Wenn uns in den 1990er-Jahren deutsche weiße Kinder besuchten, gab es viele Dinge, die oft anders abliefen, als sie es bei sich zu Hause gewohnt waren. Meine Mutter hat oft lauthals auf Arabisch mit ihren Schwestern oder ihrer Mutter telefoniert. Wir hatten immer viel zu viel Essen da, sodass selbstverständlich alle Kinder bis fast zum Platzen mitessen mussten, und es kam auch das ein oder andere Mal vor, dass ein Schlappen nach jemand geworfen wurde.

Außerdem stand bei uns in einer Vitrine im Wohnzimmer eine majestätische blaue Nargila. Die sorgte für Staunen und viele Fragen bei den Annettes und Achims. Die deutschen Kids nannten sie Wasserpfeife. Damals war der Begriff Shisha noch nicht en vogue. Ich würde behaupten, die damit verbundenen Assoziationen waren damals auch noch anders: Die Wasserpfeife erinnerte meine weißen Freund*innen, wahrscheinlich auch mich zu gewissen Teilen, viel mehr an Aladdin, Bauchtanz und Kamele.

Das sind zwar problematische Formen von orientalischer Exotisierung, aber unsere große blaue Nargila wurde definitiv romantisiert und nicht dämonisiert wie heute. Unsere Wasserpfeife war damals noch nicht das ultimative Sinnbild für "Unterschicht", für "asoziales Verhalten" oder all die anderen negativen Dinge, die man damit verbindet.

Ambivalentes Verhältnis zu Shishas

Ich erinnere mich daran, wie schnell ich unbedingt erwachsen werden wollte, damit ich mit meinen deutsch-palästinensischen Onkels mitrauchen durfte. Als Teenager hatten sie mir mal gezeigt, wie man so ein Ding anzündet, und mir erklärt, was es für verschiedene Kohlen gibt. Ich habe diese Momente geschätzt. Ich wollte dazugehören. Ich wollte auch mit den Männern draußen auf dem Balkon Tarneeb (palästinensisches Kartenspiel) spielen, Shisha rauchen und über Politik oder deutsche Bürokratie streiten.

Dieses Bedürfnis ging irgendwann verloren. Als Abiturient hatte ich irgendwann ein ambivalentes Verhältnis zu Shishas. Ich habe unterbewusst gespürt: Das ist nichts, das als kultiviert akzeptiert wird. Das hat sicherlich auch mit Selbstablehnung zu tun. Vielleicht war es auch der Akt des Rauchens an sich, der nicht meins war, aber eines hat ganz klar mit reinspielt: Rassismus einer weißen Mehrheitsgesellschaft.

Wenn ich denen sagen würde, dass ich am Wochenende Shisha rauchen will, würden die mich wie so einen Ghetto-Jungen angucken.

Mein Bruder ist noch immer regelmäßiger und leidenschaftlicher Shisha-Café-Besucher. Dort trifft er sich mit seinen Freunden, tauscht sich aus und kann reden wie und worüber er will. Wir beide kommen aus einem Arbeiterhaushalt und einem großstädtischen migrantischen Viertel, wir beide haben studiert und arbeiten jetzt bei großen Unternehmen. Ich in der noch bunteren Medienwelt, er bei Versicherungen und Autoherstellern.

Ich frage ihn manchmal, wie sein Verhältnis zu seinen meist fast immer bildungsbürgerlichen oder ländlichen herkunftsdeutschen Kolleg*innen ist. "Nett, cool, passt schon", heißt es dann. Ja, und seid ihr manchmal zusammen unterwegs? "Neeee, bist du bescheuert? Ich kann denen doch nicht sagen, was ich in der Freizeit mache. Ciao! Wenn ich denen sagen würde, dass ich am Wochenende Shisha rauchen will, würden die mich wie so einen Ghetto-Jungen angucken." Mein Bruder bleicht sich kulturell, könnte man sagen, und verbirgt seine Vorliebe für Shishas, um im Cooperate-Unternehmen zu überleben und als seriös rüberzukommen, weil er weiß, es würde ihn abwerten. Er will nicht der nicht-soziale Proll sein, der mit seinen Jungs Shisha raucht.

Shisha-Bars werden angefeindet

Shisha-Bars sind schon durch ihre Kundschaft grundsätzlich widerlichsten Anfeindungen und Klischees ausgesetzt, denn ein erheblicher Teil Deutschlands hält einen Scheißdreck von muslimisch gelesenen und rassifizierten Menschen und entsprechend auch ihrer Weggehkultur. Dass diese sich nun auch noch an einem Ort tummeln, Spaß miteinander haben und sich austauschen, wird als Affront gegen deutsche Sittlichkeit wahrgenommen.

Dafür spricht, wie ich finde, auch das Verbot von Shishas am Kölner Rheinboulevard. Damit soll vorgeblich eine Ursache von Gewalt und Unruhe bekämpft werden, aber es scheint mir, dass es vielmehr darum geht, muslimisch gelesenen Menschen den Spaß zu verderben. Das passiert jeden Tag auf systemischer Ebene.

Räume für Selbstverwirklichung

Muslimisch gelesene Menschen haben nicht den selben Zugang zur Feierkultur, zum sozialen Austausch. Wegen unserer Art zu reden, uns zu kleiden. Allein für die Art, wie die Augenbrauen wachsen, laufen wir immer akute Gefahr, Diskriminierung zu erfahren. Nicht nur im Sinne von Freizeit, auch im Hinblick auf sozialen Aufstieg und eigene Infrastrukturen sind Shisha-Bars allerdings einige der wenigen Räume, die leicht zugänglich sind für Selbstverwirklichung.

Mein Cousin hat eine Shisha-Bar aufgemacht, um sich den Traum von finanzieller Unabhängigkeit zu erfüllen. Eine Shisha-Bar birgt großes Potenzial für wirtschaftliches Wachstum und Teilhabe von diskriminierten Menschen. Doch was rechte Leute ausschließlich sehen: Verrohung und Islamisierung. Die Dreistigkeit, einfach mitzuspielen, auch Geld zu verdienen oder mal einen richtig lustigen Abend zu haben, die dürfen wir uns nicht rausnehmen, wir werden dann sogar zu Tätern stilisiert.

Hört auf, diese Orte zu stigmatisieren!

Der weiß-suprematistische Terrorangriff von Hanau ist ein Angriff auf das Grundrecht auf Freude, auf herzhaftes Lachen. Er zeigt uns: Selbst in Ruhe eine Shisha rauchen, Sonnenblumenkerne naschen oder sich zu erdreisten, Deutschrap von weiteren migrantisch markierten Personen zu hören, wird als Bedrohung für Teile der Mehrheitsgesellschaft betrachtet. 99,9 Prozent von uns Deutschen würden niemals einen Anschlag auf eine Shisha-Bar verüben, aber viele von uns stigmatisieren diese Orte. Das war schon immer falsch.

Aber das Bild von Shisha-Cafés zu hinterfragen, sich vehement gegen diese Stigmata zu erheben, sich im Alltag zu solidarisieren, auch wenn das nicht die eigene Weggehkultur ist, wäre schon ein Anfang.