Ich scrolle über die Netflixseite: kenne ich schon, interessiert mich nicht, darauf echt keinen Bock. Je mehr Auswahl zu sehen ist, desto weniger kann ich mich entscheiden. Allein die Beschreibungssätze zu lesen, ermüdet mich und ich verliere die Lust auf die Serie oder den Film. Ich will mich auf keine neue Serie einlassen, keine neuen Protagonist*innen kennenlernen. Ich scrolle so lange, bis es so spät wird, dass ich mich entscheiden muss, da ich sonst direkt schlafen gehen kann, ohne irgendwas gesehen zu haben.

Am Ende kehre ich immer wieder zu denselben Serien zurück, in dieselben Welten, zu denselben Protagonist*innen. Andere würden es Trash-TV oder gar Mädchen- beziehungsweise Frauenserien nennen. Ich reagiere beleidigt auf derartige Einordnungen. Denn für mich sind sie zu Freund*innen geworden, ja zu ständigen Begleiter*innen meines Lebens.

Ich habe sie alle gesehen: Pretty Little Liars, The Carrie Diaries, Sex and the City, Secret Diary of a Call Girl, The Client List, Younger, Jane the Virgin, Lipstick Jungle, Chasing Life, Mistresses, Gilmore Girls und viele mehr. Hunderte Stunden müssen es gewesen sein, die wir zusammen verbracht haben. Zweifellos hätte ich in dieser Zeit eine Sprache oder ein Musikinstrument lernen können, aber ich konnte nicht anders.

Gezielte Suche nach Langeweile

Denn ich verschwende gerne meine Zeit mit ihnen. Ich will Drama, Liebe und Spannung in einem ausgewogenen Verhältnis, mich dabei entspannen und am Ende besser fühlen, wenn ich den Laptop zu klappe. Ich will eine Hintergrundbeschallung, bei der ich weiß oder zumindest erahnen kann, was passieren wird. Faulenzen für mein Hirn.

Nach einem anstrengenden Tag ist das Balsam für meinen Körper. Wenn ich ihm diese Auszeiten nicht gewähre, schreit er mit der Zeit auch danach. Ich werde unausgeglichen, unrund und hab keinen Lust mehr auf sozialen Kontakt. Es ist eine kleine Sucht, die ich pflege. Ihr Ziel: die Befriedigung durch gezielter Langeweile gepaart mit seichter Unterhaltung.

Dafür gibt es auch einen Namen: Guilty PleasureUrbandictionary beschreibt diese so: "Etwas, das du liebst zu tun, aber nicht zugeben kannst oder weißt, dass du es nicht mögen solltest."

Eigentlich müsste ich mich schämen, tu ich aber nicht

Ich ziehe mir gerne Serien rein, für die ich mich objektiv gesehen schämen müsste. Denn die meisten sind weder tiefsinnig, komplex, feministisch oder gar gesellschaftskritisch. Meinem Intellekt zuliebe sollte ich mir lieber Dokus über den Klimawandel oder zumindest House of Cards ansehen. Das weiß ich.

Trash-Serien eignen sich auch nicht besonders gut für Smalltalk auf Partys oder im Büro. "Ich hab 6.720 Minuten mit einer Mysteryserie names Pretty Little Liars verbracht." Das sind fast fünf Tage. Kommt vermutlich nicht so gut, ist aber die Wahrheit.

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Ich kann trotzdem nicht anders. Ich liebe diese Serien. Was für mich mit Gilmore Girls schon als Teenagerin begann, sind Jane, Liza und Spencer bis heute. Ich kenne all ihre Geschichten, habe die Folgen gebinchwatched und wenn sie vorbei waren einfach alles noch mal von vorne angesehen. Wenn ich auf diese Serien klicke, weiß ich, was mich erwartet. Ich kenne die Inhalte, Twists und vor allem das Gefühl, das ich dadurch bekomme. Ich kann für einige Stunden in eine andere Welt flüchten. In der alles gut ist, oder die Probleme zumindest so absurd sind, dass ich sie nicht ernst nehmen muss.

Diese seichte Form der Unterhaltung ist auch nichts Neues. Was früher Groschenromane und Hausfrauen-Erotik-Romane an der Tanke waren, sind heute eben Trash-Serien der großen Produzent*innen. Es ging schon immer darum, sich zurückzuziehen oder zumindest vom Alltag abzulenken. Ich finde aber, ab und an darf man abtauchen und sollte es auch.

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