Mitte/Ende Zwanzig ist ein komisches Alter. Vor allem, wenn man in einer Großstadt lebt. Man könnte sich jetzt sofort reproduzieren und genauso problemlos die nächsten fünf Jahre durch Tinder vögeln und ein Buch darüber schreiben, ohne damit gesamtgesellschaftliches Interesse auf sich zu ziehen.

Und dann gibt es diese Momente, in denen das fortgeschrittene Alter auffällt. Im Urlaub. Wer mit fast 30 in den Urlaub fährt, wird zwangsläufig mit dem eigenen Beziehungsstatus konfrontiert. Spätestens, wenn einem die erste Kokosnuss auf den Kopf fällt. Bin ich glücklich single? Oder: Ist er*sie der*die Richtige? Wie lange soll das noch so weitergehen?

Spaß haben, statt schweigend am Cocktail zu schlürfen

Als mich meine Freundinnen aus Schulzeiten im Herbst zu einem kleinen Trip nach Südostasien überreden wollten, war ich nicht überzeugt. Erstens glaubte ich nicht an die geistige Erleuchtung im Buddha-Tempel, zweitens kostete das alles Geld und drittens jede Menge an Co2-Emissionsausgleichzahlungen. Es wurde unser erster gemeinsamer Urlaub seit acht Jahren.

Als wir das letzte Mal zusammen unterwegs waren, haben wir Eristoff-Vodka mit Red Bull in einem Partybus für geeigneten Reiseproviant gehalten und unsere Vokuhila-tragenden Zimmernachbarn für passendes Beziehungsmaterial.

Schon nach den ersten Tagen im Paradies sollte sich meine Vermutung bewahrheiten: Ja, die Männer in unserem Alter haben heute weniger Haare. Außerdem treffen wir überall wo wir hinkommen auf Paare. Rein optisch könnte man jede*n hier mit jedem*r verkuppeln, würde es langfristig wirklich einen Unterschied machen, ob Jenna jetzt mit Chris oder Henry oder Luca mit Helene oder Julia? Wie haben sie bitteschön ihre Auswahl getroffen? Nach Gentests? Romantisch sieht hier alles so austauschbar aus wie in einem skandinavischen Designermöbelkatalog. Dieser Tisch zum Beispiel wäre auch schön. Wenn nicht, auch okay.

Wir treffen Paare, die seit fünf Jahren in Fernbeziehungen leben und sich nicht auf einen Wohnort einigen können. Paare, die in zwei Monaten super alternativ in Indien heiraten werden. Paare mit Sonnenbrand. Paare, die mit rotangelaufenen Gesichtern Berge hinaufklettern, ohne beim erreichten Aussichtspunkt so glücklich auszusehen wie auf ihrer Insta-Story davon.

Zu dritt an einem Ort aufzukreuzen, der schon im Reiseführer als Zweiergespann-Territorium markiert wurde, kann sich seltsam rebellisch anfühlen. Ein bisschen bemitleidete ich die Paare sogar, wie sie sich abends so gar nichts zu sagen hatten. Wie sie ausdruckslos ihre Papayas löffelten, eingewickelt in vor Ort erworbene Jogginghosen mit Elefantenprints, während wir zu dritt bis spätnachts draußen am Strand mit Locals rauchten. Das eigene Glück steht natürlich nicht in Konkurrenz zu irgendjemand anderes Glück. Und doch fühlten wir uns während unserer Reise einem gewissen Druck ausgesetzt. Es ist die Illusion der Paarreise, die gerade in sozialen Medien Neid hervorruft und die Idylle der perfekten Zweisamkeit vermittelt.

Zu dritt an einem Ort aufzukreuzen, der schon im Reiseführer als Zweiergespann-Territorium markiert wurde, kann sich seltsam rebellisch anfühlen."

Ich weiß, wovon ich rede. Ich war diese Person, die dachte, dass es besser sei mit dem*der Partner*in in den Urlaub zu fahren. Weil es irgendwie so dazugehört. Als monogames Heteropaar fährt man eben einmal im Jahr in den Urlaub, um es genauso zu machen wie beim letzten Mal. Ausschlafen, Sex (wenn’s gut läuft), ein bisschen Wandern, einen Cocktail trinken (aber bitte nicht mehr), ins Bett, am Strand lesen und sich ignorieren. Darauf warten, nach Hause zu fahren.

Das, was Paare verbindet, funktioniert auch in Freundschaften

Es gibt so viele Artikel darüber, wie schwer es ist, Freundschaften in den späten Zwanzigern und frühen Dreißigern zu führen – dabei ist die naheliegendste Lösung so banal: seine Freund*innen einzupacken und zusammen wegzufahren. Eben nicht darauf zu warten, den*die nächste Lebensabschnittspartner*in zu finden. Sondern die Dinge mit seinen Freund*innen zu tun, die sonst auch Paare dazu bringt, besser zu bonden.

Jede Kurve, die wir im Devil’s-Line-Bus trotz Curry zum Frühstück nicht gekotzt haben, jeden Kilometer, den wir bei 40 Grad irgendeinen Hügel hinaufgelatscht sind, um kein Foto davon zu posten. Jeden schönen und auch jeden hässlichen Moment, der in seiner Intimität nur Paaren vorbehalten ist, haben wir geteilt wie das ranzige Toastbrot am Morgen. Und ich sag euch eines: Nicht nur unsere Magenschleimhaut ist dadurch dicker geworden.

Jedes Mal, wenn mir der TukTuk-Abgasgeruch in die Nase stieg, während ich in der Mitte zwischen meinen Freundinnen eingequetscht auf der Rückbank saß, musste ich hart grinsen."

Als ich an unserem letzten gemeinsamen Sonntag einen kleinen Hänger hatte, beschloss eine meiner Freundinnen, mich nicht meinem Missmut zu überlassen. Nicht hier, nicht heute. Mit einer alkoholischen Brause in der Hand schleppte sie mich in den Keller zur Surfcup-Afterparty, wo wir unsere Körper zu Sean Paul aneinander rieben wie zuletzt 2009. Was soll ich sagen.

Lange Zeit war ich die, die dachte, dass alte Freund*innen überbewertet seien. Dass Freundschaft keine Zeit braucht, wenn nur die Interessen, die Einstellungen stimmten. Stimmt nicht. Inzwischen sind es diese beiden Frauen, die mich zurückholen ins echte Leben, fern von Networking und geheuchelter Professionalität. Für die es keinen Unterschied macht, wer oder ob ich überhaupt etwas geworden bin.

Jedes Mal, wenn mir der TukTuk-Abgasgeruch in die Nase stieg, während ich in der Mitte zwischen meinen Freundinnen eingequetscht auf der Rückbank saß, musste ich hart grinsen. Wie glücklich darf ich sein, um mit diesen Frauen ein paar Wochen voller Sorglosigkeit, Unaufmerksamkeit und Spaß am anderen Ende der Welt zu verbringen?

Es sind Freundinnen wie diese, mit denen man nachts besoffen im Bett singen und am nächsten Morgen am Strand auskatern kann, ohne dass sich jemand dabei fürchten muss, nicht sie selbst zu sein. Freundinnen, die einem ein Stück weit das unbeschwerte Gefühl zurückbringen, wieder so frei wie mit 16 zu sein.