Im Alltag kommt es meist unerwartet. Wir fühlen uns missverstanden, verletzt, nicht respektiert: Wir geraten für einen Moment aus der Fassung – können uns nicht mehr steuern. Uns wird kurz heiß, Wut flammt reflexhaft, uns kommen zerstörerische Gedanken. Wir werden aggressiv.

Von "Aggression" sprechen Psycholog*innen und Verhaltensforscher*innen dann, wenn es um ein "Verhalten mit Schädigungsabsicht" geht. Sprich: Ein Mensch ist per Definition nur dann "aggressiv", wenn er einem Gegenstand oder einer Person absichtlich Schaden zufügen will. Man geht gemeinhin davon aus, dass aggressive Tendenzen sich in uns evolutionär entwickelt haben.

Aber wie entsteht diese Emotion? Und können wir sie verhindern?

Aggression ist evolutionär bedingt

Kurz: Nein, können wir nicht. Die Erklärung, warum es Aggression überhaupt gibt, ist ernüchternd: "Es ist ein angelerntes Verhalten", erklärt die Sozialpsychologin Barbara Krahé von der Universität Potsdam. Sie erforschte Aggression in ihrem Buch The social psychology of aggression von 2013. Kinder etwa bekommen Aggression schon in der Erziehung durch das Prinzip "Belohnung und Bestrafung" beigebracht. "Dadurch werden sie bekräftigt und sehen: Mit aggressivem Verhalten kann man sich durchsetzen."

Durch Beobachtung wird diese Annahme noch bestärkt, erklärt Krahé. "Wir beobachten ja quasi laufend aggressives Verhalten, wenn wir Medien konsumieren, in denen Gewalt gezeigt wird." Wir erwerben Aggressionspotenzial durchs Zusehen. Zuletzt sahen wir zum Beispiel durch die massive Berichterstattung über Donald Trump ständig aggressive Sprache. So wird Aggression unterbewusst gelernt.

Die Intensität, mit der wir mit Aggression in unserem Alltag und in unserer Erziehung konfrontiert werden, entscheidet aber letztlich, wie hoch unser Aggressionspotenzial ist. Menschen, die in Familien und Umfeldern aufwuchsen, in welchen durch Aggression Stärke und Erhabenheit demonstriert wurde, neigen eher dazu, schnell aggressiv zu werden. Andererseits werden Menschen, in deren Familien Meinungsverschiedenheiten kooperativ und konstruktiv ausdiskutiert wurden, weniger schnell aggressiv.

In der Forschung wurde schon viel darüber gestritten, welchen Anteil unsere Gene daran tragen. "Sicher haben unsere Gene etwas damit zu tun, aber die Frage nach dem 'Wie viel?' ist nicht so simpel zu beantworten", sagt Krahé. Erforschen könne man das, indem man eineiige und zweieiige Zwillinge miteinander vergleiche: Wenn eineiige Zwillinge sich in ihrem aggressiven Verhalten mehr ähneln als zweieiige, spricht das für eine Rolle der Gene. Denn eineiige Zwillinge teilen sich alle Gene.

"Allgemein kann man sagen, unsere Aggression kommt durch unsere Umwelt und einen Teil durch Veranlagung zustande", sagt Krahé. Wir selbst können das also zunächst nicht ändern. Vielmehr muss sich die gesamte Gesellschaft verändern und friedfertiger werden, um dieses destruktive Verhalten aufzulösen. Man selbst sollte Aggression nie belohnen, auch nicht durch Aufmerksamkeit – und sie niemandem zeigen, wenn sie in einem aufkommt. So könnten wir diese Evolution der Aggression langsam wieder umkehren.

Wie werde ich weniger aggressiv?

Aber, Aggression existiert jetzt nunmal. "Jeder Mensch erlebt hin und wieder Aggression oder wurde zumindest schon einmal aggressiv", sagt Krahé. Wie können wir daraus etwas lernen? Und wie besänftigen wir uns, wenn es so weit ist? Drei Schritte:

  1. Selbstreflektion: Jedes Mal, wenn wir aggressiv gehandelt haben, müssen wir uns im Nachhinein fragen, woher das kam. "Aggression entsteht in den meisten Fällen durch Frust und Stress, beispielsweise im Job", sagt Krahé.
  2. Ärger kontrollieren lernen: "Wir können uns unseren Ärger abtrainieren." Dazu könne man sich angewöhnen, nach dem ersten aggressiven Impuls sofort langsam von eins bis zehn zu zählen. Auch Ablenkung wirkt, wenn wir uns etwa schnell an etwas Positives erinnern und verstärkt daran denken.
  3. Konsequenzen ziehen: Abschließend können wir genau beobachten, was uns in der jeweiligen Situation Ärger bereitete – und sie dann künftig umgehen oder das Problem lösen und aus der Welt schaffen.

Aus dem Wissen heraus, dass wir nicht wirklich etwas dafür können, wenn wir hin und wieder einen aggressiven Impuls spüren, können wir besser auf uns selbst reagieren – und versuchen, dem entgegen zu wirken.Merken