Mit Schlagstöcken und Pfefferspray ist die Polizei gegen Barrikaden in dem von Regierungskritiker*innen besetzen Flughafen in Hongkong vorgegangen. Die Situation vor Ort spitzt sich immer mehr zu.

Nach massiven Störungen des Flugverkehrs durch die Protestaktionen hat der internationale Flughafen von Hongkong am Mittwoch eine einstweilige Verfügung gegen die Demonstrierenden erwirkt, berichtet dpa. Damit sollen "Personen davon abgehalten werden, rechtswidrig und vorsätzlich die korrekte Nutzung des Flughafens zu behindern oder stören", heißt es. Damit wird die Beteiligung an Protesten auf dem Gelände des Flughafens offiziell verboten. An den vergangenen Tagen legten die Aktivist*innen den Flughafen lahm.

Seit über zwei Monaten tauchen in den Medien Bilder von Demonstrant*innen in Hongkong auf. Viele davon schwarz gekleidet und vermummt, protestierten zuerst auf Hongkongs Straßen und nun am Flughafen. Sie heben ihre Fäuste in die Luft und tragen Augenpflaster oder Augenklappen, um auf die schwere Augenverletzung einer Aktivistin aufmerksam zu machen. Die Frau war bei Ausschreitungen am vergangenen Wochenende von einem Gummigeschoss der Polizei getroffen worden. Auf Schildern sind Parolen wie "Nach China ausgeliefert, für immer verschwunden" zu lesen. Was ist da eigentlich los?

Um welches Gesetz geht es?

Hongkong plante ein Gesetz, das Auslieferungen nach China ermöglichen soll. Auf Ansuchen könnten Behörden Verdächtige dann an die kommunistische Volksrepublik überstellen.

Warum demonstrieren Menschen in Hongkong dagegen?

Das geplante Gesetz würde Hongkong politisch und juristisch stärker an die Volksrepublik China binden. Die frühere britische Kolonie Hongkong gilt seit der Rückgabe an China 1997 als chinesische Sonderverwaltungsregion und wird als eigenes Territorium autonom regiert, es gilt der Grundsatz "ein Land, zwei Systeme". Die sieben Millionen Einwohner*innen Hongkongs haben mehr Freiheiten als die Bürger*innen in China, zum Beispiel das Recht auf Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit. Auf dem chinesischen Festland werden beispielsweise Nachrichten von Protestbewegungen zensiert.

Das geplante Gesetz stelle laut Kritiker*innen daher eine potenzielle Gefahr dar. Chinas Justizsystem sei nicht unabhängig, entspreche nicht den internationalen Standards und verfolge politisch Andersdenkende. Sie beschreiben das Gesetz als "Werkzeug zur Einschüchterung". Anwaltsverbände, Menschenrechtsgruppen, ausländische Handelskammern und Regierungen sind ebenfalls besorgt. Menschen in ein Land auszuliefern, in dem Folter und Misshandlungen drohen, würde gegen UN-Konventionen verstoßen. Das neue Gesetz würde zudem die Position Hongkongs als asiatische Wirtschafts- und Finanzmetropole untergraben.

Was ist mit dem Gesetzesentwurf passiert?

Mittlerweile wurde der Gesetzesentwurf auf Eis gelegt. Den Protestierenden reicht das aber nicht. Die Proteste haben sich zu einer breiteren Demokratiebewegung entwickelt. Die Demonstrierenden fordern den Rücktritt von Regierungschefin Carrie Lam, die sie für einen Büttel der chinesischen Führung halten. Zudem fordern sie die Freilassung aller festgenommenen Aktivist*innen und freie Wahlen in Hongkong. Diese gibt es trotz jahrzehntealter Versprechen immer noch nicht.

Wie geht es jetzt weiter?

UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet ist besorgt über "die Eskalation der Gewalt der vergangenen Tage" und fordert eine unabhängige Untersuchung. Sicherheitskräfte hätten gegen internationale Normen verstoßen, hieß es, das Leben von Protestteilnehmenden sei bewusst gefährdet worden. Laut des UN-Büros gebe es glaubwürdige Beweise, dass Sicherheitskräfte zum Beispiel mehrfach Tränengaskanister direkt auf Demonstrierende abgefeuert haben. Das berge ein "erhebliches Risiko von Todesfällen und ernsthaften Verletzungen".

"Die Dinge eskalieren immer mehr. Deswegen kann man nur appellieren, dass sich alle Seiten zurücknehmen", sagt hingegen Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) bei einem Besuch in New York. "Wichtig wird für uns auch bleiben, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht beeinträchtigt wird."

Trotz der massiven Kritik stellt sich die Regierungschefin Hongkongs, Carrie Lam, hinter die Sicherheitskräfte. Die Polizei habe zuletzt "große Schwierigkeiten" gehabt, geltendes Recht durchzusetzen.

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Wir haben diesen Artikel am 14. August 2019 aktualisiert.