Viele Menschen sind der Meinung, eine beste Freundin sei nur dann eine, wenn man einander jeden Tag sieht, ununterbrochen telefoniert, sich very important Whatsapp-Verläufe weiterleitet, alle Details zum Beziehungsstatus der anderen kennt und einander niemals versetzt.

Als meine beste Freundin vor gut fünf Jahren zum Studieren wegzog und ich ein Jahr später noch viel weiter weg, hatten wir die unausgesprochene Wahl: Distanz ertragen oder Freundschafts-Aus? Zunächst sah es so aus, als würde es ein Mischmasch aus beidem. Immer einmal weniger melden, hin und wieder absagen, sich verändern, ein eigenes Leben haben und auch neue Freund*innen.

Was wir zu dem Zeitpunkt nicht wussten? Keine von uns beiden war der anderen weniger wichtig geschweige denn ersetzbar für sie geworden. Unser einziges Problem war, dass wir die Veränderungen, die die Zeit mit sich gebracht hatte, nicht wahrhaben wollten und uns nicht darauf einstellten.

Wir sprachen über unsere Freundschaft

Beim nächsten Treffen in unserer Heimatstadt hielten wir das oberflächliche Blabla keine zwei Minuten aus, bis wir den Drang verspürten, über unsere Freundschaft zu sprechen. Ehrlich und offen. Uns wurde bewusst, dass wir einander zu viel Druck gemacht hatten, zu viele Erwartungen und feste Regeln im Kopf hatten, wie eine beste Freundschaft aussehen muss. Uns wurde klar, dass es zwischen uns nie wieder sein würde wie früher.

Es ist jetzt sogar besser. Wenn wir uns sehen, merken wir immer wieder, dass wir uns zwar unabhängig voneinander aber trotzdem in eine sehr ähnliche Richtung entwickeln. Wir sind in vielen Angelegenheiten einer Meinung, ohne je darüber gesprochen zu haben. Na gut, oft auch nicht. Aber das sind dann Belanglosigkeiten. Wir nehmen es meist mit Humor und einigen uns darauf, in einem halben Jahr noch mal drüber zu sprechen. Bis dahin haben wir uns vielleicht sogar ein bisschen von der Ansicht der anderen inspirieren lassen.

Wir telefonieren selten, schreiben ab und zu. Hin und wieder sehen wir uns über zwei Monate nicht, dafür mal einige Tage am Stück. Sie hat meinen jetzigen Freund noch nicht kennengelernt und kann mir trotzdem Rat geben, wenn es kriselt. Ich weiß nicht genau, wie ihr Studium aufgebaut ist, aber ob sie glücklich ist oder nicht. Und wenn ich eine Phase habe, in der ich nicht weiß wohin mit mir, dann fahr ich zu ihr. Und andersrum.

Warum Distanz gut tun kann

Distanz ist nicht schlecht, sie tut gut. Es ist auch wichtig, dass jede ihr eigenes Leben führt und ihre Interessen und Freund*innen hat. Mittlerweile gönnen wir es einander. Und akzeptieren auch, wenn sich die andere verändert oder eine Phase lang bewusst anders sein will.

Wir sind füreinander eine Art zweites Zuhause geworden, eine Komfortzone, in der man wieder runterkommt. Wir erzählen uns alles, sprechen über jede Angst oder Fantasie, geben einander einen Push oder auch mal Tritt in den Hintern. Wir kotzen uns aus, ohne das Gefühl zu haben, mutwillig zu lästern. Wir sind wie Familie füreinander. Und dieses Vertrauen hilft, um über sich hinauszuwachsen.

Meine beste Freundin und ich sind jetzt seit rund 13 Jahren befreundet. Wir hatten verschiedene Phasen, auch solche, da waren wir diese Art Freundinnen, die jeden Tag telefoniert haben. Nur bin ich viel stolzer auf das, was wir jetzt haben. Wir haben einen Punkt erreicht, an dem die Wertschätzung füreinander überwiegt. Egal, ob die andere dreimal in Folge absagt oder eine total anstrengende Phase hat: Wir haben die nötige Gelassenheit bekommen, das auszuhalten.