Es gibt Paare, die sich gegenseitig öffentlich bloßstellen und übereinander lustig machen. So ein Verhalten ist problematisch, denn es offenbart tief liegende Konflikte.

Geliebte Menschen bloßstellen und maßregeln, das kann fast niemand so gut wie die eigenen Partner*innen. Für diese Erkenntnis muss man kein Loriot-Fan sein. Man muss sich nur mal im eigenen Leben umschauen.

Das habe ich kürzlich erst wieder an W. und H. bemerkt. Die beiden sind schon seit Jahren zusammen, und allem Anschein nach durchschnittlich zufrieden mit der Beziehung. Aber an diesem Abend neulich, da klaffte plötzlich ein ziemlicher Graben zwischen beiden. Dabei fing alles ganz harmlos an.

H. hatte einen neuen Job und berichtete, wie anstrengend und belastend die erste Zeit gewesen sei. W. schaltete sich immer mal wieder in die Erzählung ein, mit bissigen Kommentaren. Kommentare von der Sorte, über die man eigentlich lachen möchte, weil sie witzig sind, aber dann doch nicht lachen kann, weil man rechtzeitig bemerkt, dass sie vor allem verletzen. Und so schwiegen wir anderen betreten vor uns hin, während W. sich vor Lachen gar nicht mehr einkriegte.

Über schwelende Konflikte

Wir anderen waren nicht sicher, welcher Art von Schauspiel wir gerade beiwohnten; war es eine unbedarfte Frotzelei oder war es etwas anderes? War es nicht vielleicht sogar schon ziemlich demütigend? Demütigung klingt zwar erst mal groß, schließlich kommt einem solche Frotzelei zunächst so alltäglich vor. Aber so alltäglich und harmlos ist es nicht.

Hinter solchen Demütigungen – die selbstverständlich noch viel schlimmere Ausmaße annehmen können – steckt nicht einfach schlechte Laune oder eine leichte Verstimmung. Demütigung in der Partnerschaft ist vielmehr ein Schattenspiel von tiefer sitzenden Problemen. So erklärt dieses Phänomen auch Marina Gardini, Paartherapeutin aus Köln. Wer den*die Partner*in öffentlich demütige, so die Psychologin, der weise damit indirekt vor allem auf ein Problem in der Partnerschaft hin. Demütigung, so gesehen, ist eine Art der Kompensation. Kompensation für fehlendes Vermögen, sich direkt auszutauschen. Aber was steckt dahinter?

Bei eher frotzeligen Demütigungen, wie zwischen W. und H., die als kleine Seitenhiebe daherkommen, werde ein Grundproblem überdeckt. Oft sei das Problem dann eher Geld, Sex oder ein verschobenes Machtgefüge innerhalb der Beziehung – ein schwelender Konflikt. "Aber so ein Verhalten kann auch biografische Züge haben. Also was hat derjenige in der Kindheit erfahren, wie wurde mit Konflikten umgegangen. Schlußendlich weist es auch auf mangelndes Konfliktlösungsverhalten hin", erklärt Marina Gardini.

Denn wer den*die Partner*in demütige, der*die zeige fehlenden Mut. Mut, den man eben auch dann braucht, wenn es darum geht, zu sagen, was einem fehlt. Was man sich wünscht und was einen stört. Wer diesen Mut nicht hat, setzt lieber Spitzen statt so zu kommunizieren, dass der*die Partner*in auch versteht, worum es geht.

Demütigung als Selbstaufwertung

Aber das Problem ist eben auch, dass solcherlei Demütigung nicht nur etwas über die Konflikte in der Beziehung, sondern auch über die Person selbst offenbart. "Es geht darum, den anderen Menschen klein zu halten, eher negative Beachtung zu geben und zu kontrollieren", erklärt Marina Gardini. Das kann bewusst und unbewusst ablaufen. Klar ist aber, dass da ein zumindest problematisches Selbstbild dahintersteckt.

"Im Grunde ist das ein Spiegel. Solche Menschen fühlen sich klein, sind oft auch einsam", erläutert Gardini demütigendes Verhalten, "hier wird Selbstvertrauen und Selbstwert über die Interaktion, also die Demütigung, gezogen. Indem ich jemanden klein sehe, fühle ich mich größer."

Im Prinzip also klassisches Pausenhofverhalten. Ein Verhalten, das wir vermutlich alle auch schon mal an uns selbst beobachtet haben. Sich über andere lustig zu machen, kann funktionieren wie eine soziale Trittleiter. Man selbst erscheint auf einmal ein Stückchen größer und oben, so meint man dann, ließe es sich doch alles besser aushalten.

Weiter gefasst versucht Demütigung also auch ein Machtgefüge zu verschieben: ich weiter hoch, du weiter runter. Marina Gardini weist darauf hin, dass es hierbei nicht nur um die Partner*innen selbst geht, sondern das zumindest in heterosexuellen Beziehungen dabei auch eine Form des nicht totzukriegenden Geschlechterkampfes ausgefochten wird.

Kampf der Geschlechter

"Obwohl wir so modern und offen sind, herrscht in vielen Köpfen noch die Ansicht vor, dass eine Gleichberechtigung in der Partnerschaft, finanziell und auch in Bezug auf die Karriere, problematisch ist. Aber das lassen sich viele Frauen nicht mehr gefallen und gehen entsprechend in den Dialog." Und fordern diese Gleichberechtigung auch auf anderen Ebenen ein, ganz alltäglichen Ebenen. Doch auch heute noch werde diese Verschiebungen im Machtgefüge nicht von allen Männern akzeptiert: "Sie haben Probleme mit einer Beziehung auf Augenhöhe und gehen dann in die Konfrontation, auch durch Demütigungen."

Das mag überholt klingen, gibt es doch mittlerweile sehr viele Männer, die vor Eifer fast über ihre eigenen Füße fallen, wenn es darum geht zu versichern, wie gleichberechtigt Frauen in allen Lebenslagen sein sollen. Aber wie das ist mit dem Sollen und dem Wollen – auch ein genuiner Wunsch muss erst mal umgesetzt werden. Und da hapert es zuweilen.

"Diese Generation hat eben noch keine Vorbilder in Bezug auf gleichberechtigte Beziehungen. Da gehen also viele erst mal den Weg des Versuchs und Irrtum und damit eben auch den Weg des Nicht-Gelingens", meint Marina Gardini.

Der Weg des Nicht-Gelingens. Schöne Formulierung. Muss ich mal W. erzählen.