Es ist so weit. Wochen nachdem sich alle zu Mesut Özil geäußert haben, kommt jetzt auch Toni Kroos: "Ich denke, dass er selbst weiß, dass es Rassismus innerhalb der Nationalmannschaft und des DFB nicht gibt", sagt er. Ähnliche Aussagen hatten bereits Manuel Neuer und Thomas Müller getroffen. Aber woher wollen weiße, mitteleuropäische Fußballer wissen, was Rassismus ist und was nicht?

Genauso wenig wie Neuer oder Müller läuft Kroos in Deutschland kaum Gefahr, Opfer von rassistischen Anfeindungen zu werden. Das liegt in erster Linie daran, dass sein Äußeres (blond, helle Augen und weiße Haut) in großen Teilen der Gesellschaft selbstverständlich als deutsch wahrgenommen wird. Bei Mesut Özil ist das anders.

Was Kroos mit seinen Aussagen bewirkt

Auch, dass Özil seinen Rassismus-Vorwurf nicht auf den gesamten DFB oder die Mannschaft bezogen hat, blenden Neuer, Müller und auch Kroos völlig aus. So richtete sich Özils Klage doch in erster Linie an die Person Reinhard Grindel, seines Zeichens Politiker, Journalist und eben auch Präsident des DFB.  Kein schlechter Punkt, immerhin hatte sich Grindel in der Vergangenheit vermehrt durch seine Aussagen klar gegen eine migrationsfreundliche Kultur in Deutschland ausgesprochen. Eine Kultur, für die genau Mesut Özil ja über Jahre hinweg Vorzeigecharakter gehabt haben soll. Eben solange, bis er sich einen Ausreißer leistete und seine Identität sowie sportliche Fähigkeiten infrage gestellt wurden.

Dass man das Erdoğan-Bild nicht als harmlosen Jungenstreich abtun kann, ist klar. Man sollte darüber diskutieren, muss es vielleicht sogar verurteilen. Aber es rechtfertigt in keiner Weise Rassismus ihm gegenüber oder eine Verharmlosung, wie Kroos sie nun betreibt. Dieser klingt aber vor allem gekränkt. Vielleicht weil sein Mittelfeldpartner, der ja eigentlich immer ein "lieber Kerl" gewesen ist, ihm jetzt nicht mehr auf dem Platz assistiert und aus Reih und Glied tanzt. Vielleicht aber auch, weil er ihm eine gewisse Undankbarkeit unterstellt. Frei nach dem Motto, Özil solle sich eben nicht so haben und nicht so einen "Quatsch" erzählen, immerhin haben sie über Jahre zusammen Erfolge gefeiert. Das mag aus der priveligierten Sicht von Kroos so sein.

Es muss möglich sein, sich als Betroffene*r über Rassismus zu äußern, ohne direkt als unglaubwürdig dargestellt zu werden. Nichts anderes tut Kroos, indem er Özil eine Behauptung in den Mund legt, dieser wüsste schon Bescheid, wie es beim DFB ablaufen würde und wie nicht.

Özils persönliche Gefühle und Erfahrungen tut Kroos damit als Befindlichkeiten ab. Mit dieser Haltung bleibt die Migrationsdebatte in Deutschland ein Trauerspiel und Rassismus salonfähig.

Transparenzhinweis: In einer vorherigen Version fehlte der Begriff "Betroffene*r". So entstand der Eindruck, der Autor würde verallgemeinern.