Doch falls Tom Schilling plötzlich hinter mir in der Bahn stünde, würde mir wahrscheinlich auch das Herz in die Hose rutschen. Im Nachhinein versetzen mir solche unverhofften Begegnungen mit berühmten Persönlichkeiten einen kleinen emanzipatorischen Knick. Denn, ganz rational betrachtet: Was macht diese Menschen bewundernswerter als andere?

Klar. Ihr Talent und die Hürden ihres Berufs sind nicht zu unterschätzen. Doch dasselbe könnte man auch von Sozialarbeitern und Ärzten behaupten. Immerhin retten sie Leben – und das nicht nur im Film.

Warum sind wir aufgeregt, wenn wir Filmstars auf der Straße treffen?

Vera Cuntz-Leng ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Medienwissenschaft der Philipps-Universität Marburg, wo sie besonders im Forschungsgebiet der Fan Studies involviert ist. Zudem ist sie Chefredakteurin der

Zeitschrift Medienwissenschaft: Rezensionen | Reviews. Sie weiß die Antwort.

"Je mehr Medienpräsenz einer*m Prominenten zuteil wird, desto mehr nehmen wir am Leben derjenigen oder desjenigen teil. Treffen wir die Person dann persönlich, nimmt ihr dies nicht nur einen Teil ihrer artifiziellen Inszeniertheit, sondern wir werden auch zu einem Teil dieser Inszenierung. Das macht das Ereignis doppelt aufregend", sagt die Wissenschaftlerin.

Was die Medien von Prominenten übermitteln, ist also eine Inszenierung, die bröckelt, wenn wir sie dann treffen. Cuntz-Leng beschreibt das Erlebnis als "aufregend". Aber kann es nicht auch deprimierend werden, wenn sich das mediale Abbild einer Person auflöst, die wir doch als so sympathisch empfanden? Davon mache ich mir ein Bild und besuche das Set des Films "SIMPEL". Die Hauptrollen spielen David Kross und Frederick Lau, zwei Sternchen am deutschen Schauspielhimmel.

Frederick Lau imponiert mir schon lange: In seiner Rolle als Außenseiter Tim in dem prägenden Film

Die Welle

 hinterliess er bei mir einen bleibenden Eindruck. 2006 entdeckte ich ihn dann beim Public Viewing in Berlin und scannte die Location regelmäßig nach ihm ab – das Fußballspiel vergaß ich dabei ganz.

David Kross spielte mit jungen 18 Jahren den Geliebten von Kate Winslet in der Verfilmung des Klassikers 

Der Vorleser

. Eine hervorragende Leistung!

Aber warum genügt eine imponierende Schauspieler-Laufbahn, um mein Gemüt in Schwingung zu bringen?

Stars werden zu Projektionen

"Was einen Star besonders macht, ist individuell sehr verschieden. Aber natürlich hat er durch seine Medienpräsenz eine immense Reichweite und Strahlkraft. Besonders durch ihre vielfältigen Rollen werden Stars zur Projektion der Wünsche und Bedürfnisse von Fans", weiß Dr. Cuntz-Leng.

Aus jedem Foto, Interview oder Film, in dem Lau oder Kross eine prägende Rolle spielen, filtere ich mir also sympathische Eigenschaften und puzzle mir mein eigenes Bild der beiden. Sie erfüllen oder schaffen Bedürfnisse in mir. Das klingt ziemlich gruselig.

Hinter den Kulissen: Am Set mit Frederick Lau und David Kross

Am Set werde ich "Teil der Inszenierung", wie es Cuntz-Lang nennt. Doch, ehrlich gesagt: Ich komme mir vor wie im Zoo. Lau und Kross sind seltene Tierarten, die von den Pressemenschen umstreunert werden. Ich selber stehe ein, zwei Meter entfernt und beobachte das Geschehen. Anfangs verspüre ich ein wenig Aufregung, die aber schnell wieder verfliegt.

Irgendwie tun sie mir ein bisschen leid, wie sie da stehen und fünf Mal auf die selben Fragen antworten müssen.

Die beiden kommen mir viel erwachsener als in meinen Vorstellungen vor. Lau erzählt von seiner schwangeren Frau. Dabei hat er doch gerade noch in Victoria einen jungen Berliner gespielt!

Je bodenständiger die beiden Schauspieler sich verhalten, desto netter wirken sie auf mich. Gleichzeitig entmystifiziert die Begegnung meine Vorstellungen. Freddy ist gar nicht so süß-verplant wie in Victoria und Kross verhält sich überhaupt nicht verlegen wie als Geliebter von Kate. Das macht sie nicht unsympathischer, aber irgendwie einen Tick uninteressanter.

Neben ihrer "Strahlkraft", sind es auch unsere Vorstellungen oder Projektionen der Prominenten, welche uns ins Schwärmen bringen. Wir mystifizieren die Persönlichkeiten, die wir nur von Bildschirmen kennen. Wir stellen in unseren Köpfen Erwartungen an sie, die sie nicht enttäuschen können. Meist aus dem einfachen Grund, dass wir sie persönlich treffen.

Ich komme zu dem Schluss, dass das Schwärmen oder Fansein keine Schande sein muss – solange wir kritisch über das Fanobjekt urteilen können und möchten.

Oft kann ich mich noch nicht so ganz vollkommen mit dem Schwärmen arrangieren. In solchen Momenten denke ich dann immer an die Menschen, die immer – auch bei super Ausflugswetter – Samstagnachmittags Bundesliga gucken oder kein einziges Konzert ihres Fanobjektes verpassen.