In unserer Reihe Aus der Schule schreiben Schüler*innen für ze.tt, was sie in ihrem Alltag bewegt.

Schüler*innen hängen auf ihren Stühlen, kriegen die Augen nur mit Mühe auf und können dem Unterricht kaum folgen: eine ganz normale erste Stunde in deutschen Schulen. Jeden Tag herrscht erneut die große Unausgeschlafenheit. Dabei ist Schlaf enorm wichtig. Der Körper regeneriert, das Immunsystem wird aktiviert, die Überführung neuer Erfahrungen ins Gedächtnis sowie die psychische Erholung erfolgen. Schlafmangel wiederum kann Störungen im Herz-Kreislaufsystem, Diabetes und krankhaftes Übergewicht verursachen. Im kognitiven Bereich kann Schlafmangel zu Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen führen und sich somit direkt auf den Lernerfolg auswirken. Warum müssen Schüler*innen dann trotzdem morgens so früh in der Schule antanzen? Wir haben bei Dr. Alfred Wiater nachgefragt.

ze.tt: Herr Dr. Wiater, die Deutschen stehen im Durchschnitt um 6:16 Uhr auf. Ist das für Jugendliche eine gute Zeit?

Alfred Wiater: Für die große Mehrzahl der Jugendlichen absolut nicht! Nur absolute Frühtypen – Frühaufsteher – sind dann schon fit.

Schüler*innen schlafen weniger als sieben Stunden im Durchschnitt. Wie viel Schlaf wäre für eine*n Heranwachsende*n optimal?

Im Alter von 16 Jahren sollten acht Stunden Schlaf der Durchschnitt sein, wobei es Jugendliche gibt, die mit sechseinhalb Stunden auskommen und andere, die nahezu zehn Stunden brauchen. Da sind die interindividuellen Unterschiede sehr groß. Entscheidend ist, ob der Schlaf erholsam ist und man tagsüber fit ist.

Spüren alle Schüler*innen dieselben Auswirkungen der Unausgeschlafenheit? Sind alle gleichermaßen betroffen?

Die meisten sind definitiv betroffen. Letztlich hängt es vom individuellen Chronotypus der Jugendlichen ab, und der wird bestimmt durch unsere innere Uhr. Durch sie ist konstitutionell bei jedem festgelegt, ob man eher ein Frühtyp oder ein Spättyp ist. Erschwerend hinzu kommt, dass während der Pubertät eine Verschiebung in Richtung späterer Einschlafneigung erfolgt und daraus ein längerer Schlafbedarf am Morgen resultiert. Mit Anfang 20 ist diese Entwicklung wieder rückläufig. Dieses Phänomen der Schlafenszeitverschiebung während der Pubertät ist nicht zu verwechseln mit Schlafstörungen, die die Jugendlichen selbst provozieren durch intensiven Medienkonsum am Abend und Aktivitäten in sozialen Netzwerken während der Nacht. Diese Verhaltensweisen kommen erschwerend hinzu und sollten von den Jugendlichen eigenverantwortlich reguliert werden!

Inwiefern kann die schulische Leistung unter schlechtem Schlaf leiden?

Unausgeschlafen leidet die Konzentration. Das wirkt sich direkt auf die schulische Leistungsfähigkeit aus. Klausuren sollten daher keinesfalls in den ersten Unterrichtsstunden am Morgen geschrieben werden.

Wann wäre am Morgen ein optimaler Schulstart?

9 Uhr wäre schon ein Fortschritt. Um den Frühaufstehern gerecht zu werden, könnte man auch den Schulbeginn flexibilisieren im Sinne einer Gleitzeit.

Ich kenne viele Schüler*innen, die nachmittags gerne die Augen zu machen. Ist ein solcher Mittagsschlaf förderlich oder führt das nicht zu einem Teufelskreis, weil ich abends aufgrund des Schlafens nach der Schule nicht einschlafen kann?

Jugendliche brauchen normalerweise keinen Mittagsschlaf. Wenn sie mittags ein hohes Schlafbedürfnis haben, spricht das dafür, dass der Nachtschlaf zu kurz und/oder nicht erholsam war. Wenn man zu lange mittags schläft, fehlt abends der Schlafdruck und dadurch verzögert sich zusätzlich das Einschlafen.

Kann man den Schlaf auch am Wochenende nachholen?

Eine ganz neue Studie hat ergeben, dass das tatsächlich in begrenztem Umfang möglich ist. Es entspricht aber dennoch nicht unserer inneren Uhr. Und die Realität zeigt, dass Jugendliche insbesondere an den Wochenenden durch Freizeitaktivitäten ihre Schlafenszeiten eher verkürzen.