Wir feiern zwar Beziehungs-Jahrestage und Freundschaftsjubiläen. Aber wenn es um die schmerzhaften Dinge geht, wissen wir oft nicht so recht, wie wir damit umgehen sollen. Dabei können Rituale auch bei Liebeskummer helfen.

Bislang bin ich eigentlich mit der altbewährten Methode ganz gut gefahren. Mit der altbewährten Liebeskummer-Schlußmach-Methode. Wie komme ich über eine Beziehung weg? Alle Erinnerungen an die Person sicher verstauen und bloß nie mehr den Namen googeln! Eine sichere Methode um schnell über den Kummer hinweg zu kommen, dachte ich bislang.

Aber eigentlich auch ziemlich waghalsig, wurde mir vor Kurzem bewusst. Denn eine Liebe, egal wie groß sie war, einfach so in einen Schuhkarton zu räumen und zu hoffen, die Erinnerungen mögen doch bitte Rücksicht nehmen und sich erst wieder regen, wenn man sie wieder erträgt, ist riskant. Denn so einen Gefallen machen Erinnerungen einem leider nur selten. Und so kann es passieren, dass einem ein längst vergessen gehoffter Schmerz urplötzlich vor die Füße fällt und man ganz schön aufpassen muss, nicht darüber zu stürzen.

Herzschmerz-Medizin

Vielleicht ist diese Methode also doch nicht so gut. Vielleicht brauchen wir sogar richtige Rituale, um über Liebeskummer hinwegzukommen. Sind wir noch in einer Beziehung, halten wir schließlich unser Zusammen-Sein auch durch viele Rituale fest: Paare feiern Kennenlern-Jahrestag, Zusammenkomm-Tag, Valentinstag. Alles symbolische Abläufe, mit denen wir ein Lebensereignis begleiten – in diesen Fällen um die Liebe zu bekräftigen.

Aber Rituale und Schlussmachen verbinden wir nur ganz selten. Klar, tut ja auch weh. Manchmal sogar existentiell weh. Und deshalb bekämpfen wir diesen existentiellen Schmerz oft nur mit halbherzigen Vermeidungs-Strategien: Facebook-Profil blockieren, gemeinsame Orte meiden, nie mehr dieses eine Lied hören. Doch das ist nicht genug. Denn das Ende einer Liebe ist einer der härtesten Schläge, die wir abkriegen können. 

Was tun bei Trauer?

So kann Liebeskummer das Leben auch ziemlich ins Chaos stürzen. Wir sind nicht nur traurig, wir trauern. Manchmal nur kurzfristig, manchmal für Jahre. Einfach nur ausblenden hilft da wenig. Was aber könnte uns besser helfen? Psycholog*innen, die sich mit Trauer beschäftigen, versuchen, genau das herauszubekommen. Klar ist, dass viele Faktoren bei der Trauer-Verarbeitung eine Rolle spielen. Die Persönlichkeit, das soziale Umfeld, die Art der Trennung, andere Schicksalsschläge, die wir zu verarbeiten haben. Doch eine Studie von Wissenschaftler*innen der Harvard Business School deutet darauf hin, dass es vielleicht noch einen anderen wichtigen Faktor gibt. Nämlich ob wir Rituale nutzen, um über einen Verlust hinwegzukommen.

Die Wissenschaftler*innen haben mehrere Untersuchungen durchgeführt. Sie wollten wissen, wie Menschen mit einem schweren Verlust in ihrem Leben umgehen – beispielsweise dem Tod eines*einer Angehörigen oder das Ende einer Beziehung. Die Befragten führten dabei ganz unterschiedliche Rituale durch. Jemand suchte einmal im Monat den Ort des Schlussmachens auf, um über die Beziehung zu reflektieren. Eine andere Person zerriss alle gemeinsamen Fotos in kleinste Schnipsel und verbrannte sie. Für diejenigen, die solche Rituale durchführten, schien es leichter zu sein, mit dem Verlust umzugehen. 

Rituale helfen bei Kontrollverlust

Und obgleich diese Rituale sich sehr unterscheiden, kommen die Wissenschaftler*innen doch zu dem Schluss, dass es einen gemeinsamen psychologischen Mechanismus gibt, der diesen Ritualen zugrunde liegt und dafür sorgt, dass sie so gut wirken. Denn Rituale geben das Gefühl der Kontrolle zurück, das Menschen bei Verlusten abhanden kommt. Dabei ist es sogar egal, ob es sich um schwere, lebensverändernde Verluste wie der Tod eines lieben Menschen oder schlicht den Verlust beim Lotto spielen handelt.

Was die Rituale, die untersucht wurden, gemein hatten, war folgendes: "Es ist weniger wichtig, was diese ritualisierten Verhaltensweisen sind, als das sie als Rituale ausgeführt werden", heißt es in der Studie.

Also: Ganz bewusste und persönliche Handlungsabläufe, die wir durchführen, um den Verlust zu überwinden. Und dabei ist es eigentlich egal, wie dieses Ritual aussieht. Wichtig ist, dass es eins ist. Leider ist das bei unserem digitalen Lebensstil nicht immer ganz einfach. Konnte man vor 20 Jahren noch Briefe, Postkarten und echte Fotos zerschnippeln, sind die Erinnerungen an eine Beziehung heutzutage oft einfach Teil eines Whatsapp-Threads oder eines Instagram-Feeds.

"Nur den Lösch-Button zu drücken ist nicht sehr zufriedenstellend. Denn das "Klick" und "Löschen" hat keine der Qualitäten von Ritualen, die Menschen helfen, über etwas hinwegzukommen", erklärt Corina Sas, eine Computerwissenschaftlerin, die über mögliche Methoden forscht, wie wir digital solche Rituale durchführen könnten.

Wichtig sei, auch physisch mit einem Verlust umzugehen. Dabei kann das erwähnte Zerschnippeln von Fotos helfen, die Weitergabe von alten Geschenken oder das Abgehen gemeinsamer Lieblingsorte. Hauptsache, wir nehmen es als Verlust an und tun bewusst etwas dafür, die Kontrolle zurückzugewinnen. Und zwar nicht nur digital. Auch wenn es erstmal wieder richtig weh tut, auf Dauer halten wir so die schmerzhaften Erinnerungen tatsächlich besser unter Kontrolle.