In einer Szene aus "Girls" haben Hannah (Lena Dunham) und ihr Vielleicht-Freund Adam (Adam Driver) Sex in der Missionarsstellung. Adam stößt wild drauflos und ruft: "Magst Du das? Was magst Du?" "Ich mag alles, ich mag, was Du machst", antwortet Hannah. Plötzlich zieht Adam heraus, das Kondom runter und kommt auf ihren Arm.

"Das war so gut", sagt Hannah, "ich bin fast gekommen."

Wer bei dieser Szene lachen muss, weiß, worum es geht. Und das Ganze hat auch einen Namen: Der Orgasm Gap.

Für Frauen ist diese Erfahrung bei heterosexuellem Sex nichts Seltenes. In einer Studie von 2009 der Indiana University wurden mehr als 6.000 US-Amerikaner*innen zwischen 21 und 65 Jahren nach ihren jüngsten sexuellen Erlebnissen befragt. Dabei gaben 91 Prozent der Männer an, einen Orgasmus erlebt zu haben. Doch nur 64 Prozent der Frauen waren gekommen. Männer kommen ein Drittel häufiger als Frauen. Das ist der Orgasm Gap in Zahlen.

Männer kommen, Frauen eher weniger

Wer das ungerecht findet, dem wird es oft als leider-nicht-zu-änderndes "Is' so" erklärt. Frauen könnten halt nicht so schnell kommen. Frauenkörper seien halt so kompliziert. Und außerdem, ist es Frauen überhaupt so wichtig, zu kommen?

Nun. Fangen wir mal von vorne an.

Frauen können schnell kommen. Und zwar genauso schnell wie Männer. Studien über Masturbation haben gezeigt, dass Männer und Frauen etwa gleich lange brauchen, um zum Orgasmus zu kommen: Im Schnitt knapp vier Minuten. Gewusst wie, eben. Das zeigte eine weitere Studie der Indiana University. Dort wurde untersucht, wie häufig Frauen beim Sex mit anderen Frauen zum Klimax kommen. Da liegt die Wahrscheinlichkeit bei knapp 75 Prozent.

Schlafen Frauen mit Frauen, ist die Wahrscheinlichkeit für sie am höchsten, einen Orgasmus zu bekommen

Die Autor*innen der Studie machen dafür eine größere Vertrautheit mit dem weiblichen Körper verantwortlich, sie schreiben: "Frauen, die sich selbst als lesbisch bezeichnen, sind vertrauter mit dem weiblichen Körper und können so, zumindest im Durchschnitt, auch ihre Partnerin besser zum Orgasmus bringen". Gewusst wie, eben.

Frauen können also schnell und auch häufig kommen. Wie also lässt sich der Orgasm Gap denn nun erklären?

Die Soziologin Lisa Wade hat in einer Umfrage unter Studentinnen untersucht, wie viel Frauen selbst über ihren Körper wissen. Genauer: über ihre Klitoris. Dabei fand sie heraus, dass Frauen, die ihre Klitoris gut kannten, auch bei der Selbstbefriedigung regelmäßig kamen. Frauen, die weniger gut Bescheid wussten, konnten sich auch selbst nicht so gut zum Höhepunkt bringen.

So weit, so nachvollziehbar. Aber wenn es um Sex mit einem Mann ging, nutzte den Klitoris-Expertinnen ihr Wissen auf einmal nichts mehr. Denn dann hatten sie die fast gleich niedrige Orgasmus-Rate wie die Klitoris-Amateurinnen. Obwohl sie also eigentlich eher wussten, wie sie zum Orgasmus kamen, konnten sie dieses Wissen beim Sex mit einem männlichen Partner nicht nutzen. Sie kamen genauso wenig wie die Klitoris-Amateurinnen. Es lässt sich also annehmen, dass Frauen dieses Wissen dem Partner gegenüber einfach nicht vermitteln.

Lust wird gemacht: der Spritz-Imperativ

Der Orgasm Gap hat also nichts mit komplizierten Vaginen zu tun. Schuld daran ist vielmehr das, von dem wir glauben, dass es uns zusteht. Wer den Orgasmus auf jeden Fall bekommt und wer nicht. Und wer ihn einfordern darf und wer nicht. "Ich mag, was Du machst", sagt Hannah. Und sagt dabei eigentlich nichts anderes als: Hauptsache, Du kommst.

Denn wir haben gelernt, dass die männliche Lust wichtiger ist. Das zeigt sich schon daran, was wir überhaupt Sex nennen und bestätigt dabei klassische Gender-Stereotype. Alles, was mit Penetration durch einen Penis zu tun hat, nennen wir Sex. Aber die Dinge, die zuverlässiger dafür sorgen, dass auch Frauen kommen? Oralsex? Fingern? Das nennen wir gemeinhin Vorspiel oder Petting. Und werten so auch ab, was sich zwischen zwei Frauen sexuell abspielen kann.

Wenn die Lust der Männer also zur Hauptsache wird, wird auch der männliche Orgasmus zum Default des Sex'. So kann sich der eine zufrieden auf die Seite rollen, während sich die andere noch überlegt, ob sie ihm endlich sagen soll, dass die Klitoris nicht ganz da ist, wo er sie vermutet.

Reden hilft

"Es tat ihm auch leid, dass er vor mir gekommen ist. Aber dann war der Sex trotzdem vorbei. Und ich habe mich gefragt, ob ich ihn mal bitten sollte, mich zu fingern. Aber das habe ich mich dann nicht getraut", erzählte mir eine Freundin. Warum eigentlich?

Klar, gerade bei Gelegenheitssex fällt es oft schwerer zu sagen, was man will. "Ich wollte dann auch nicht drauf bestehen, dass er mir etwas Gutes tut. Blöd eigentlich, ich weiß, aber ich wusste auch nicht, was das so war mit uns beiden. Dann habe ich eben nichts gesagt". Was meine Freundin berichtet, ist typisch für den Orgasm Gap.

Es gibt auch Zahlen, die das belegen. Denn die Orgasmus-Rate steigt bei Frauen deutlich an, wenn sie in einer langfristigen Beziehung sind. Wenn sie sich sicherer fühlen und den Eindruck haben können, der Partner sei auch an ihnen selbst interessiert. Wenn es entspannter wird, über den Sex zu reden.

Frauen wollen kommen

Sex ist kein Wettbewerb. Und es geht beim Sex auch nicht nur um Orgasmen. Aber der Orgasm Gap ist trotzdem ein Problem. Denn er zeigt, dass es zwischen Männern und Frauen ein großes Missverhältnis im Bett gibt. Ein Lust-Missverständnis.

Denn Frauen haben nicht nur Sex, weil sie jemandem mal tief in die Augen schauen und nachher in den Arm genommen werden wollen. Frauen wollen kommen. Und sollten das auch sagen. Wie eine andere Freundin von mir, die da ganz pragmatisch ist: "Ich habe da kein Problem mit, ich sag ihm einfach, dass er mich lecken soll. Nur durch Penetration komme ich eigentlich nie."

Also: "Was magst Du?" Darauf sollten Frauen öfter eine ehrlich Antwort geben. Denn die eigene Lust zu verstecken macht doch keinen Sinn, man ist ja nicht einfach so nackt mit jemandem zusammen. "Ich mag, was du machst"? Wenn Frauen so weiter machen, kommen sie halt auch weiterhin immer nur fast.Merken

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