Die Idee klingt traumhaft und doch findet sie keine Mehrheit. Das Grundeinkommen hat viele Gegner*innen, die Schweizer*innen lehnten es sogar in einer Volksabstimmung ab. Warum haben wir Angst vor einem bedingungslosen Grundeinkommen?Ein Land, in dem niemand mehr auf unterbezahlte, ausbeuterische Arbeit angewiesen ist, in dem Arbeitgeber*innen um Arbeitnehmer*innen buhlen statt umgekehrt. Ein Land, dessen Gesellschaft ihren Reichtum teilt, in der niemand mehr unter Existenzdruck leidet und der Mensch statt der Arbeit im Mittelpunkt steht. Ist das nicht eine schöne Vorstellung?

Ja, es wäre schön – und es wäre möglich, sogar logisch, sagen die Befürworter*innen des Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE). Logisch für Deutschland als eines der reichsten Länder der Welt, in dem es bei einem Bruttodurchschnittseinkommen von 36.267 Euro und einer Arbeitslosenquote von 5,7 Prozent den meisten Menschen gut geht. Noch geht es den meisten Menschen gut, das könne sich durch die Digitalisierung aber ganz schnell ändern, meinen die einen Befürworter*innen des BGE.

In einer reichen Gesellschaft sollte es ausnahmslos allen Menschen gut gehen, fast allen reicht nicht, meinen die anderen. Und da wären wir auch schon beim Problem des Grundeinkommens: Gegner*innen, Skeptiker*innen, Befürworter*innen und Verfechter*innen sprechen oft nicht von dem einen Grundeinkommen, sondern von vielen verschiedenen Ideen, die verschiedenste Verbesserungen wie Risiken für die Gesellschaft mit sich bringen.

Geld ohne Gegenleistung

Die ursprüngliche Idee vom Grundeinkommen ist simpel: Jeder Bürger und jede Bürgerin erhält eine gesetzlich festgelegte Zahlung vom Staat – ohne dafür eine Gegenleistung erbringen zu müssen. Darin unterscheidet es sich grundlegend vom Arbeitslosengeld II und der Grundsicherung. Jeder soll das Grundeinkommen erhalten – egal ob jung oder alt, arm oder reich und egal, ob man sich bemüht, eine bezahlte Arbeit zu finden oder nicht. Hört sich zunächst einmal paradiesisch an. Wenn es aber um die weitere Ausarbeitung des Konzepts geht, wird es kniffelig. 

Zu den Befürworter*innen eines bedingungslosen Grundeinkommens zählen mittlerweile viele einflussreiche Personen aus Wirtschaft und Wissenschaft, zum Beispiel der Gründer des Weltwirtschaftsforums Klaus Schwab, der ehemalige Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts Thomas Straubhaar, Vorstände von SAP und Deutscher Telekom und der Gründer der Drogeriemarktkette dm, Götz Werner. Der erklärt in einem Interview mit Zeit Online, das Grundeinkommen befreie die Menschen vom Existenzdruck, die neue Arbeit müsse sich den Mitmenschen zuwenden.

Arbeitgeber*innen hätten dann eben mehr Anreize zu schaffen, um Arbeitnehmer*innen für ihr Unternehmen zu finden. Diese Ansicht vertreten viele Unterstützter*innen des Grundeinkommens. Doch genau an diesem Punkt setzen eben auch Kritiker*innen an: Wer würde denn noch arbeiten wollen, wenn er gar nicht müsste? Am Ende, so die Befürchtung, müssten diejenigen, die sich einen Reichtum erwirtschaften mit denjenigen teilen, die einfach gar nichts tun. Und da kommen wir zum zweiten und wohl größten Streitpunkt des Grundeinkommens: die Finanzierung.

Wie soll das Einkommen für alle bezahlt werden?

Dafür gibt es einige vage Ideen, doch die Ausarbeitung wird von vielen Befürworter*innen ausgespart – denn sie ist heikel. Klar ist, dass das Finanzierungsmodell stark von der Höhe des Grundeinkommens abhängt. Die Idee von dm-Gründer Götz Werner ist es, nur noch eine Steuer zu erheben – die Konsumsteuer. Damit würde nicht mehr die Arbeit besteuert werden, sondern jedes in Anspruch genommene Produkt oder Dienstleitung. Dadurch wäre dann auch das Problem mit der Faulheit gelöst, denn eine hohe Konsumsteuer würde wohl mit dem Grundeinkommen nur eingeschränkt ein gutes Leben ermöglichen. Aber stünden die Menschen dann nicht wieder unter eben dem Existenzdruck, von dem sie ursprünglich befreit werden sollten?

Während sich die einen noch mit der Finanzierung des Grundeinkommens herumschlagen, geht es anderen Befürworter*innen vor allem darum, möglichst schnell den Einfluss öffentlicher Institutionen auf die Arbeitswelt zu reduzieren. So träumt man im Silicon Valley von einer Welt, in der Uber fahren oder Essen ausliefern eine Art Hobby für jedermann ist – auf dem Weg zum Sport schnell eine Pizza ausliefern und auf dem Nachhauseweg noch einmal Chauffeur*in spielen. Angemessene Bezahlung wird dann zweitrangig, denn man war ja ohnehin unterwegs und gelebt wird vom Grundeinkommen.

Was passiert mit dem Wohlfahrtsstaat?

Bei dieser Vorstellung sträuben sich Gewerkschafter*innen die Haare. Auch für Christoph Butterwegge, Politikwissenschaftler an der Universität zu Köln und Bundespräsidentschaftskandidat der Linken, findet das bedingungslose Grundeinkommen ungerecht. In einem Beitrag für die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt er, es würde die Struktur des Wohlfahrtstaates zerstören, der ja eben auf Sozialversicherungen basiert, um bestimmte Lebensrisiken abzusichern. 

Die Ängste vor einem bedingungslosen Grundeinkommen sind so vielseitig wie die vor der Digitalisierung, durch die die Debatte erst richtig angeschürt wurde. Diesen Sorgen gehen manche Staaten in kleinen Experimenten jetzt auf den Grund: In der kanadischen Provinz Ontario sowie in mehreren niederländischen Städten soll das Grundeinkommen getestet werden und in Finnland soll eine Gruppe von Arbeitslosen ab 2017 über zwei Jahre hinweg ein Grundeinkommen erhalten. Die Regierungen dieser Länder und Regionen verfolgen mit den Versuchen unterschiedliche Absichten und auch die Rahmenbedingungen sind verschieden, doch die Ergebnisse können auch für die deutsche Debatte wertvoll sein.

Denn letztlich läuft die Diskussion um die Ausgestaltung eines bedingungslosen Grundeinkommens auf die Fragen hinaus: Wie wollen wir in Zukunft leben? Was ist wichtiger: Mensch oder Arbeit? Und was ist gerecht? Es ist höchste Zeit, in dieser Diskussion konkreter zu werden.