Da ist dieser Hoffnungsschimmer in seinen Augen. "Er hat gesagt, er weiß nicht, ob er nicht doch den größten Fehler seines Lebens macht", sagt mein Mitbewohner. Sein Mann hat nach fast 15 Jahren die Beziehung beendet. Mein Mitbewohner versucht seit Monaten, sich ein Leben ohne ihn aufzubauen. Aber das ist aus mehreren Gründen alles andere als leicht. Einer davon ist sein Ex – ein netter Kerl, der zwar die Trennung gewollt hat, aber nicht vollständig loslassen kann.

Ich kenne das: dieses Baumeln-gelassen-Werden, weil man noch hängt an dem, was war und was man liebte und immer noch liebt. Dieses verfluchte Vielleicht-wird-ja-doch-noch-alles-Gut, das einen, wenn man nicht aufpasst, etliche Lebensjahre kosten kann. Denn in diesem Zustand permanenter Anspannung und Unsicherheit kann man ewig verharren. Nah dran, fast ganz, aber dann doch nie nah genug.

Gebrochene Herzen sind wehrlos

Das passiert, wenn der*die Trennende keine klare Kante zieht. Vielleicht, weil die Situation emotional zäh und komplex ist, weil er*sie selbst nicht wirklich weiß, was er*sie will, weil er*sie sich nicht traut, endgültig den Kontakt abzubrechen, weil das zerbrechliche Ego trotz Trennung auf Zuneigung angewiesen ist oder weil da tatsächlich jemand manipulativ ist.

Die Motivation dafür, dass jemand nicht loslassen kann oder will, ist im Grunde egal. Es ist immer unfair und gemein dem*r Verlassenen gegenüber. Ein verwundetes Herz kann sich nicht gut wehren. Es sehnt sich und verzeiht und will glauben, lieben und hoffen.

Ein verwundetes Herz kann sich nicht gut wehren."

Eigenverantwortung hat Grenzen

Selbstverständlich sollte man als erwachsener Mensch durchaus in der Lage sein, Eigenverantwortung zu übernehmen. Im Trennungsfall kann das zum Beispiel heißen: Kontaktsperre, blocken, Nein sagen, Veranstaltungen bewusst meiden, den Freund*innenkreis verändern oder im Extremfall sogar wegziehen.

Nur kostet das auf Dauer sehr viel Kraft und beansprucht jede Menge Entscheidungsenergie. Und gerade, wenn man verlassen wurde und das Herz einer pochenden Wunde gleicht, hat man die oft nicht. Wenn dann auch noch der*die Ex Dinge sagt wie "Ich bin irgendwie eifersüchtig" oder "Manchmal vermisse ich dich noch" oder "Niemand küsst so zärtlich wie du", dann ist das nichts anderes als rücksichtslos und knallhart egoistisch.

Loslassen heißt Akzeptanz

Die Person, die Schluss macht, hat die Oberhand und ist in der stärkeren Position. Ja, trotz möglichen eigenen Trennungsschmerzes. Genau deshalb liegt es – nicht ausschließlich, aber überwiegend – in der Verantwortung der*s Trennenden, den*die andere*n zu schützen und dem*r Ex nicht noch mehr seelisches Leid zuzufügen.

Kurz gesagt: Wer verlässt, muss gefälligst loslassen. Und zwar gründlich und vollumfänglich. Loslassen bedeutet Akzeptanz. In diesem Fall also akzeptieren, dass man sich aus freien Stücken entschieden hat, ein Leben ohne den*die andere*n zu führen.

Eventuell aufkommende Zweifel und durchaus berechtigtes eigenes Seelenleid sind gern ausführlich mit Freund*innen zu diskutieren oder auch mit Therapeut*innen. Keinesfalls jedoch ausgerechnet mit dem Menschen, dessen Herz man gerade herausgerissen, zerfetzt und angezündet hat – so viel Anstand und Rücksichtnahme sollte sein. Denn die Hoffnung stirbt nun mal zuletzt und das ist manchmal ganz schön scheiße.