"Ich habe jemanden kennengelernt."

"Echt? Und?"

"Hm, ich weiß nicht. Der ist halt grad aus einer langen Beziehung raus."

"Puh. Oh. Nee. Lass mal. Riesengepäck."

"Ja, ich weiß. Ach, schade."

So ähnliche Dialoge gab es in meinem Bekanntenkreis unzählige Male. Mit wachsender Lebenserfahrung weiß man irgendwann: Jemand, der*die gerade eine Beziehung hinter sich hat, bringt wahrscheinlich Kummer und Probleme mit sich wie einen Schatten und ist oft noch nicht wirklich bereit und offen für etwas Neues.

Und doch gibt es Menschen, die sich von einer Beziehung in die nächste schwingen wie Affen von Ast zu Ast. Aber das geht nicht gut – jedenfalls meistens. Eine Expertin erklärt, wo mögliche Gefahren liegen und wie es besser funktioniert.

Warum ziehen Menschen von einer Beziehung in die nächste?

Sich frisch getrennt direkt mit der nächsten Person einlassen – wieso tun Menschen das überhaupt? "Dahinter steckt oft Angst vor dem Alleinsein. Allerdings findet die im Unterbewusstsein statt, somit ist es den meisten gar nicht klar", sagt die Beziehungs-Expertin Birgit Natale-Weber. Auch wenn das durchaus nachvollziehbar ist: "Der Mensch ist ein soziales Wesen und nicht fürs Alleinsein gemacht. Deshalb ist die Angst davor so enorm groß", so Natale-Weber.

Doch wer sich vor dem Alleinsein fürchtet und deshalb unbedingt eine*n Partner*in braucht, läuft Gefahr, dass die neue Beziehung auf Abhängigkeit basiert und merkt es nicht mal. Birgit Natale-Weber: "Das Bewusstsein suggeriert: Toll, das ist der oder die Neue, bei der oder dem jetzt alles anders wird!"

Das allerdings klappt selten wie gedacht. Der Grund dafür ist ebenso simpel wie eindeutig: So lange wir nicht erkennen, was in der vorangegangenen Partnerschaft schiefgelaufen ist und uns selbst nicht ändern, ändert sich auch mit einem*einer neuen Partner*in nicht viel – wir wiederholen das Beziehungsmuster, halt nur in einer etwas anderen Variation.

Denn wenn wir nicht an unseren inneren Themen arbeiten, können wir nicht verstehen, was falsch gelaufen ist und warum – und erst recht nicht, was wir anders und besser machen können und wollen. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die alten Themen wieder auftauchen", warnt auch die Expertin. Von möglichen Restgefühlen mal ganz abgesehen.

Insgesamt also alles keine gute Voraussetzungen für Glück, Stabilität und Zufriedenheit.

Wer will schon ein Trostpflaster sein

Neben dem unbewussten Selbstbetrug ist ein weiteres Problem dabei, von einer Beziehung in die nächste zu flattern, dass die neuen Partner*innen oft als Trostpflaster – oder wie man heute sagt: als Rebound – dienen. Als Ablenkung, als Selbstbestätigung, als Egopolitur, Herzkitt und Stütze für den zersplitterten Selbstwert. Das ist nicht fair. Und bleibt meist auch nicht lange unentdeckt.

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Dabei gibt es in erster Linie zwei Typen von Trostpflastern. "Die eine Gruppe merkt es, spricht es auch an und verlässt den Partner oder die Partnerin, wenn er oder sie nicht einsichtig ist", sagt Birgit Natale-Weber. "Der zweite Typ hat Angst, niemanden mehr für eine Beziehung zu bekommen. Die finden sich eher mit der Situation als Trostpflaster ab."

In etwa nach dem Motto: So ein heißes Gerät angle ich mir nie wieder, da tue ich doch einfach mal so, als wäre mir das alles egal, verdränge alle sich abzeichnenden Probleme, heuchle eimerweise Verständnis, verbiege mich so sehr ich muss, und dann wird das schon irgendwie gut gehen!

Doch es gibt auch noch einen dritten Fall: Wenn beide frisch aus einer Beziehung kommen. Sie haben das gleiche Dilemma, ähnlichen Schmerz und halten sich oft aneinander fest. Total nachvollziehbar, aber eben trotzdem in den meisten Fällen nicht sonderlich gesund. Hallo, gegenseitige Abhängigkeit!

Liebe ist Arbeit, Arbeit, Arbeit

Schlauer und sinnstiftender ist es, die aufgelöste Partnerschaft vor einer neuen Beziehung erst mal gründlich zu verarbeiten. Dabei sei es laut Beziehung-Expertin wichtig, dass wir für uns selbst Klarheit schaffen: Welche Bedürfnisse wurden nicht erfüllt, was hat den Reiz dieser Partnerschaft ausgemacht? Was lässt sich daraus lernen? Und wo und warum hat sie vielleicht auch geschadet und Schmerz ausgelöst? "Wir müssen uns klar sein, warum wir diesen Menschen gewählt haben. Was wollten wir von ihm oder ihr, was er oder sie nicht geben konnte?", sagt Birgit Natale-Weber.

Wer jedoch nahtlos von einer Beziehung in die nächste gleitet, gibt damit seinem Selbst nicht genug Aufmerksamkeit, um etwas zu lernen. "Allerdings ist das für die Persönlichkeitsentwicklung wichtig. Wer das nicht weiß, fällt beim nächsten Mal wieder in den Brunnen", sagt Birgit Natale-Weber. Und bleibt als Mensch ein bisschen stehen.

Zu analysieren, welche Muster hinter einer Trennung stecken, wie sie sich künftig eher erkennen und abstellen lassen, kostet sehr viel Zeit, Mut und Kraft. "Gescheiterte Beziehungen decken Unzulänglichkeiten auf, die im besten Fall reflektiert werden sollten", erklärt die Beziehungs-Expertin. "Eigene Fehler zu beleuchten, ist aber unbequem."

Deutlich gemütlicher und leichter ist es hingegen, die aufgelöste Beziehung einfach abzuhaken, sich ein passendes Narrativ zu stricken und weiterzuziehen. Doch damit vergeben wir eine wichtige Chance auf Entwicklung und Wachstum.

Es gibt Ausnahmen, aber ...

Natürlich gibt es auch Ausnahmen, wie immer im Leben. Die Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Betreffenden an sich selbst ebenso arbeiten wie miteinander. "Wenn es beide mit ihren unterschiedlichen Vorgeschichten schaffen, über ihre Ängste und Bedürfnisse in der vorigen Beziehung zu sprechen – ohne Wut, Zwang oder Eifersucht –, wird das Erlebte gemeinsam verarbeitet und gibt Kraft und Stabilität für die neue Beziehung", sagt Birgit Natale-Weber.

Doch das ist eher selten der Fall. Häufiger ist es so, dass Menschen, die von einer Beziehung in die nächste übergehen, tatsächlich einen Batzen unbearbeiteter Probleme mitschleppen – Riesengepäck eben. "The best way to get over someone is to get under someone new", lautet ein Sprichwort. Auf dass die beste Antwort immer lautet: "The best way to get over someone is to get inside yourself."

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