Meine Eltern trennen 12 Jahre. Meine Großeltern trennten 13. Meinen Freund K. und mich trennen 14 Jahre. Eigentlich nicht weiter bemerkenswert, oder? Vielleicht ist diese Art von Altersunterschied bei uns auch einfach Familientradition. Könnte man meinen. Aber es gibt doch einen Unterschied: Ich bin die Ältere.

Vorweg: Haha. Und ja, er ist volljährig. Ich kenne die Witze, die jetzt kommen, habe darüber auch schon selber genug eigene Witze gemacht. Aber mit diesen Witzen sind wir auch schon mittendrin im eigentlichen Thema. Der Frage nämlich, warum diese Konstellation nach wie vor so viel Erstaunen und Irritation hervorruft.

Irritation, die sich oft genug erstmal als Witz verkleidet. Denn viele der Reaktionen, die ich auf meine Ankündigung erhielt, ich hätte da jemanden kennengelernt und der sei halt Anfang 20, waren erstmal belustigt: "Er war ja noch gar nicht geboren, als du schon deinen ersten Freund hattest!", "Den will ich erst kennenlernen, wenn der in einem halben Jahr noch aktuell ist".

Und ja, er hat mich mal im Beisein von Freunden*innen gefragt, was eine "Junior Tüte" sei und ich musste sagen: "So hieß früher das Happy Meal." Da lachen jetzt noch alle. Ich auch. Aber, dass ich das irgendwie ernst meinen könnte, mit K. und mir, das haben nur ganz wenige geglaubt.

Altersunterschied: Kann das gut gehen?

Zusammengenommen zeigen diese Reaktionen, auch und gerade weil sie oft erstmal haha-witzig daherkommen, dass es eben nicht selbstverständlich ist, wenn die Frau in der Beziehung älter ist als der Mann. Eine ganze Ecke älter. Das verunsichert erstmal und Witze helfen oft, das zu verbergen. Aber nach den Witzen kommen die gut gemeinten Ratschläge und dabei geht es bisweilen ans Eingemachte: "Das KANN ja gar nicht gut gehen!", "Du hast doch schon viel mehr erlebt!"

Stimmt schon. Und ja, ein solcher Altersunterschied ist auch nicht unproblematisch. Aber inwiefern ein Paar damit klar kommt, dass der*die eine Partner*in schon mehr erlebt und gesehen hat und anders auf die Welt und die Liebe guckt, ist immer Thema. Egal, ob Mann oder Frau nun älter ist. Was ist aber denn nun das Problem mit älteren Frauen?

Von Berglöwinnen und MILFs

Vor ein paar Jahren wurde die Konstellation ältere Frau/jüngerer Mann mal als Trend ausgerufen. Wir erinnern uns: Demi Moore und Ashton Kutcher, Madonna und Jesus, Heidi Klum und Vito Schnabel. Die Frauen nannte man "Cougars", Berglöwinnen, und verpasste ihnen auch gleich noch das obligatorische Acronym: MILF. Mother I’d like to f***.

Toyboy statt Botox, juxten People-Magazine wie Frauenzeitschriften und die liberaleren unter ihnen feierten dieses Phänomen zugleich als feministische Ermächtigungsstrategie: Erfolgreiche Frau nimmt sich einfach, was sie haben möchte. Seht her, Männer, was ihr könnt, können wir schon lange!

Aber wie das mit solchen Errungenschaften oft so ist, bei näherem Hinschauen entpuppen sie sich als Blindgänger. Den Frauen wurde letztlich nicht für selbständiges, erwachsenes Verhalten applaudiert, sondern sie wurden belächelt. Der Name "Cougar" zeigt es schon, diese Frauen sind angeblich irgendwie animalisch und latent gefährlich. Damit entsprechen sie nicht dem klassischen Bild der weiblichen Sexualität, die doch bitteschön zaghaft daherkommen soll.

Samantha in "Sex and the City" oder Jules in "Cougar Town" sind fiktionale Beispiele dafür - was diese Frauen in der Darstellung gemeinsam haben, ist eine überbordende Sexualität, die so unersättlich ist, dass sie nur von jungen Männern gestillt werden kann. Die Berglöwinnen reißen sich Jungtiere.

Der Altersunterschied wird sexuell weg-erklärt, aber zugleich ist klar, dass die Wendung ins Tragische imminent ist. Denn sobald die Attraktivität auch nur ein bisschen nachlässt, wird aus der heißen Raubkatze eine alte Frau. Und alte Frauen, die begehren, sind wahlweise lächerlich oder tragisch. So haben wir es gelernt.

Begehren und Kontrolle

Dass in der Irritation über die sogenannten "Cougars" auch immer die Frage nach Kindern, nach Mutterschaft auftaucht, ist nur konsequent. Wir haben ja auch gelernt: Frauen sollen Kinder wollen. Wenn das durch die Beziehung zu einem jüngeren Mann in Frage gestellt wird, weil er womöglich noch nicht will und sie irgendwann nicht mehr kann, rührt das an dem Kern dessen, wie wir uns Gesellschaft vorstellen. Aber bleiben wir mal beim Sex.

Auf der Porno-Seite "Pornhub" ist "MILF" eine der drei am stärksten nachgefragten Kategorien. Richtig interessant wird die Beobachtung aber erst, wenn man sich die entsprechenden Pornos mal genauer anschaut. Eine Studie im "Journal of Sex Research" untersuchte 100 Pornos der Kategorien "MILF" und "Teen". Dabei stellte sich heraus, dass die MILF-Darstellerinnen vergleichsweise deutlich öfter den Sex initiierten, dabei mehr Kontrolle ausübten und einen höheren beruflichen Status innehatten.

Und jetzt Achtung, steile These: Könnte es sein, dass Porno-schauende Männer sich trauen, etwas zu begehren, was - in real life - noch stigmatisiert wird? Dass es Männer gibt, die Frauen attraktiv finden, die ihnen in gewisser Hinsicht überlegen sind? Und dass wir dann aufhören sollten, Männern nicht immer reflexhaft zu unterstellen, sie wollten immer der Stärkere sein und sexuell die Kontrolle ausüben? Denn unser Problem mit der Konstellation ältere Frau/jüngerer Mann ist nicht nur unfair gegenüber Frauen.

Stereotypen und Tabubruch

Die Zahlen entsprechen allerdings noch im weitesten Sinne den tradierten Gender-Stereotypen. In Deutschland ist nur bei 17 Prozent der heterosexuellen Partnerschaften die Frau älter. Frauen, so sind wir es gewohnt, sollen sich "nach oben" orientieren. Sowohl was Status und Geld, als auch was Alter angeht.

Soziologisch ergab diese Orientierung so lange einen gewissen Sinn, wie Frauen weniger Zugang zu guten Jobs hatten und weniger Geld verdienten. Das stimmt zwar immer noch, wird aber besser. Je eigenständiger Frauen also werden, desto weniger attraktiv ist der Versorgeraspekt bei der Partnerwahl. Die Rolle der Frau ändert sich eben. Es gibt einige Männer, die das anziehend finden. Aber es gibt auch genug Menschen, denen das Angst macht.

Wer eine ältere Frau mit einem jüngeren Mann als Tabubruch wahrnimmt, sollte über ein paar grundsätzliche Annahmen nachdenken. Vielleicht auch einmal darüber, dass zwei Menschen vielleicht auch einfach zusammen sind, weil sie sich mögen. Ob das dann dauerhaft funktioniert, weiß man natürlich nicht. Aber das weiß man ja nie.