Jeden Sonntag im Umland von Los Angeles die gleiche Szenerie: Bei strahlendem Sonnenschein versammelt sich eine Menschenmenge, ein Chor beginnt unter freiem Himmel Gospel zu singen, in die Rhythmen steigen prominente Musiker*innen mit Instrumenten und Gesang ein. Dabei handelt es sich um keine öffentliche Veranstaltung: Der sogenannte Sunday Service ist ein von Rapper Kanye West organisiertes Privattreffen – ein zu einem Event stilisierter Gottesdienst, in dessen Genuss nur eine exklusive Zuschauer*innenschaft kommt.

Wests Sunday Service fand bisher an wechselnden Orten statt: an einem geheimen Ort in Burbank, in Wests Heimstudio in Calabasas und in den umliegenden Wäldern und Hügeln von Los Angeles. Obwohl alle Teilnehmer*innen der Veranstaltungen eine Geheimhaltungsvereinbarung unterzeichnen müssen, dringt ab und an ein Video an die Öffentlichkeit. Eines der Videos, das Anfang der Woche auf dem Instagram-Account von Wests Ehefrau Kim Kardashian erschienen ist, sorgt zurzeit für heftige Kritik in den sozialen Netzwerken.

Darin ist Kim Kardashians und Kanye Wests Tochter North West zu sehen. Zu den Rhythmen, die US-Rapper DMX und seine Band taktieren, tanzt die Fünfjährige wild. Dabei trägt sie Lippenstift, Rock und Lederboots.

"Lasst die Kinder bitte Kinder sein"

Während hierzulande diverse Onlineportale North West als "Diva" bezeichnen und ihr "Geshake" als "cool" titulieren, hagelt es von Kardashians Follower*innen vor allem Kritik. Nutzer*innen schreiben, dass Kardashian und Kanye die Sexualisierung ihres Kindes stoppen sollen. Eine Fünfjährige solle ihre Kindheit genießen können, statt Lippenstift aufgetragen und ein solches Outfit angezogen zu bekommen, kommentieren viele.

Indem sie ihre Tochter in Erwachsenenkleidung zeigen, bedienen Kim Kardashian und Kanye West das Klischee der aufreizenden Dame auf der Tanzfläche. Eine solche Sexualisierung könnte negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden, Selbstwertgefühl und die soziale Kompetenz von Kindern und jungen Heranwachsenden haben. In Europa hatte das der Europarat bereits kritisiert. Die Parlamentarische Versammlung PACE äußerte damals ihre Besorgnis darüber, dass die Übersexualisierung von Kindern ein weitverbreitestes Phänomen in Medien und Marketingkampagnen sei.

Es ist unklar, ob die Eltern über den Kopf ihrer Tochter hinweg entschieden haben, was das Kind trägt. Klar ist, dass sich Kim Kardashian und Kanye West mit ihrer riesigen Anzahl von Follower*innen auf Instagram und Twitter ihrer Vorbildfunktion als Influencer*innen bewusst sein müssten. Rollenbilder und Geschlechterklischees können sich schon im Kindesalter verfestigen.