Jeder hat diese total coole Freundin, die sich allein in exotische Länder traut. Meine plant gerade ihren Trip nach Ägypten, im Winter will sie nach Nigeria. Sie war schon im Sinai, in Israel und Palästina, in Peru, den USA und Australien. Sie sagt: "Allein ist am Anfang immer schrecklich, dann spannend, dann total erhebend, dann frustrierend, dann toll, dann wieder ein bisschen traurig, wenn zu Hause keiner so richtig versteht, was man erlebt hat."

Was sie vergisst: Zu Hause sind manche skeptisch, die meisten aber neidisch, heimlich natürlich. Wer allein reist, der beweist Selbstständigkeit, ein wenig Mut, Flexibilität. Er sieht fremde Länder, ist unabhängig und lernt Menschen aus aller Welt kennen. Allein reisen, das riecht nach Kardamom, schmeckt nach Muskat-Likör, klingt nach Panflöte, fühlt sich an wie ein Rucksack auf den Schultern, braune Haut, ein strahlendes Lächeln und die Haare sitzen unperfekt perfekt über der schweißfeuchten Stirn im Dschungel. Hallo Klischee, kein Wunder, dass sich das nicht alle trauen.

Auf meiner ersten Reise allein wanderte ich im Elbsandsteingebirge. Ziemlich unaufregend? Von mir aus. Für mich war die Überwindung, mit mir selbst klarzukommen, jeden Schritt allein zu tun. Ich nahm kaum Kontakt zu anderen Reisenden auf – in der Regel sprachen sie mich an, ich habe in diesen Tagen jede Menge Japaner vor der Bastei fotografiert und Amerikanern den Weg in Richtung Wallachei gewiesen. Mein Smartphone stand auf Flugmodus, mein Gesprächspartner war die Spiegelreflexkamera, die ich stoisch durch die Wälder schleppte. Für fünf Tage nahm ich eine Auszeit von meinem Leben. Ich wollte allein sein. Zur Ruhe kommen.

Erfahrung ersetzt Mut – nur nicht beim ersten Mal

"Alleinreisen ist keine Frage des Mutes", schreibt Bloggerin Susanne. Ihre erste Reise allein führte sie nach Amsterdam, später flog sie nach Mexiko, Thailand, Hawaii, Singapur. Und sie hat recht. Mut brauchte ich beim ersten Mal, weil ich auf mich gestellt sein würde. Selbst für alles verantwortlich. In Marokko war ich unsicher wegen des fremden Landes, der fremden Kultur. Bei einem Surfurlaub hatte ich Angst, nicht allein zu sein, sondern unter Fremden, rund um die Uhr.

Bei jeder neuen Reise nehmen wir die Erfahrungen mit, die wir auf früheren Reisen gesammelt haben. Man wächst. Als ich mit meiner Weltenbummler-Freundin nach Ramallah fuhr, war sie entspannt. Ich hätte mich am liebsten in Verteidigungsposition mit dem Rücken an eine Hauswand gestellt. Nach zwei Wochen Israel und Palästina war ich entspannt, heute freue ich mich auf meine Rückkehr in diese Länder. Ich bin nicht mutig. Ich habe mich an die Kultur gewöhnt, die Gastfreundlichkeit und ja, auch an die gewalttätige Geschichte der Region.

Planung ersetzt Zufall durch Irrtum?

"Der ganzen Reise ein festes Gerüst zu verleihen passte nicht in mein Konzept, passt nicht in das Konzept der Region", schreibt Chrissy vom Blog Perspektiven Wechseln. Sie reiste von Dar Es Salaam in Tansania bis nach Kapstadt. Dreieinhalb Wochen war sie unterwegs, fand immer wieder neue Reisegefährten. Vorab hatte sie nur ein paar potentielle Couchsurfing-Gastgeber kontaktiert, ihre Reise bezeichnet sie als entspannt.

Wenn ich reise, sind Wochen vorher die Unterkünfte reserviert und ich weiß, welche Restaurants am besten bewertet sind. Ändert sich das mit mehr Erfahrung? Mag sein, kann ich derzeit noch nicht beurteilen. Aber wenn ich mit dem Rucksack von Ort zu Ort wandere, dann will ich vorher wissen, wo die Betten erträglich und die Weine lecker sind. Uncool? Mir doch egal. Ist ja keiner dabei, der sich beschweren könnte.

Warum ich so gern allein reise

Ich erinnere mich an alles. Nichts lenkt ab, ich bin ganz bei mir und an dem Ort, an dem ich gerade bin. Keine Gespräche über Beziehungen, keine Ideen für die Arbeit, keine Planungen für die nächsten Tage.

In der Facebook-Gruppe Frauen reisen solo! habe ich die Frage ebenfalls gestellt. Viele schrieben von ihrer Unabhängigkeit, wenn sie allein unterwegs sind. Von einer Flucht aus dem Alltag. Sie fühlen sich gestärkt, haben mehr Selbstbewusstsein, weil sie alles meistern, was ihnen begegnet. Das hat etwas mit Erwachsenwerden zu tun, das keine Frage des Alters ist, sondern der Erfahrungen. Und sie treffen neue Leute, denn wer mit Freunden reist, der bleibt schnell mal unter sich.

Reisen sind ein Status-Symbol geworden. Ich finde das anstrengend und ich möchte meine Ziele nicht danach aussuchen, ob ich genügend Leute damit beeindrucke. Allein durch Thailand ist gerade total in? Okay, aber in diesem Jahr reizt es mich einfach nicht. Vielleicht im nächsten. Wenn ich allein reise, muss ich mein Ziel mit niemandem besprechen. Ich muss auch das Abendessen nicht ausdiskutieren. Einmal im Jahr ist es schön, ganz eigene Entscheidungen zu treffen.

Allein zu reisen, sich dabei aber Fremden anzuschließen, hat seinen ganz eigenen Charme. Ein Freund von mir lernte in zwei Wochen Selbstfindungsroadtrip: Mitten in der Nacht, mit der Gitarre unter Fremden auf einem Bürgersteig sitzend, das sind die Momente, in denen du dich selbst findest. Allein in der Wildnis funktioniert das nicht. Fremde Menschen haben keine Vorurteile. Wir müssen keine Erwartungen erfüllen und wir müssen uns auch nicht konsistent zu etwas verhalten, das wir gestern vielleicht noch gesagt haben. Das ist Freiheit.

... und wo die Gefahren liegen

Gefahren? Nein, es geht mir nicht um Alltagsprobleme. Wie ein Navigationsgerät funktioniert hat sich mittlerweile rumgesprochen, Sprachbarrieren überwindet gutes Englisch fast immer, wenigstens nach einigem Suchen. Als Frau hilft manchmal die Anpassung an lokale Gegebenheiten, kulturell bedingt im Extremfall nur die männliche Begleitung. Das ist die eine Art von Gefahr. Wir überwinden sie durch Planung, die Seiten des Auswärtigen Amtes kann ich vor Reisen nur empfehlen, außerdem bin ich ein ewiger Reiseführerjunkie.

Die beste Frage, die andere vor Alleinreisen stellen ist ja diese hier: "Und was machst du wenn [setze eine beliebige scheinbar ausweglose Situation ein]?" Die Antwort lautet jedes Mal: Weiß ich doch nicht. Keine Ahnung, was ich gemacht hätte, wenn ich in der Wüste Tunesiens einen platten Reifen gehabt hätte. Erstmal ein dummes Gesicht, kurze Panikattacke und dann hätte ich eine Lösung gefunden. Was ich mache, wenn ich im Sommer im Sinai entführt werde? Nichts. Hoffen, dass ich da heil wieder rauskomme.

Die andere Gefahr liegt in uns selbst.

"Manchmal findet man sich selbst auf Reisen, nur um sich im nächsten Moment wieder zu verlieren", schreibt Bloggerin Flashpackcitygirl. Diesen Satz finde ich interessant – auf mich trifft er zu. Das passiert nicht, wenn ich unter Fremden bin und Abenteuergeschichten lausche oder sie erzähle. Es passiert, wenn ich allein 40 Kilometer durch den Wald laufe, gelegentlich an Aussichtspunkten halte und Honigwaffeln esse. Plötzlich sind da diese Lösungen für Probleme, die ich noch nie hatte. Ich überlege mir Antworten auf Dinge, die noch nie jemand zu mir gesagt hat.

So lernen wir auf der Reise mit uns selbst auch mal den Neurotiker in uns kennen. Gesellschaft hilft dagegen, Achtsamkeit aber auch. Bloggerin Mandy von Movingroovin schreibt, dass sie als Kompensation ihre Erlebnisse aufschreibt. Und vielleicht lässt sich die Neurotikerin ja mit einem Ausblick über Berge im Sonnenuntergang bestechen.

Ja, aber...

Aber was? Ja, es kann etwas passieren. Aber diese moderne Angst, wir würden mit Situationen nicht fertig werden, die ist für Durchschnittserwachsene nicht realistisch. Und die Hipster-Reisen anderer schüchtern nur ein. Andere sind bei einer Reise allein aber nicht die Messlatte, deshalb macht man sie ja allein. Wir messen uns an uns selbst. Das ist die größte Herausforderung.

Und Spinnen.