Es gibt ungeschriebene gesellschaftliche Gesetze. Ein solches ist beispielsweise, dass Paare in einem gemeinsamen Bett zu schlafen haben. Paare, die zusammen wohnen, aber nicht beisammen schlafen, müssen sich rechtfertigen, weshalb sie es nicht tun – sofern sie es nicht geheim halten. Und genau hier liegt der Hund bereits begraben: Es gibt kaum einen offenen Diskurs darüber, die Norm des gemeinsamen Schlafzimmers kritisch zu diskutieren. Doch genau ein solcher Diskurs ist notwendig, um die Vielfältigkeit sowie die Unterschiede des Zusammenlebens bei Paaren sichtbar zu machen.

Was sollen bloß die Anderen denken?

Nachdem mein Partner und ich in eine gemeinsame Wohnung gezogen sind, habe ich recht schnell festgestellt, dass das permanente Zusammenschlafen in einem Bett schwierig ist. Er geht später ins Bett, ich gehe früher ins Bett. Er schläft schnell ein, während ich mich noch hin und her wälze. Er möchte mit mir kuscheln, aber ich kann so nicht einschlafen. Er schnarcht und ich finde nicht in den Schlaf hinein oder wache davon auf. Solche Szenen haben sich Nacht für Nacht ereignet und man kann sich gut vorstellen, dass sowohl mein Freund als auch ich fast jeden Morgen gerädert, müde und schlecht gelaunt waren. Nach ein paar Wochen haben wir gemeinsam beschlossen, dass es so nicht weitergehen kann. Unter dieser Situation litten wir beide – das Zusammenleben als Paar hatte ich mir ehrlich gesagt auch leichter vorgestellt. Vielleicht bin ich zu romantisch an die Sache herangegangen. Denn auch ich war ja zunächst der festen Überzeugung, dass wir selbstverständlich ein gemeinsames Bett haben. Da gab es nichts zu hinterfragen oder zu überlegen.

Es schien uns zwar völlig unkonventionell, aber – nach reiflicher Überlegung – für unsere Situation die beste Lösung zu sein: Jede*r bekommt ein eigenes Zimmer, mit eigenem Bett. Meine ersten Gedanken drehten sich darum, wie wohl unsere Freund*innen, Eltern oder Nachbar*innen darauf reagieren würden. Was würden sie sagen? Würden sie Fragen stellen? In unserem Freundeskreis und Umfeld scheint es nämlich normal zu sein, sich als Paar ein Bett  – ja sogar eine Matratze – zu teilen. Außer, dass man sich hin und wieder über das Schnarchen des*der Partner*in aufregt und sich bei einem Glas Wein in geselliger Runde darüber austauscht, scheint das gemeinsame Bett an sich nicht in Frage gestellt zu werden.

Es scheint, als ob das Teilen eines Bettes ein wichtiges Merkmal für eine gute und intakte Paarbeziehung darstellt. Wer sich das Bett mit seinem*r Partner*in teilt, ist in einer glücklichen Beziehung. Wer es nicht tut, bei dem*der läuft doch gewaltig etwas schief, oder?

Ist ein gemeinsames Bett vonnöten, um sich näherzukommen?

Ja, man schläft als Paar nun mal in einem Bett. Das gehört sich so. Und wer getrennt schläft, bei dem*der läuft in Sachen Sex natürlich auch nichts mehr, das ist ja wohl klar. Aber gibt es irgendeine wissenschaftliche Studie, die darlegt, dass getrennte Schlafzimmer Paarbeziehungen belasten oder gar dass man sich von seiner*m Partner*in dadurch entfremdet? Ich habe noch keine gefunden. Eher im Gegenteil: Es gibt Psycholog*innen, die Paaren sogar explizit dazu raten, getrennt zu schlafen, um sich wieder näherzukommen. Klingt paradox, ist aber so.

Ich frage mich, weshalb wir es nicht schaffen, einen offenen Diskurs darüber zu führen, wie Paare ihre Nächte verbringen wollen. Wieso sind getrennte Schlafbereiche (es muss ja nicht immer ein eigenes Zimmer sein) nicht genauso normal und gesellschaftlich anerkannt wie das gemeinsame Bett? Warum ist das getrennte Schlafzimmer bei einigen ein Thema, das für eine Menge Zündstoff sorgt? Und warum muss man sich als Paar oder als Einzelperson rechtfertigen, sobald man alleine schlafen möchte?

Wie? Ihr schlaft wirklich getrennt? Jede Nacht?

Von Anfang an sind wir offen mit unserer Situation umgegangen, unser Umfeld wusste schnell Bescheid. Viele und ganz unterschiedliche Reaktionen waren dabei. Die allermeisten fanden es super spannend und toll, dass wir erstens diesen Schritt gewagt haben und zweitens offen damit umgehen. Aber dann gab es auch noch jene mit den fragenden Gesichtern: "Wie? Ihr schlaft wirklich getrennt? Jede Nacht?" Man konnte förmlich sehen, wie deren Hirne rauchten und wahrscheinlich stellten sie sich die Frage, wie das denn jetzt wohl mit der Romantik und so geht. Aber mal ganz ehrlich: Ist ein gemeinsames Bett vonnöten, um sich näher zu kommen?

Ja, wir schlafen also getrennt. Meistens jedenfalls. Das eine schließt das andere ja nicht aus. Nur weil wir getrennte Schlafzimmer haben, bedeutet das im Umkehrschluss nicht, dass wir jede Nacht alleine schlafen – so viel Fantasie muss sein.

Jede*r hat einen eigenen Rhythmus, auch in der Nacht

Als Paar ist man tagsüber ja auch nicht ständig zusammen und das ist völlig okay. Wieso kann es nicht genauso nachts in Ordnung sein? Mein Schlafrhythmus ist eben ein anderer als der meines Partners. Und ich brauche nicht nur am Tag einen Ort, an dem ich alleine sein kann, sondern habe auch in der Nacht des Öfteren das Bedürfnis, für mich sein zu wollen. Es tut gut, einen Rückzugsort zu haben und zum Beispiel so lange das Licht zum Lesen anzulassen, wie ich es möchte – ohne dabei gleich ein schlechtes Gewissen zu bekommen oder Rücksicht auf die Bedürfnisse des Anderen zu nehmen.

Dass getrennte Schlafbereiche nur was für jene Paare sein sollen, die schon lange zusammen sind, halte ich für problematisch. Auch junge Paare profitieren davon, wenn sie nicht jede Nacht gemeinsam in einem Bett verbringen. Man freut sich zum Beispiel am nächsten Morgen viel mehr, den*die Partner*in zu sehen, wenn man nicht die ganze Nacht seinen*ihren Schlafgeräuschen ausgesetzt war. Sich am Abend zu verabreden, ob oder wo man vielleicht gemeinsam übernachten möchte, kann sehr aufregend sein. Und sich in einer Partnerschaft als Individuum nicht aus den Augen zu verlieren, tut nicht nur einem selbst gut, sondern wirkt sich gleichsam positiv auf der Paarebene aus.

Egal, ob gemeinsame oder getrennte Schlafzimmer, letztlich sollte es darum gehen, dass es dem Paar und dem einzelnen Menschen gut geht. Es geht nicht darum, dass das eine besser sein soll als das andere, sondern vielmehr darum, sich zu trauen, über den Tellerrand zu blicken. Wenn Paare Nacht für Nacht das Bedürfnis haben, zusammen zu schlafen, und sich beide dabei wohlfühlen, dann ist das genauso okay, wie wenn Paare getrennt schlafen möchten. Weder für das eine noch für das andere sollte sich eine Person rechtfertigen müssen. Es gibt viele Möglichkeiten, als Paar den Tag und die Nacht zu verbringen. Aber das muss jedes Paar für sich selbst herausfinden.