Eine Szene wie diese spielt sich vermutlich täglich ab:

Es ist schon später, schummriges Licht, irgendeine Bar. Mona und Sophie sitzen bei dem nun schon zweiten Wodka-Apfelsaft zusammen und unterhalten sich über die vergangenen Wochen. Mona berichtet von Aaron, ihrem neuen Freund. Was er beruflich macht, wie niedlich seine blonden Locken sind und dass er sogar schon einen Kosenamen für sie hat. Sophie hört zu und strahlt vor Mitfreude mit der Freundin: "Das klingt alles sooo schön!" Doch dann seufzt Mona und sagt: "Aber seine Ex wohnt direkt um die Ecke. Die haben wir neulich beim Späti getroffen. Megaätzend." "Die Bitch", nickt Sophie. "Voll", meint Mona. Zur Beruhigung bestellen sie lieber noch einen Drink.

Zugegeben: Diese Szene habe ich erfunden. Aber sie ist trotzdem passiert. Zwar nicht genau so, aber so ungefähr. Sie passierte letztes Jahr, letzte Woche, gestern. Sie wird auch heute irgendwo passieren. Und morgen. Ich habe sie selbst schon etliche Male erlebt, habe zugehört, habe mitgemacht und mitgehatet. Ich kenne sie von Freundinnen, aus der U-Bahn, aus Serien und Filmen: der selbstverständliche Rant über die Ex des Freundes.

Es ist immer mehr oder weniger das gleiche: Wenig bis keine Informationen über die Frau sind bekannt, aber allein die Tatsache, dass es sie gibt, reicht aus, um sie zum Läster-Abschuss freizugeben. Ihren Namen, ihre Haarfarbe, ihren Insta-Account. Egal was, alles schrecklich. "Wie kann man nur sowas posten?" "Hat die keinen Spiegel?" Es wundert uns gar nicht, wenn eine Freundin über die Ex ihres Typen auf diese Weise redet. Im Gegenteil: Wir erwarten es fast. Und wir machen tatkräftig mit. Wir meinen sogar, wir tun der aktuellen Freundin einen Gefallen, wenn wir die Ex möglichst schlecht dastehen lassen. Als wäre das gemeinsame Herziehen über eine andere Frau ein Akt der schwesterlichen Solidarität.

Die Ex. Die erwartbare Bitch.

Wie mir scheint, ist Ex-Hating dabei ein sehr geschlechtsspezifisches Phänomen, sprich: Es betrifft hauptsächlich Frauen. In heterosexuellen Kontexten scheint es für Männer weniger Anlass zu geben, über ihre Vorgänger herzuziehen. Sogar im Gegenteil. Männer tauschen sich zuweilen fast schon kameradschaftlich aus: "Ey, wir sind ja Spermabrüder!" Yep. Das habe ich mir nicht ausgedacht. Das habe ich schon erlebt. Ex-Hating auf breiter Basis allerdings nicht.

Warum also sind wir Frauen solche Meisterinnen im Ex-Hating? Schließlich könnte man meinen, dass uns mit den jeweiligen Ex-en eher etwas verbindet, also zumindest der Männergeschmack. Doch im Ex-Hating kommen eben nicht so sehr individuelle, vielleicht sogar nachvollziehbare Abneigungen zum Ausdruck, sondern vor allem schadhafte Rollenklischees.

Denn Ex-Hating ist ein trauriger Hinweis darauf, welche Rolle Frauen in heteronormativen Beziehungen nach wie vor einnehmen. Wie es die Soziologin Eva Illouz in ihrer Forschung eindrücklich gezeigt hat, genießen Männer eben nach wie vor einen Machtvorteil. Als heterosexueller Mann hat man im Dating-Business nicht nur den stabileren Marktwert (Hallo, Alter-spielt-kaum-eine-Rolle), sondern ist in puncto Anerkennung auch grundsätzlich nicht so auf eine romantische Beziehung angewiesen – für Frauen hingegen ist die Sphäre des Privaten als Schauplatz von Wertschätzung nach wie vor viel wichtiger. Egal, wie erfolgreich eine Frau ist, die Frage nach ihrem Privatleben ("Fehlt da nicht was?") klebt ihr wie ein fieser Kaugummi an den Hacken. Beziehung und Partnerschaft sind zuverlässige Ego-Booster.

Deswegen werden romantische Beziehungen schnell überhöht. Der Mann wird dabei zum Fixstern, der die Position der Frau durch sein Verhältnis definiert, ob er das will oder nicht. Da hat die heteronormative Diskursmaschine ganze Arbeit geleistet: Wenn der Mann der Mittelpunkt ist, dürfen Frauen keine Schwestern sein. Sondern Konkurrentinnen. Und so kommen Bilder von keifenden, sich an den Haaren ziehenden Frauen, die sich um einen Mann streiten, auch nicht von ungefähr. Rebecca Traister hat es in ihrem Buch All the Single Ladies beschrieben: Die negative Darstellung von Frauenfreundschaften geht einher mit der verstärkten Promo für die heteronormative Zweierbeziehung. Denn dort leisten Frauen ja die ganze schöne unbezahlte Arbeit, die für die Wirtschaft so wichtig ist. Für den Kapitalismus. Andere Frauen per se als Konkurrentinnen wahrzunehmen, ist also, jetzt wird's nochmal technisch, systemstärkend. Ex-Hating ist eine Variante davon.

Entsolidarisierung als Konsequenz von Partnerschaft? Bitte nicht

Diese Mechanismen hat sich zwar niemand ausgesucht, aber unschuldig sind wir deswegen nicht. Damit ist natürlich nicht gesagt, dass es nicht auch Eifersucht und Konkurrenzverhältnisse gibt und geben kann, darf und sollte. Die Ex muss niemand mögen. Aber wenn das Konkurrenzdenken zur go to-Schablone dafür wird, wie wir über andere Menschen denken und sprechen, denen wir selbst nie begegnet sind, dann zeigt das eben vor allem unsere Verstrickung in schädliche Rollenbilder und nicht einfach nur harmloses Geplauder bei Wodka-Apfelsaft.

Nochmal anders gesagt: Ex-Hating ist Mist. Aber was wir erkennen können, können wir ja auch verändern. Also Vorschlag: Lasst uns doch damit aufhören, ja?