Mehr als zwanzig Akten stapeln sich auf dem Schreibtisch von Martin Kast. Daneben unterschiedliche Notizzettel und Broschüren. Was auf den ersten Blick wie der Schreibtisch eines Steuerfachangestellten oder Finanzbeamten aussehen mag, ist in Wahrheit der Arbeitsplatz eines Reiseverkehrskaufmanns. Martin Kast arbeitet in einem Reisebüro mitten in der Dortmunder Innenstadt. Es ist Ende Juli und das bedeutet Hochbetrieb. Schon vormittags warten mehrere Kund*innen im Empfangsbereich des Reisebüros auf ihre Beratung. Gleichzeitig klingelt das Telefon. Kast muss Anrufe abstellen, um Wartende beraten zu können. Alle paar Minuten ploppt eine Notiz auf seinem Bildschirm über verpasste Anrufe oder neue Mails auf.

Jeder hat unterschiedlichste Vorstellungen von seinem Traumurlaub. Eine sechsköpfige Familie informiert sich über eine Last-Minute-Reise in die Türkei, ein älterer Herr bucht eine Seniorenreise nach Norddeutschland, während ein junges Pärchen den ersten gemeinsamen Urlaub mit seinem Kind plant. Mittendrin ein junger Mann, Anfang 20, der sich nach dem Preis für einen Flug nach Marokko erkundigt.

Mehr als jede zweite Reise wird online gebucht

Fakt ist allerdings: 54 Prozent der 20- bis 34-jährigen, die sogenannten Millenials, buchen mehrtätige Privat- und Urlaubsreisen online. Das ergeben Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung. Zum Vergleich: Im Gesamtmarkt buchen erst 39 Prozent der Leute ihren Urlaub im Netz. Hinzu kommt: Millenials unternehmen sogar mehr Reisen im Jahr, verreisen dafür aber tendenziell kürzer und günstiger.

Sie buchen ihre Reisen lieber individuell als pauschal. Das stellt traditionelle Reiseveranstalter*innen vor neue Herausforderungen. "Das Verhalten der Millenials ist für uns spannend, gerade was das Urlaubsgeschäft betrifft. Denn es lässt uns heute wie durch ein Fenster in die Zukunft schauen. So können wir jetzt schon Trends erkennen, auf die wir uns einstellen können und müssen", sagt der Präsident des Deutschen ReiseVerbands (DRV), Norbert Fiebig.

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Das Lieblingreiseziel der jungen Leute ist zwar nach wie vor Spanien, doch werden auch Fernreisen immer beliebter. "Hierzu zählen unter anderem Kuba, die Dominikanische Republik, Mauritius oder die USA", sagt Jennifer Schulte-Tickmann von Urlaubsguru. Was als kleiner Reiseblog anfing, ist heute ein Dortmunder Start-up. Täglich suchen die Betreiber*innen nach den neuesten Deals, Schnäppchen-Raten und Gutscheinen für die Reiseplanung und anschließende Buchung. Deshalb werden Reiseschnäppchenblogs neben den klassischen Buchungsportalen immer beliebter.

Spartipp: Urlaub in den Semesterferien

"Gerade für junge Leute, die zeitlich ungebunden und flexibel sind, bieten Reiseschnäppchenblogs eine perfekte Anlaufstelle für die nächste Urlaubsbuchung. Studenten haben durch ihre Semesterferien das Glück, nicht in der Hauptreisezeit buchen zu müssen. Sie können auch außerhalb der regulären Schulferien in den Urlaub fahren, was sich deutlich in der Urlaubskasse bemerkbar macht", so Schulte-Tickmann.

"Ein Vorteil ist darüber hinaus die hohe Zeitersparnis. Wer schon mal eine Reise im Internet gebucht hat, weiß, wie mühsam und zeitintensiv es sein kann, die vielen Internetseiten zu vergleichen, um das perfekte Preis-Leistungs-Verhältnis zu ergattern. Auf Reiseblogs werden täglich Deals veröffentlicht, die genau das versprechen."

Keine Online-Plattform kann die persönliche Beratung durch einen Reiseexperten ersetzen

Eins haben Reisebüros den Online-Buchungsportalen eindeutig voraus: "Keine Onlineplattform kann die persönliche Beratung durch einen Reiseexperten ersetzen. Zudem bietet die im Reisebüro gebuchte Veranstalterreise den Vorteil, dass Urlauber in Krisensituationen auf einen persönlichen Ansprechpartner am Reiseziel sowie ein professionelles Krisenmanagement setzen können. Dieser Service ist angesichts zahlreicher Krisen in aller Welt wichtiger denn je", sagt Martin Schlupp vom Reiseveranstalter DER Touristik.

Was viele Urlauber außerdem nicht wissen: "Für die Beratung im Reisebüro zahlt der Kunde keinen Aufpreis – die Preise sind mit denen im Internet identisch. Für welchen Vertriebskanal sich der Kunde am Ende entscheidet, ist also allein eine Frage der persönlichen Vorliebe, nicht des Preises", so Alexandra Wallendschus von TUI Deutschland. Deshalb werden offenbar aus digitalen Größen mittlerweile auch wieder analoge Player. Seit April betreibt etwa Urlaubsguru einen eigenen Store in der Innenstadt von Unna.

Herausforderung für Reiseveranstalter

Die Reisebranche zieht online nach: "Alle digitalen Kommunikationskanäle müssen ausgebaut werden. Reisebüros und Veranstalter haben die Chance, überall mit klugen, passgenauen Kommunikationskonzepten präsent zu sein und ihre Produkte anzubieten", sagt Fiebig. Große Reiseanbieter, wie TUI, Thomas Cook oder DER Touristik, entwickeln Hotelkonzepte für junge Urlauber*innen.

In interaktiven Reisebüros können die Kund*innen ihre Wunschziele auf interaktiven Weltkarten, per Virtual-Reality-Brille, auf 360-Grad-Bildschirmen oder auf dem iPad erkunden. Social Media werde auch immer wichtiger. Thomas Cook arbeitet verstärkt mit Influencer*innen zusammen, also einflussreichen Persönlichkeiten in den sozialen Medien. Das Ziel: Die Reiseangebote der großen Veranstalter wieder attraktiv für die junge Zielgruppe machen.

Doch das geht laut Martin Kast aus dem Reisebüro in der Dortmunder Fußgängerzone noch deutlich einfacher. Das Reisebüro sei im Idealfall der beste Ansprechpartner für Kund*innen mit den unterschiedlichsten Vorstellungen. "Spätestens, wenn die Reise etwas komplexer wird, lohnt sich die Beratung", sagt Kast. "Wir finden das beste Angebot und sind auch Ansprechpartner für Probleme, Umbuchungen oder Stornierungen. Das kann im Notfall sehr wichtig sein und den Urlaub retten."