Auf mich wirkt es so, als wäre Heiraten für viele nicht nur eine Frage des eigenen Befindens, sondern besonders eine Frage des Alters. Mein Freund und ich sind Anfang 20, studieren noch und haben uns entschieden: Wir heiraten.

Seit einem Jahr leben wir in einer gemeinsamen Wohnung. Als wir unseren Freund*innen und Familien davon berichten, gibt es mehr Zweifel als Zuspruch. Sie haben nie an unserer Beziehung gezweifelt, dennoch hatten alle eine andere Vorstellung von unserem gemeinsamen Lebensweg. Heiraten gern, aber doch nicht jetzt schon, mit Anfang 20!

Warum erwarten alle von mir, dass ich erst in zehn Jahren heirate, obwohl ich mir heute schon sicher bin, den Menschen gefunden zu haben, mit dem ich mein Leben verbringen möchte?

Welche Macht die Meinung von anderen auf mich hat

Wie sehr ich von der Meinung anderer Menschen abhängig bin, fällt mir auf, als ich mit meinen Eltern über das Thema Hochzeit spreche. Für sie ist es ein Gespräch, das für mich noch weit in der Zukunft liegen sollte. Sie ahnen nicht, dass mein Freund und ich am Vormittag einen Termin beim Standesamt ausgemacht haben.

Während ich mit meinen Eltern rede, schwanke ich: Einerseits stehe ich zu meiner Entscheidung, andererseits habe ich doch ein mulmiges Gefühl im Bauch, weil ich spüre, dass meine Eltern eine andere Meinung haben. Sie haben mit Ende 20 nach zwei Jahren Beziehung geheiratet. Auch wenn mein Freund und ich inzwischen doppelt so lange ein Paar sind, scheint für sie klar zu sein, dass wir uns ebenfalls frühestens in fünf Jahren das Ja-Wort geben. Wir seien noch zu jung, sagen sie, um eine feste Bindung einzugehen.

Ich frage mich, warum ich in fünf Jahren mehr in der Lage sein sollte, diese Entscheidung zu treffen. Klar, ich werde mehr Lebenserfahrung haben, aber was sind fünf Jahre im Vergleich zu 50 Jahren Ehe? Ich werde niemals wissen, was in dieser Zeit passieren wird. Ich denke nicht, dass ich je mit Sicherheit sagen kann: Das ist der Mann, mit dem ich bis zum Ende meines Lebens glücklich sein werde.

Gibt es das perfekte Alter, um zu heiraten?

Längst müssen Paare in Deutschland nicht mehr heiraten, um zusammen zu sein. Und doch haben sich im Jahr 2015 400.000 Paare in Deutschland das Ja-Wort gegeben, das sind 3,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Allerdings werden insgesamt nur noch halb so viele Ehen geschlossen wie in der Nachkriegsgeneration.

Das durchschnittliche Heiratsalter liegt für Frauen bei 31 Jahren, für Männer bei 34 Jahren, Tendenz steigend. Ist dies das perfekte Alter für eine Hochzeit?

Forscher*innen von der University of Texas in Austin haben herausgefunden, dass Ehen, die im fortgeschritteneren Alter geschlossen werden, zwar länger halten, aber nicht unbedingt glücklicher verlaufen. Dass diese Paare sich nicht so schnell trennen, hängt allerdings auch damit zusammen, dass die Befürchtung wächst, keine*n neue*n Partner*in zu finden.

Junge Ehepaare zwischen 22 und 25 Jahren erwiesen sich dagegen als glücklicher und ausgeglichener in der Ehe.

Hochzeiten sind hochstilisiert

Die meisten Leute in meinem Alter können sich nicht vorstellen, bald zu heiraten. "Mein Freund wird immer ganz nervös, wenn ich über die Zukunft spreche, also von Heiraten und Kindern", erzählte mir neulich eine Freundin aus der Uni. "Wir würden es nicht mal einen Monat in einer gemeinsamen Wohnung aushalten", stöhnte eine andere.

Ein Grund ist sicher: Hochzeiten werden hochstilisiert. Sie sollen zum schönsten Tag im Leben werden. Gerne werden ein paar Tausend Euro locker gemacht, um der Ehe das gewisse Etwas zu verleihen. Der eigentliche Sinn, die Entscheidung, sein Leben miteinander verbringen zu wollen und sich einander komplett zu schenken, rückt dabei schnell in den Hintergrund.

Auch die Medien helfen uns nicht weiter: Beziehungen werden meistens nur in romantischen Komödien thematisiert. Leider hört die Geschichte direkt dann auf, wenn die zwei Menschen nach scheinbar unüberwindlichen Hindernissen und Missverständnissen zueinander gefunden haben – jedoch nicht, wie das Paar den ganz normalen, zuweilen langweiligen Alltag miteinander verbringt.

Hochzeit ohne Party, Reis und Tauben

Wir haben uns entschieden, im Stillen zu heiraten. Ohne Party, Reis und Tauben. Die Standesbeamtin wirkte überrascht, aber gleichzeitig schien es ihr recht zu sein, zur Abwechslung keine gerührten Verwandten im Saal sitzen zu haben. Die Trauung wurde dadurch zu einem sehr intimen Moment: Nur wir zwei, die sich versprechen, für immer zusammen zu bleiben.

Zugegeben: Ich wache am Morgen nach der standesamtlichen Trauung mit einem mulmigen Gefühl im Magen auf. Ich schwebe nicht auf Wolken, sondern mache mir Sorgen: War es nicht doch zu früh? Kann ich wirklich mit 22 Jahren eine so weitreichende Entscheidung treffen? Meine Eltern haben doch meistens recht, vielleicht auch dieses Mal? Was werden sie bloß sagen?

Mein Mann kann diese Zweifel verstehen, er weiß, dass ich nicht an unserer Ehe an sich zweifle.

Zwei Tage später weihen wir unsere Eltern ein. Wir möchten sie zum Essen einladen und Mama fragt, ob es etwas zu Feiern gäbe. Eigentlich wollten wir noch ein bisschen warten, bis die Gemüter durch das leckere Essen besänftigt sind. Doch der Moment war gekommen.

"Wir haben geheiratet", sage ich.

Ungläubige Gesichter, Überraschung, Freude, Enttäuschung. Mama kann ihre Gefühle nicht unterdrücken. Ich versuche sie zu beruhigen, trotzdem ist für sie der Tag gelaufen.

Vor dem Restaurant sagt sie mir vieles, von dem ich wusste, dass sie es sagen würde. Vor allem:

Wir sind hier doch nicht in Las Vegas!

Als ob eine Hochzeit mit Anfang 20 nur auf Alkoholeinfluss und Leichtsinnigkeit zurückzuführen wäre.

"Warum jetzt?" – "Warum nicht?"

Unsere Eltern brauchen ein paar Tage, um die Nachricht zu verdauen. Auch unsere Freund*innen und Bekannten sind erstaunt. Viele fragen: Warum jetzt? Ich antworte: Warum nicht? Ich habe einfach geheiratet, weil ich mir jetzt genauso sicher bin, wie ich es in fünf Jahren wäre. Eine Garantie für das ganze Leben gibt es weder mit 22 noch mit 32.

Mit der Hochzeit bis Anfang 30 zu warten, klingt für mich oft nach: Ich warte noch auf etwas Besseres.

Natürlich gehört eine Portion Mut dazu, sich schon früh für einen Menschen zu entscheiden, mit dem man sein Leben verbringen möchte, aber es ist ein schönes Gefühl, sich so früh schon zu versprechen, füreinander da zu sein.