Oxford ist mit seiner weltberühmten Universität ein Ort akademischer Exzellenz und somit ein Sprungbrett für diejenigen, die dort studieren, lehren und sprechen. Was diesen Ort so besonders macht, sind die intellektuellen Debatten und die Menschen, die ihre Ideen dort teilen. Das ist nicht nur die Friedensnobelpreisträgerin Malala, die aktuell in Oxford studiert. So gut wie alle berühmten Denkerinnen und Denker kommen irgendwann hierher, um Reden zu halten und Denkanstöße zu geben.

Viele tun dies in der Oxford Union. Sie ist neben der Cambridge Union der wohl prestigeträchtigste Debattierklub der Welt. Hier sprechen für gewöhnlich Menschen wie der Dalai Lama, der Astrophysiker Stephen Hawking oder die Frauenrechtlerin Gloria Steinem. Das Ansehen der Union legitimiert und unterstreicht die Standpunkte ihrer Gäste. Offiziell ist die Oxford Union unabhängig von der Universität Oxford. Doch da nur Studierende der Universität Oxford überhaupt vollwertige Mitglieder der Union werden dürfen, wird das Komitee der Union von Studierenden der Universität gestellt. Beide Institutionen sind somit eng miteinander verzahnt. Auch wir sind eigentlich stolz darauf, Mitglieder der Oxford Union zu sein.

Eigentlich. Im Jahr 2015 lud die Union Marine Le Pen als Rednerin ohne Gegenposition ein. Wir protestierten. Dennoch verließ Le Pen an diesem Tag mit stolzem Haupt die Union, wo sie ihre rassistischen Ansichten teilen durfte. Der Auftritt legitimierte ihren Hass von einer Institution, die in ihrem Ansehen nahezu unangefochten ist.

Und nun macht die Union wieder denselben Fehler. Sie will einer Repräsentantin einer rechten Partei, deren Agenda auf Hass, Rassismus und Ausgrenzung basiert, eine Plattform geben. Am 7. November soll Alice Weidel bei der Union sprechen. Ohne Gegenposition. Und ohne die notwendigen Hintergrundinformationen.

Das Recht zur freien Meinungsäußerung ist nicht dasselbe wie das Recht auf eine Plattform.

Im Ankündigungstext wird Weidel als "prominente Kritikerin" der Regierung Merkel bezeichnet. Weiterhin sei sie dafür bekannt, sich sehr offen über Themen wie die "Flüchtlingskrise" und "traditionelle, soziale Werte" zu äußern. Die Union verschweigt, dass mit Weidels Partei, der Alternative für Deutschland, zum ersten Mal seit dem Ende des Nationalsozialismus eine rechtspopulistische Partei im deutschen Bundestag sitzt. Eine Partei, die den Schulterschluss mit rechtsextremen Bewegungen nicht scheut. Deren Mitglieder regelmäßig den Holocaust klein reden.

Als Absolventinnen und Studentinnen der Universität Oxford und als Mitglieder der Oxford Union sprechen wir uns gegen Weidels Auftritt in der Union aus. Das wichtige Recht auf freie Meinungsäußerung schützt Menschen vor Strafverfolgung. Es bedeutet aber nicht, dass wir dem Hass von Weidel eine Plattform geben und ihn ertragen müssen. Das Recht zur freien Meinungsäußerung ist nicht dasselbe wie das Recht auf eine Plattform. Weidels Hass verdient diese Plattform nicht.

Nun wird es Gegenstimmen geben, die uns vorwerfen, wir würden im Sinne der politischen Korrektheit Sprechverbote ausüben und die Redefreiheit einschränken. Alice Weidel müsse in der Union sprechen dürfen, sie vertrete schließlich eine Meinung und einen Teil der deutschen Wähler*innen. Eine Debatte ermögliche erst den Austausch von Meinungen – und auch den Widerspruch.

Dieses Argument greift jedoch zu kurz. Denn die Veranstaltung ist keine Debatte. Weidel und ihrer Meinung wird als Gast der Oxford Union eine Plattform ohne Kritik gegeben. Das ist eine bewusste Entscheidung der Union, die sich sonst mit ihren formellen Debatten schmückt.

Schon jetzt hat die Union dazu beigetragen, dass Weidel als Siegerin hervorgehen und Rechtspopulismus gestärkt wird.

Auch die Auseinandersetzung mit rassistischen und menschenverachtenden Aussagen ist alles andere als ein normaler Austausch von Meinungen. Laurie Penny – ebenfalls Oxford-Absolventin – schrieb vor Kurzem, dass in solchen Situationen nur die Rechten gewinnen können: Lässt man sie nicht sprechen, präsentieren sie sich als Opfer; lässt man sie sprechen, legitimiert man deren Hass und Rassismus. Weidel wird zurück in den Bundestag kommen und sich mit dem Auftritt in Oxford rühmen. Diese große Bühne bekommen diejenigen, die unter dem Hass und der sprachlichen Gewalt von Weidel und Co leiden, nicht.

Für dieses Dilemma ist die Oxford Union verantwortlich. Schon jetzt hat die Union dazu beigetragen, dass Weidel als Siegerin hervorgehen und der Rechtspopulismus gestärkt wird. Weidel wird es in Oxford nicht um Inhalte gehen, sondern lediglich um die Plattform, die die Oxford Union ihr so gerne gibt.

Wir stellen uns der Einladung Weidels in die Oxford Union nicht nur entgegen, weil wir für etwas einstehen: Wir ergreifen hiermit das Wort für Grundrechte, für Solidarität und für Europa.

Wir müssen jetzt den Anfängen wehren. Gerade in Oxford, dem Ort, der für seine akademische Exzellenz bekannt sein sollte – und nicht dafür, dass er rassistischen Ansichten eine Plattform gibt. Denn Worte werden zu Taten. Das wissen wir aus der Geschichte – die Geschichte, deren Brutalität Weidel und ihre Parteifreund*innen leugnen. Das wichtige Recht auf freie Meinungsäußerung schützt Menschen vor Strafverfolgung. Es bedeutet aber nicht, dass wir dem Hass von Weidel eine Plattform geben und ihn ertragen müssen – schon gar nicht ohne Gegenrede.

Den Offenen Brief der Studierenden gibt es hier.