Die WhatsApp-Nachricht kam aus dem Nichts. "Hey, wie geht's?" – geschrieben von einem Ex-Lover. Jemand, in den ich vor Äonen mal sehr verliebt war und von dem ich ewig und drei Tage nichts mehr gehört hatte. Mit einer kurzen Unterbrechung vor zwei Jahren – während der Schwangerschaft seiner Frau.

Ja, Corona bringt auch durch Zeit und Raum weit voneinander entfernte Menschen einander wieder näher. Man fragt sich, wie es ihm*ihr so geht und das ist nett. Was hingegen schwierig ist, sind so Sätze wie "Ich frage mich ja schon manchmal, wie es wohl gewesen wäre, wenn …" oder auch "Ich bin unzufrieden und würde so gern was ändern, aber ich kann ja nicht …"

Er ist nicht der einzige liierte Ex mit oder ohne Familie, der im Laufe der Jahre mal wieder die Fühler ausstreckt und sentimental wird. Ich kenne das auch aus dem Freund*innenkreis. Und obwohl der Kontakt zumindest in einem Fall gut und heilsam war, ärgert es mich inzwischen irgendwie, wenn sich Ex-Lieben wieder melden.

Denn bei genauerer Betrachtung geht es oft gar nicht um den*die Kontaktierte*n. Sondern vielmehr um das, was er*sie symbolisiert.

Eine krude Mischung aus Nostalgie, Reue, aufgegebenen Träumen und vertanen Chancen, vermeintlichen Möglichkeiten, Spannung im faden Alltag und allem, was damit zu tun hat; quasi ein bisschen Lebensgewürz mit einem Hauch Kummerkastentante. Uff.

Gründe, wieso sich ein*e Ex wieder meldet

Natürlich lässt sich das nicht verallgemeinern. Die Gründe, warum sich Jahre später ein*e Ex wieder meldet, können ganz unterschiedlich sein. "Viel hängt davon ab, wie lange man zusammen war, wie nah man sich war, wie lange das her ist und ob man seither Kontakt hatte", erklärt die Beziehungs- und Liebeskummerexpertin Elena Sohn.

Faustregel: Je länger die Funkstille und je geringer der Kontakt, desto wahrscheinlicher und größer der Anteil an Idealisierung der Vergangenheit. "Wenn sich jemand nach 15 Jahren plötzlich meldet, obwohl wir nie mehr gesprochen haben, und mir seine große Liebe offenbart, hat das mehr mit Projektion zu tun, als wenn ein Ex-Partner oder eine Ex-Partnerin von vor fünf Jahren, den oder die ich noch ab und zu spreche und dem oder der ich sehr nah war, das tut", sagt Elena Sohn.

Je länger die Funkstille und je geringer der Kontakt, desto wahrscheinlicher und größer der Anteil an Idealisierung der Vergangenheit.

Entscheidend dabei sei, ob und inwieweit dem*derjenigen klar ist, mit wem er*sie es in Wirklichkeit zu tun hat. Denn Menschen verändern und entwickeln sich. Und die Gläser der rosaroten Brille werden mit der Zeit so dick wie Colaflaschenböden.

Auch Sex kann logischerweise eine Rolle beim Melden aus dem Nichts spielen. "Es kommt vor, dass jemand sich so verhält, weil er oder sie einfach Lust auf Sex außerhalb der Beziehung hat und es mit der oder dem Ex immer toll war im Bett", sagt die Expertin. "Dann steckt nicht der Wunsch nach einem Zurück in die vergangene Beziehung dahinter." Sondern eher unerfüllte oder unartikulierte Bedürfnisse, Frust oder Lust oder alles zusammen.

Die große, alles erschütternde Erkenntnis, dass der*diejenige eigentlich das Beste war, was einem im Leben überhaupt passieren konnte, ist zwar eher selten, aber nicht komplett ausgeschlossen. "Es ist durchaus denkbar, dass jemand sich weiterentwickelt, Alternativen kennengelernt und die damalige Beziehung reflektiert hat – und nun erkennt, dass der oder die Ex eigentlich die große Liebe war", so Elena Sohn. "Das ist dann eine ganz andere Sache."

All diese Aspekte, einzeln oder in Kombination, können Gründe dafür sein, warum ein*e Ex sich wieder meldet. Elena Sohn plädiert für Gelassenheit bei plötzlicher Kontaktaufnahme: "Ich würde niemanden pauschal dafür verurteilen. Denn selbst, wenn jemand so handelt, weil er oder sie Ablenkung sucht, bedeutet das nicht, dass er mir bewusst schaden möchte, sondern, dass er*sie aus der eigenen Schwäche heraus handelt."

Es ist durchaus denkbar, dass jemand sich weiterentwickelt, Alternativen kennengelernt und die damalige Beziehung reflektiert hat – und nun erkennt, dass der oder die Ex eigentlich die große Liebe war.
Elena Sohn, Beziehungsexpertin

Unfair in alle Richtungen

Schon klar, die Midlife-Crisis zwickt und zwackt, der Alltag schlaucht. Es ist auch normal und okay, Entscheidungen zu hinterfragen, Lebenswege zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Und Schwäche ist menschlich.

Aber jemanden zu suchen, der*die außerhalb der Alltagsbeziehung Trost, Rat, Unterstützung, Aufregung und Ablenkung bietet – quasi eine ergänzende Annehmlichkeit – mag nachvollziehbar sein, ist aber selten fair. Und das betrifft alle Beteiligten.

Außerdem auf ze.tt: So sieht Liebe aus, wenn niemand hinschaut

Es ist unfair dem*der Kontaktierten gegenüber, weil unter Umständen falsche Hoffnungen und schlafende Hunde geweckt oder verheilte Wunden wieder aufgerissen werden.

"Es gibt die Fälle, in denen jemand dem oder der Ex sagt, dass er oder sie sich bitte nicht mehr melden möchte, weil das jedes Mal wieder aufwühlend ist, sich der oder die Ex aber nicht daran hält", sagt Elena Sohn. "Stattdessen klopft er oder sie immer mal wieder unverbindlich an, um sich zu vergewissern, dass immer noch Gefühle da sind – obwohl er oder sie diese Gefühle gar nicht verbindlich erwidern möchte. Das ist schwach und sehr egoistisch."

Es ist aber auch unfair sich selbst gegenüber. Weil es zwar einfacher sein mag, sich den*die Ex als Ergänzung, Ablenkung und Trost zu installieren, als eigene Bedürfnisse mit dem*der aktuellen Partner*in zu besprechen und Konflikte innerhalb der Beziehung zu lösen – man aber eine wichtige Chance für Wachstum und Entwicklung verpasst.

Vor allem ist es jedoch Dritten – also neuen Partner*innen – gegenüber unfair, wenn sie dabei hintergangen werden.

So geht's besser

Fairer, rücksichtsvoller und reifer wäre es, wenn statt der*dem Ex aus dem Nichts eine Nachricht zu schreiben die eigene Situation hinterfragt würde: Warum will ich ihm*ihr jetzt gerade wirklich schreiben – will ich echt wissen, wie es ihm*ihr geht? Welche Sehnsüchte, welche unerfüllten Bedürfnisse stecken eventuell dahinter? Was vermisse ich in meinem Leben und wie wichtig ist mir das? Ist mein Lebensweg noch der richtige und was würde es mich kosten, ihn zu ändern? Sollte ich an meiner Beziehung arbeiten, sie öffnen oder mich vielleicht lieber trennen?

Das sind anstrengende, schmerzhafte Fragen. Aber sie sind wichtig. Denn sie helfen dabei, den eigenen Kurs zu überprüfen und nötigenfalls zu korrigieren. Trotzdem tun sich viele Menschen schwer damit. Und es ist auch unbestreitbar schwierig, Konflikte und Mangelerscheinungen ehrlich mit dem*der aktuellen Partner*in zu besprechen, vor allem im aufreibenden Alltag.

"Viele Menschen sind auch im Erwachsenenalter noch in ihren Kindheitsmustern gefangen. Sie verhalten sich in einer Beziehung unbewusst überangepasst, weil sie denken, nur dann Liebe zu bekommen", erklärt Elena Sohn. "Häufig spielt auch Verlustangst eine große Rolle: Was, wenn mein Partner oder meine Partnerin sich trennt, wenn ich zeige, was ich wirklich brauche und möchte?"

Aber Beziehungen sind eben keine Annehmlichkeit, sondern Arbeit. Miteinander, aber vor allem an sich selbst.

Als Kontaktierte*r ist es laut Expertin im ersten Schritt wichtig, sich darüber klar zu werden, wie man emotional zur*m Ex steht. Gibt’s Herzklopfen beim Aufleuchten des Displays oder eher inneres Augenrollen? "Wenn man keine Gefühle mehr für den oder die Ex hat, kann man sich eigentlich entspannt anhören, was er oder sie möchte und meist ist es dann auch nicht schwer, eine klare Antwort zu finden", sagt Elena Sohn.

Schwieriger ist es hingegen, wenn man selbst emotional noch involviert ist. "Dann ist es wichtig, herauszufinden, ob man sich ein Zurück noch vorstellen kann – und vor allem, welches Potential dieses Zurück hätte", so die Expertin. Also, vorausgesetzt, ein Revival steht überhaupt zur Debatte.

Denn noch immer schwelende Liebe allein ist nicht die einzige Voraussetzung für eine funktionierende und glückliche Beziehung, sagt Elena Sohn: "Vielmehr ist es zum Beispiel wichtig, dass man als Paar gut und respektvoll mit Konflikten umgeht oder dass beide bereit sind, an ihrer Partner*innenschaft zu arbeiten."

Vor allem aber müssen sich beide eins brutal ehrlich klarmachen: Die Beziehung ist dereinst aus guten Gründen gescheitert. Wie wahrscheinlich ist es, dass das diesmal besser klappen würde? Und was wären beide bereit, dafür zu tun? "An dieser Stelle scheitern meiner Erfahrung nach die meisten solcher Vorstöße", sagt die Expertin, "denn oft zeigt sich schnell, dass die alten Muster unverändert sind."

Ist das noch Liebe oder kann es weg?

Egal, warum sich auch Jahre später dein*e Ex wieder meldet – wichtig ist, dass du bei dir bleibst und dich möglichst nicht aus der Bahn werfen lässt. Weder von Herzklopfen noch von aufwallendem Groll. Irgendwie mochtest du diesen Menschen ja mal ganz gern und auch, wenn eure Zeit aus Gründen vorbei ist: Ein bisschen Nachsicht ist okay.

Antworten musst du übrigens nicht, wenn du nicht magst. Oder du kannst dich kurz und sachlich fassen. Du musst ihn*sie aber auch nicht zwangsläufig blocken und verfluchen – so lange es sich im Rahmen bewegt und du dich nicht bedrängt fühlst.

Und selbst, wenn er*sie nicht an sich arbeitet und nicht weiß, warum er*sie dir schreibt und was er*sie damit auslöst – du kannst dessen ungeachtet sehr wohl in dich gehen und die Gelegenheit nutzen, um noch mal kurz dein Herz auszumisten.

Denn manchmal ist so eine kurze, zweite Runde auch nötig, um endgültig Abschied nehmen zu können und noch mal deutlich zu sehen, dass und warum er*sie nicht der*die Richtige war.

Hier findest du noch mehr Texte zum Thema Liebe und Beziehung: