Der Nachbar fährt mit seinem neuen Auto vor oder die Kollegin ist befördert worden. Den eigenen Status mit dem der anderen abzugleichen, gehört zur menschlichen Natur. Leider kommen wir bei den sozialen Vergleichen nicht immer so gut weg, wie wir hoffen. Die Folge ist Neid.

Nach den US-amerikanischen Psychologen Parrott und Smith entsteht Neid vor allem dann, wenn es einer Person an einer Eigenschaft, Leistung oder Errungenschaft mangelt, die eine andere besitzt. Daraus resultiert der Wunsch das Objekt oder Attribut der Begierde entweder selbst haben zu wollen oder, dass die andere Person über dieses genauso wenig verfügt wie wir. Je enger das Gewünschte dabei mit unserem Selbstwertgefühl verknüpft ist, desto neidischer werden wir. Konkret bedeutet das: Wenn ich lieber mit dem Fahrrad unterwegs bin, wird mich das neue Auto des Nachbars nicht im Geringsten stören. Bin ich jedoch der Meinung, dass mir die Beförderung der Kollegin genauso zusteht, weil wir beide seit der gleichen Zeit im selben Unternehmen arbeiten, ist das Aufkommen von Neidgefühlen schon viel wahrscheinlicher.

Generell tritt Neid häufiger auf, wenn wir uns mit ähnlichen Menschen vergleichen. Spielen wir Fußball auf Kreisklassenniveau, ergibt es wenig Sinn, sich mit den Fußballkünsten von Cristiano Ronaldo zu messen. Der US-amerikanische Sozialpsychologe Richard Smith spricht von einer empfindlichen Störung unserer "psychologischen Balance", wenn eine uns ähnliche Person einen Vorteil erlangt. Wir fühlen uns ungerecht behandelt und es beginnt in uns zu brodeln.

Neid ist nicht gleich Neid

Als wäre es nicht genug, dass Neid zu den sieben Todsünden gehört, zieht er – egal, ob Literatur oder Theater – eine Spur der Verwüstung hinter sich her. In unserer Gesellschaft ist Neid keine Eigenschaft, die man sich gerne auf die Fahne schreibt. Jede*r von uns hat mit Sicherheit schon einmal neidvolle Gedanken verspürt. Haben wir das in der Situation auch zugegeben? Vermutlich nicht. Doch warum fällt uns das so schwer?

Uns wird von klein auf beigebracht, dass Neid sozial unerwünscht ist und das gilt erst recht im Erwachsenenalter. In unserer hyggeligen Blase gehen wir achtsam mit uns und unseren Mitmenschen um. Für Neid mitsamt seinem negativen Image ist da kein Platz.

Statt so zu tun, als würden wir keinen Neid empfinden, nutzen wir ihn besser als eine Art Bestandsaufnahme."

Zum Glück gibt es Forscher wie Niels van de Ven. Der Niederländer konnte 2009 in einer Studie belegen, dass Neid nicht das universelle Konstrukt ist, als das es bisher in der Forschung betrachtet wurde. Van de Ven postuliert, dass es zwei verschiedene Formen von Neid gibt: einen gutartigen, konstruktiven (benign envy) und einen boshaften, destruktiven Neid (malicious envy). Beiden Neidarten liegen dieselben negativen Ausgangsgefühle zugrunde, lediglich der Umgang mit ihnen unterscheidet sich. Bei einem sozialen Vergleich entsteht eine Lücke zwischen zwei Personen. Den betreffenden Abstand zu verringern, gelingt auf zwei unterschiedliche Arten: Entweder schließen wir selbst zu der Person auf, die wir beneiden oder wir versuchen, sie auf unser Level hinabzuziehen. Für welche Variante wir uns entscheiden, hängt von der Art des Neids ab. Verspüren wir gutartigen Neid, nutzen wir diesen, um uns selbst zu verbessern. Wir arbeiten härter, um auch eine Beförderung im Job zu erreichen, oder lernen mehr, um eine gute Note in der anstehenden Prüfung zu bekommen. Geben wir der destruktiven Form nach, lassen wir uns unter Umständen zu unlauteren Mitteln hinreißen, um dem*r Beneideten zu schaden.

Zu welcher Art von Neid wir tendieren, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. In einer Situation, die wir als gerecht und kontrollierbar empfinden, tendieren wir leichter zur gutartigen Form. Wenn wir uns selbst zutrauen, die Fähigkeiten zu besitzen mit unserem Gegenüber gleichzuziehen, dann nutzen wir mit hoher Wahrscheinlichkeit die sich uns bietende Chance zur Selbstverbesserung. Nehmen wir unsere Ausgangssituation hingegen als aussichtslos wahr, haben destruktive Gedanken ein leichteres Spiel. Das Gleiche gilt für die wahrgenommene Gerechtigkeit. Halten wir die Beförderung der Kollegin für verdient und gerecht, dann verspüren wir als Folge in der Regel positiven Neid.

Auf der Forschung von van den Ven aufbauend, fanden die Sozialpsychologen Jan Crusius und Jens Lange heraus, dass auch unsere Aufmerksamkeit von der Art des Neides geleitet wird. Bei konstruktivem Neid fokussieren wir uns stärker darauf, was wir erreichen wollen und welche Schritte erforderlich sind, um ans Ziel zu gelangen. Bei der negativen Form von Neid bündeln wir jedoch unsere Aufmerksamkeit auf die Person, was nichts bringt, außer eine Menge schlechter Laune im günstigsten Fall.

Ein klares Ja zu positivem Neid

Aufgrund der neueren Forschung wird es also Zeit, dass der Neid aus der Schmuddelecke der Gefühle geholt wird. Jede*r von uns ist hin und wieder neidisch – und das ist auch gut so! Statt so zu tun, als würden wir keinen Neid empfinden, nutzen wir ihn besser als eine Art Bestandsaufnahme. Wir stellen uns diesem Gefühl und fragen uns zuallererst, warum wir genau neidisch sind. Stecken wir vielleicht an einem Punkt in unserem Leben, den wir gar nicht so gewollt haben und sich schon längst nicht mehr so gut anfühlt. Positiver Neid bietet eine Chance für das Selbst. Wir nehmen das Leben genauer unter die Lupe und suchen nach Möglichkeiten und Alternativen unserem Ideal-Ich näher zu kommen.

Jede*r von uns ist hin und wieder neidisch – und das ist auch gut so!

Wer sich genauer mit dem Thema Neid beschäftigt, kommt nicht um die sozialen Medien herum. Heute ist es viel einfacher, neidisch zu sein, als noch vor ein paar Jahren. Früher kam Neid vor allem bei Dingen auf, die die Existenz sicherten. In unserem digitalen Zeitalter gibt es Neidgedanken an jeder Ecke to go. Im Gegensatz zu vergangenen Zeiten kannten sich die meisten Menschen im Dorf oder der Stadt persönlich. Sowohl Herkunft, Beruf und sozialer Stand waren klar.

In der Anonymität von heute trifft das so nicht mehr ganz zu. Über soziale Medien können wir uns mit Fremden vernetzen, ohne den genauen Background zu kennen. Für eine erste Einschätzung verlassen wir uns daher in der Regel auf das, was wir sehen.

Vor allem bei Instagram und Facebook heißt es wohl besser: Wir müssen uns auf das verlassen, was wir gezeigt bekommen und schließen daraus auf einen möglichen Status. Die Kehrseite der sozialen Medien besteht darin, dass das Leben bei anderen sehr leicht schöner, besser und erfolgreicher aussieht als bei uns selbst. Ein sozialer Vergleich fällt schnell mal zu den eigenen Ungunsten aus. Hier hilft nur, sich immer wieder zu vergegenwärtigen, dass auch bei den anderen die dreckige Wäsche am Bildrand liegt.