Endlich Sommer: Die Schwimmbäder und Badeseen füllen sich, Eisdielen wagen sich an experimentelle Kreationen und überall duftet es nach Gegrilltem. Die Grillsaison könnte so schön sein – wenn da nicht die Sache mit der Selbstinszenierung wäre. Ich meine, hey, ist schon okay, wenn man von sich mit Sonnenbrille im Haar und Eis in der Hand am See ablichtet und es mit der Welt teilt, aber muss das auch bei der Nahrungszubereitung sein – sprich: beim Grillen?

Damit es keine Missverständnisse gibt: Grillen ist super. Am besten Gemüse, Grillkäse oder Fleisch aus artgerechter Haltung. Was allerdings nervt ist die Tatsache, dass aus einem eigentlich sehr einfachen und deswegen so geschätzten Vorgang, Feuer machen – Nahrungsmittel darüber packen – wenden – fertig, mittlerweile eine regelrechte Zeremonie veranstaltet wird.

Wann genau der Zeitpunkt war, ab dem um das Grillen so ein riesen Bohei gemacht wurde, ist nicht ganz klar. Klar ist aber, dass seitdem überall und fast das ganze Jahr über gegrillt wird. Und das oftmals nicht einfach nur so, nein. Es muss gerne mal der 800 Euro teure Gasgrill sein, mit allem Schnickschnack ausgerüstet und von vielen besser behandelt als das Fleisch, das sie aufs Rost packen.

Toxische Männlichkeit am 800-Euro-Grill

Wenn man dann einen der äußerst gewollt männlich wirkenden Grillmeister auf den Grill anspricht, kommt oft nur "das ist einfach geil", gefolgt von einer regelrechten Tirade an hard- und funfacts rund um das Thema Grillen. Dinge, die man weder wissen will, noch unbedingt wissen muss. Grillen ist zum Sportwagen des kleinen Mannes geworden. Nicht ganz so teuer, aber mindestens genauso Instagram-tauglich. Und wehe, man packt dann beim nächsten gemeinsamen Abend den einfachen Holzkohlegrill aus.

Nach dem Fachgesimpel folgt meist ein Fotoshooting aus allen möglichen Winkeln. Was die Babyfotos eines Helikopterpaares sind, sind dem Instagriller Bilder von drapiertem Grillgut und seinem technischen Heiligtum. Im besten Fall als Selfie, mit Hightech-Grillzange in der muskulösen Hand. Doch damit nicht genug: Neunmalkluge Sprüche gehören zu so einem Bildervortrag, wie die Pelle zur Wurst. Dabei wird schnell klar, dass die meisten Grillgötter im Grunde genommen keine Ahnung haben. Fragt man nämlich etwas expliziter nach, hört man nur immer wieder das Marketingblabla des jeweiligen Grillherstellers – funktioniert im Übrigen auch, wenn man "Grill" durch "Sportwagen" ersetzt.

Wintergrillen, Indirektes Grillen und die Suche nach dem perfekten Garpunkt

Wäre es nicht einfach schön, seinen Grillkäse, das Steak oder den Gemüsespieß einfach auf ein 08/15-Gerät zu legen, nebenbei ein Bier oder eine Cola zu trinken und sich darüber zu freuen, wenn ausnahmsweise mal nichts verkohlt? Das ist doch genau das, was Grillen ausmacht: Die Spielerei mit der Unvorhersehbarkeit. Wie oft haben wir uns schon gedacht "Oh, das Würstchen sollte aber noch einmal drauf" und voll Spannung daneben gestanden, bis es die perfekte Knackigkeit hatte. Dank Grillthermometer, indirektem Grillen und allerlei weiterem Firlefanz ist es nun nur noch schwer möglich, sein Grillgut zu verhunzen. Das ist einerseits natürlich toll, andererseits wird Grillen dadurch auch langweilig.

"Niemals", hört man nun schon den versierten Weber-Jünger schreien, "das ist doch alles voll anspruchsvoll". Nein, ist es nicht. Nicht mit einem ganz normalen Grill und erst recht nicht mit einem Hightech-Gerät. Und gerade darum wirkt dieser riesige Aufruhr so daneben.

Außerdem: Hört bitte auf von Angrillen und Wintergrillen zu reden. Grillen gehört in den Sommer. Wobei man schon schmunzeln muss, wenn man, vor allem Männern, dabei zusehen darf, wenn sie bei Temperaturen um den Gefrierpunkt stolz auf der Terrasse stehen und sich an der Grillzange festklammern. Die Sehnsucht derer ist dann zu der Jahreszeit besonders hoch, sich wieder hineinzugegeben und genüsslich die Beef zu lesen. Für die neuesten Tipps zu Fleisch, Marinade und Hightech-Modellen für das nächste Frühjahr.

Die Krux: Teurer Grill, billiges Fleisch

Was schlussendlich aber so richtig bescheuert ist, ist nicht, dass Instagram nun voller hergerichteter Grillteller ist, sondern etwas ganz anderes: Wenn man sich schon einen überteuerten Grill leistet, ist es nur sehr schwer zu verstehen, warum viele dann aber auf billiges Fleisch setzen. 800 Euro für einen Grill und das Zubehör – kein Problem, aber für ein Steak einen angemessenen Preis zahlen? Eher nicht.

Das fühlt sich nicht nur falsch an, sondern ist es auch. Das Maß stimmt einfach nicht. Egal ob bei der Wahl des Grills und dem Gegensatz zu oftmals im Discounter gekauften Grillgut, oder dem Aufwand, der betrieben wird, um das ganze richtig in Szene zu setzen. Deswegen sollte der Appell lauten: Back to the roots! Gute Grillwürstchen im Park auf dem günstigen Kugelgrill schmecken eh viel besser.

Außerdem auf ze.tt: Wir wissen jetzt endlich, welcher der beste Ketchup ist