"Was wir dir alle so sehr wünschen, das weißt du ja: einen Mann!" So klangen die Glückwünsche beim 30. Geburtstag meiner Lieblingstante. Das war 1998. Zu einer Zeit, als gerade Sex and the City die Bildschirme eroberte und Carrie für ihre Legitimation als 35-jährige Single-Frau in New York kämpfte.

Heute ist dieses Szenario schon eher selbstverständlich, 30 ist ja schließlich das neue 20. Trotzdem ist es noch immer so, dass man einer Single-Frau jenseits der 30 gern aufmunternde Worte mit auf den Weg gibt. Dabei ist doch gerade in dem Alter das Singledasein viel schöner als zuvor.

So lässt sich das Singledasein erst richtig auskosten

In den Zwanzigern ist man immerzu auf der Suche – nach dem richtigen Studium, dem ersten Job, einer schönen Stadt, guten Freund*innen, wilden Partys und, und, und. Man erfährt Höhenflüge und Tiefschläge, die ersten Krisen, Trennungen und Erfolge. So war es jedenfalls bei mir.

Inzwischen bin ich seit etwa drei Jahren Single und im Vergleich zu meiner letzten Zeit ohne Partner mit Anfang 20 genieße ich das jetzt viel mehr. Ich bin entspannter geworden und ruhiger. Ich bin nicht mehr ständig auf der Suche, sondern habe einen Weg eingeschlagen und Ziele vor Augen. Ich fühle mich unabhängiger und trotzdem sicherer.

Heute kann ich Verliebtheiten auch einfach mal genießen und dann wieder loslassen, wenn beide merken, dass es nicht harmoniert.

Klar: Mit Anfang 20 ist alles neu und aufregend. Aber eben auch zum Preis der Unsicherheit und der Unerfahrenheit. Zehn Jahre später dagegen weiß man viel genauer, was man kann und was man mag. Gefühle lassen sich besser einordnen.

Zum Beispiel kann ich heute Verliebtheiten auch einfach mal genießen und dann wieder loslassen, wenn beide merken, dass es nicht harmoniert. Das funktioniert deshalb, weil ich solche Dinge nicht mehr so gnadenlos ernst nehme und über die philosophischen Fragen des Lebens nicht mehr stundenlang sinniere wie früher. Dadurch ist übrigens auch Liebeskummer erträglicher geworden. Man ist nämlich – Achtung, altkluge Phrase – stärker geworden. Und das macht einen irgendwie stolz.

Allerdings stört es mich, wenn mein Lebensstil von anderen infrage gestellt wird. Neulich meinte beispielsweise eine Bekannte, dass es langsam an der Zeit sei, nur noch ernsthafte Bindungen einzugehen. Ich frage mich: Soll ich bis zur nächsten ernsten Beziehung auf schöne Dinge wie Küsse im Mondschein verzichten? Das ist doch pure Verschwendung.

Das WG-Leben wieder schätzen

Früher habe ich mich oft danach gesehnt, als Paar zusammenzuwohnen. Mit 25 kam es dann schneller als gedacht und war wunderschön. Gerade die kleinen Dinge haben es ausgemacht: abends nach Hause kommen und einfach wissen, dass man gemeinsam isst, einander vom Tag erzählt und kuschelt. Allerdings hat alles seine Vor- und Nachteile.

Heute weiß ich, dass es auch anstrengend sein kann, den Alltag als Paar ohne Konflikte zu gestalten und schätze deshalb das Leben in meiner Zweier-WG umso mehr. Unter dem Motto: alles kann, nichts muss. Wenn mir nach Gemeinschaft ist, koche ich mit meiner Mitbewohnerin, wir gehen feiern und kehren erst in den frühen Morgenstunden nach Hause zurück. Wenn ich aber einen stressigen Tag habe und schlecht gelaunt bin, dann mache ich die Tür hinter mir zu und muss mich niemandem erklären.

Heute weiß ich, dass ich nicht überall dabei sein muss, um beliebt zu sein.

Auch generell fällt mir das Alleinsein leichter. Manchmal brauche ich es sogar. Dann suche ich mir einen Ort, von dem ich über die Dächer der Stadt blicken kann, trinke Edelstoff, höre Alt-J und gucke in die untergehende Sonne. Ich kann diese Momente heute genießen, weil ich gelernt habe, dass ich dadurch nichts verpasse, sondern Kraft schöpfe. Und weil ich heute weiß, dass ich nicht überall dabei sein muss, um beliebt zu sein. Vielleicht auch, weil ich mich schon oft ausgetobt habe und es deshalb okay ist, mal nicht in die nächste Bar zu gehen.

Partner*innen gehen, Freund*innen bleiben

Ich glaube aber, ein entscheidender Punkt, warum das Singledasein mit 30 so viel schöner ist, sind meine Freundinnen. Egal zu welcher Tageszeit ich sie anrufe, sie gehen ran oder schreiben eine kurze Nachricht. Wir teilen Entscheidungen, Kummer und Glück. Unsere Freundschaft ist über die Jahre inniger und intensiver geworden. Ich weiß sie mehr zu schätzen. Denn wirkliche Freund*innen bleiben, auch wenn der*die Partner*in geht.

Umso weniger verstehe ich Menschen, die sich, sobald sie in Beziehungen sind, nur noch dem Partner widmen. Wenn bestimmte Tage nur für die Beziehung reserviert sind und diese immer vorgezogen wird, nervt das wahnsinnig. Zugegeben, so habe ich das auch mal gemacht, aber ich würde es nie wieder tun. Ich habe gelernt: Freundschaften sind das Wichtigste im Leben und man muss sie pflegen.

Familie gründen geht auch anders

Auch zu dem Thema Familie und Heirat habe ich heute eine andere Einstellung als mit Anfang 20. Damals dachte ich natürlich, dass ich mit 30 verheiratet bin und nur in einer romantischen Liebesbeziehung mein Glück finden kann. Natürlich ist es schön, eine Familie auf dieser Basis zu gründen, die bestenfalls ein Leben lang hält. Aber die Realität ist nun mal, dass viele solcher Beziehungen scheitern. Gerade deshalb nervt es mich gewaltig, dass es noch immer als das einzig wahre Glück angesehen wird, wenn man spätestens in den 30ern eine feste romantische Beziehung hat.

Ja, natürlich brauche ich enge Bindungen. Zwei, drei Vertrauensbeziehungen. Doch warum muss das in Form von romantischer Liebe geschehen? Ich finde die Vorstellung mittlerweile immer schöner, irgendwann gemeinsam mit vielen Freund*innen in einem großen Haus zu leben. Vielleicht auch, weil ich erlebe, wie eine meiner besten Freundinnen alleinerziehend ist und das großartig meistert.

Deshalb macht es mich manchmal ein bisschen traurig, dass alternative Modelle wie das Co-Parenting noch nicht wirklich in unserer Gesellschaft angekommen sind. Aber ich bin fest überzeugt: Wir befinden uns in einer Umbruchphase und eines Tages werden solche Lebensstile genauso umjubelt sein, wie es momentan die Ehe für alle ist.

Single sein als Rentner*in

Ist also 30 das schönere 20 als Single? Ja, aber nur wenn wir endlich anfangen, das Älterwerden zu schätzen: Man darf dann offiziell Klugscheißer sein, ist erfahrener und kann sich selbst besser einschätzen. Man weiß einfach, wie man tickt. Ob beruflich, im Freundeskreis, in Sachen Liebe oder Sex. Hach, wie schön muss das erst mit 60 sein!