergewicht konzentriert sich der Körper nur auf lebenswichtige Funktionen

Teresa hatte ihre Tage zum erstem Mal mit zwölf. Damals war ihr die Periode unangenehm, manchmal sogar peinlich. "Niemand hat damals offen über die Menstruation gesprochen", erinnert sie sich. "Auch ich habe versucht, sie zu verstecken." In der Pubertät litt Teresa unter ihrem immer weiblicher werdenden Körper. Mit 15 hörte sie auf zu essen und verlor so viel Gewicht, dass ihre Menstruation komplett ausblieb.

Barbara Maier ist Chefärztin der gynäkologisch-geburtshilflichen Abteilung am Wilhelminenspital in Wien, zusätzlich hat sie ein Diplom für psychotherapeutische und psychosoziale Medizin der österreichischen Ärztekammer. Sie praktizierte viel in der Jugendgynäkologie, unter ihren Patient*innen waren auch junge Frauen, die aus unterschiedlichen Gründen ihre Tage nicht bekommen haben. Junge Frauen wie Teresa.

"Bei Anorexie wird der Stoffwechsel reduziert", erklärt Maier. "Es werden zunehmend weniger Hormone produziert. Dadurch bleibt die Regelblutung aus. Das ist ein Mechanismus des Körpers, um mit einer Belastung umzugehen. Der Fokus liegt in solchen Situationen auf lebenswichtigen Funktionen, die Fortpflanzung steht nicht im Vordergrund."

Teresa empfand das Ausbleiben ihrer Tage zu Beginn des Hungerns eher als positiven Nebeneffekt. Die Menstruation war für sie ein Zeichen von Weiblichkeit, die ihr widerstrebte. Laut Barbara Maier ist die Ursachenforschung bei Anorexie komplex, weil es unterschiedliche Ansätze gibt. Es gibt beispielsweise die Annahme, dass junge Patient*innen nicht damit zurechtkommen, dass ihr Körper weibliche Formen annimmt. Der weibliche Zyklus ist ein Ausdruck von Regelmäßigkeit, Weiblichkeit und Fruchtbarkeit. Für Teresa war das damals abschreckend, sie wollte noch nicht zur Frau werden.

"Meine Tage wiederzubekommen, war meine größte Motivation" – Teresa

 Als Teresa 17 wurde, sprachen alle um sie herum plötzlich nur noch über Dates, Sex und Verhütung. "Wozu hätte ich denn verhüten sollen? Ich hatte ja nicht mal meine Tage", sagt sie. Sie realisierte zum ersten Mal, dass sie krank war und fasste einen Entschluss: Sie wollte wieder essen. "Meine Tage wiederzubekommen, war für mich die größte Motivation, um gesund zu werden. Ich wollte schließlich irgendwann Mutter werden."

Teresa war so fokussiert auf ihr Ziel, dass es sie komplett einnahm. "Irgendwann habe ich dann eingesehen, dass ich meinen Uterus nicht steuern kann und mir Zeit lassen muss. Erst als ich aufhörte, mich so auf meine Periode zu fixieren, kam sie wieder", sagt sie

Heute ist die Periode für Teresa vor allem ein Zeichen für Selbstliebe. Ein regelmäßiger Zyklus beweist ihr, dass sie ihren Körper gut behandelt und ihm genug Nährstoffe gibt, um zu funktionieren. Und sie weiß, dass ihre Menstruation keine Selbstverständlichkeit ist. Durch längere Auslandsaufenthalte hat sie sie auch mit gesundem Gewicht immer wieder verloren. Momentan wartet sie seit einem Jahr auf ihre Tage – und leidet still. "Heute würde ich mir wirklich wünschen, dass ich mich nicht weniger als Frau wahrnehme, weil ich meine Tage nicht habe", sagt sie. "Aber früher habe ich diese Motivation gebraucht. Ich musste mir sagen, dass mich erst die Menstruation zur vollständigen Frau macht, denn dadurch bin ich gesund geworden."

Nach dem Absetzten der Pille kann die Menstruation ausbleiben

Auch Luisa bekam ihre Tage das erste Mal mit zwölf. Vier Jahre hatte sie ihre Menstruation mal mehr, mal weniger regelmäßig, dann begann sie mit der Pille. "Ich habe die Pille fünf Jahre genommen und wirklich gut vertragen. Aber mit 21 wollte ich einfach weg von den Hormonen und habe sie abgesetzt", erzählt sie.

Nach dem Absetzen der Pille blieben ihre Tage aus. Ihre Frauenärztin versicherte ihr nach drei Monaten, dass alles in Ordnung sei. Als sie nach sechs Monaten immer noch auf ihre Menstruation wartete, suchte sie erneut eine Ärztin auf. PCOS, Polycystisches Ovarsyndrom, lautete dann der Verdacht. Dass Luisa die Pille nahm, hatte keinen Einfluss darauf. Durch die weiblichen Hormone in dem Verhütungsmittel war sie vorher lediglich symptomfrei.

"Beim PCO-Syndrom gibt es ein hormonelles Ungleichgewicht", erklärt Primaria DDr. Maier. "Der Körper produziert unter anderem zu viel Testosteron. Die meisten Patient*innen leider unter Akne oder stärkerer Körperbehaarung, die Periode kommt unregelmäßig oder bleibt aus. Außerdem besteht häufig eine periphere Insulinresistenz. Der Insulinspiegel steigt, Frauen haben mehr Hunger und nehmen dementsprechend zu." Diese Gewichtszunahme ist problematisch, da sie einen Teufelskreis befeuert: Im Fettgewebe werden auch Hormone produziert, unter anderem Testosteron, wodurch sich die Symptomatik verschlimmert.

Luisa nahm zwar nicht zu, litt aber immer mehr unter ihrer schlechter werdenden Haut und ihrem unregelmäßigen Zyklus. Die Situation begann sie zunehmend zu belasten: "Es ist einfach eine Mischung aus allem. Ich kann mich überhaupt nicht auf meine Periode einstellen, weiß nie, ob sie überhaupt kommt, und ich kann meine Gefühle nicht auf eine bestimmte Zeit in meinem Zyklus zurückführen."

Was Luisa beschreibt, ist für viele Frauen, die unter PCOS leiden, Kern des Problems. "Bei PCOS-Patient*innen ist es meistens die Gesamtsymptomatik, die zu einer Belastung führt. Es ist eine Kombination aus dem Ausbleiben der Tage, der männlichen Behaarung, unreiner Haut und der Gewichtszunahme", sagt Barbara Maier. "Und darauf muss man auch in der Behandlung Bezug nehmen."

Behandlungsmethoden und Gründe für das Ausbleiben der Menstruation variieren

Luisa bekam ihre Periode nach neun Monaten das erste Mal wieder. "Ich war einfach erleichtert", sagt sie. "Es war für mich der Beweis dafür, dass ich nicht so schlimm krank sein kann." Weil ihre Menstruation heute alles andere als regelmäßig ist, hat sie sich nach langer Überlegung dafür entschieden, wieder mit der Pille anzufangen. Sie hat im Moment keinen Kinderwunsch, daher ist die Pille für sie die bestmögliche Lösung.

Die Behandlung von Frauen, die unter dem Ausbleiben ihrer Periode leiden, ist individuell und sehr unterschiedlich. Während die Pille bei PCOS-Patient*innen eine zielführende therapeutische Maßnahme ist, hält Barbara Maier sie bei Mädchen mit Anorexie für "Hormonkosmetik, die nur Symptome und nicht die Ursache" des Ausbleibens der Menstruation bekämpft. Eine Verschreibung sei allerdings trotzdem sinnvoll, weil sie sich positiv auf die Knochengesundheit auswirken könne.

Auch unsere Psyche beeinflusst unseren Zyklus

Sie plädiert dafür, in jedem Fall konkrete Ursachenforschung zu betreiben: "Ich muss herausfinden, ob die Periode plötzlich ausgeblieben ist oder ob sich die Situation langsam entwickelt hat. Ich muss herausfinden, in welcher Lebenssituation die betroffene Frau ist, ob sie einen Kinderwunsch hat, ob Vorerkrankungen vorhanden sind. Ich muss die Frau individuell untersuchen. Frauen müssen wissen, was in ihrem Körper passiert, um damit umgehen zu können."

Und noch etwas hebt die Universitätsprofessorin mehrmals hervor, den Zusammenhang von Hormonen und Psyche: "Es muss nicht nur die körperliche Situation der Frau untersucht werden, sondern auch die psychische. Es geht nie nur um Eierstöcke und Gebärmutter, sondern immer um die ganze Frau."

*Die Namen wurden auf Wunsch der Gesprächspartnerinnen von der Autorin geändert.

Außerdem auf ze.tt: Keinen Bock mehr auf Tampons? Das sind nachhaltige Alternativen