Die neu gewählte CDU-Chefin und potenzielle Kanzlerkandidatin Annegret Kramp-Karrenbauer stellte sich in der Talkshow Maischberger im Ersten unter dem Titel Katholisch, konservativ – Kanzlerin? den Fragen der Moderatorin Sandra Maischberger. Dabei wurde sie auch auf eine Äußerung aus dem Jahr 2015 angesprochen. Der Saarbrücker Zeitung gegenüber erklärte Annegret Kramp-Karrenbauer damals: "Wir haben in der Bundesrepublik bisher eine klare Definition der Ehe als Gemeinschaft von Mann und Frau. Wenn wir diese Definition öffnen […], sind andere Forderungen nicht auszuschließen: etwa eine Heirat unter engen Verwandten oder von mehr als zwei Menschen." Damit setzt sie die seit Oktober 2017 rechtsgültige Ehe für alle in Verbindung mit Inzest und Polygamie, was jedoch beides nach geltendem deutschen Recht den Bestand einer Straftat erfüllt.

Auch heute, knapp dreieinhalb Jahre später, rückt die CDU-Chefin nicht von dieser Position ab. Sie betont mehrfach, dass sie die Betroffenen verstehen könne, dass sie sich der Diskussion mehrfach gestellt habe, dass sie schon immer gegen jede Form von Diskriminierung vorgegangen sei und erklärt dann trotzdem: "Diese Position ist eine sehr persönliche für mich und an der möchte ich auch festhalten."

Ehe für alle war nur der Anfang

Wenn ich solche öffentlichen Äußerungen einer bekannten Spitzenpolitikerin höre, dann möchte ich mich auch festhalten – und zwar am Stuhl, damit ich nicht herunterfalle. Hat sie das wirklich gesagt? Im Jahr 2019? Ich versichere mich nochmal kurz mit einem Blick in den Kalender. Ja, hat sie. Dabei war der Weg zur Öffnung der Ehe lang, hart und viel diskutiert. Die Einführung der Ehe für alle war ein wichtiger Schritt in Richtung Akzeptanz, Toleranz und Respekt gegenüber gleichgeschlechtlichen Paaren und bleibt trotzdem nur ein Zwischenziel, ein Meilenstein auf einem noch immer langen Weg.

Und Annegret Kramp-Karrenbauer macht diesen Weg nicht leichter, wenn sie an derartigen Äußerungen weiter festhält, diese nicht überdenkt, nicht reflektiert. Denn wenn sie sagt, dass mit der Ehe für alle auch Forderungen nach einer Ehe unter Verwandten oder Vielehe laut werden könnten, dann bringt sie gleichgeschlechtliche Liebe mit Kriminalität in Verbindung, mit etwas Verbotenem, mit etwas, das nicht der Norm entspricht – und das ist auf dem Weg zu mehr Toleranz nicht förderlich, sondern gefährlich. Denn durch ein Festhalten an dieser Position schafft sie vielmehr ein intolerantes Klima in der Gesellschaft.

Warum so unbelehrbar?

Ich frage mich: Was sendet das für eine Botschaft aus, wenn die Frau, die möglicherweise die nächste deutsche Kanzlerin werden könnte, von einer Position, die meiner Auffassung nach weder zeitgemäß noch angebracht ist, einfach nicht ablässt? Natürlich kann und soll jede*r sich eine Meinung bilden und hat auch das Recht, diese zu äußern. Aber warum so unbelehrbar, Frau Kramp-Karrenbauer? All die Diskussionen und Gespräche, die Sie mit Betroffenen geführt haben, konnten Sie nicht davon überzeugen, dass die Ehe für alle nicht irgendwann zu Inszest, zu Polygamie führen könnte? Ich habe es noch nie erlebt, dass jemand mit dem Finger auf meinen Freund und mich zeigt und ruft: "Wenn die beiden da drüben heiraten dürfen, dann will ich jetzt meine Schwester heiraten! Nein, dann will ich jetzt meine drei Schwestern heiraten!" – wilde Vermutung, aber: Never gonna happen.

Wem möchte sie mit ihrer Position gefallen? Vielleicht den alten, erzkonservativen CDU-Wähler*innen? Kramp-Karrenbauer betont zwar im Gespräch mit Sandra Maischberger immer wieder, dass sie die Entscheidung und die rechtliche Lage bezüglich der Ehe für alle akzeptiere, doch sie persönlich möchte offenbar nicht einsehen, dass die Öffnung der Ehe zeitgemäß ist. Die Ehe – egal, ob man sie nun für ein veraltetes System hält oder nicht – war vielen Liebenden lange verwehrt, viel zu lange. Es ist nur fair, dass sie das jetzt tun können.

Prinzipien, Prinzipien, Prinzipien

Liebe Annegret Kramp-Karrenbauer, manchmal ist es gut, an Prinzipien festzuhalten. An Dingen, die schon immer so waren und auch bitte immer so bleiben werden. Zum Beispiel, dass erst dann vom Abendbrottisch aufgestanden wird, wenn alle aufgegessen haben. Oder dass nach dem Zähneputzen keine Süßigkeiten mehr gegessen werden. Aber bei der Ehe für alle? Ich denke, dass Sie dieses Prinzip dringend über den Haufen werfen sollten. Hören Sie doch ruhig auf Ihre Kinder, wenn diese Ihnen schon sagen, dass Ihre Position "dämlich und doof" sei. GaLieGrü.