Feuchte Hände und Herzrasen, auswendig gelernte Stärken (teamfähig, flexibel) und Schwächen (perfektionistisch, ungeduldig), "Wo sehen Sie sich in fünf Jahren" und "Wir melden uns" – so ein Vorstellungsgespräch folgt oft einem eingefahrenen Ritual und rangiert vom Wohlfühlfaktor her knapp unter einem Zahnarzttermin.

Gut vorbereitet soll man sein, sagen sie. Bloß nicht zu viel von sich preisgeben, sagen sie. Doch das ist gar nicht so einfach. Natürlich möchte jede*r sich von der allerbesten Seite zeigen – aber wer gar nichts von sich selbst erzählt und sich komplett hinter durchschaubaren Floskeln versteckt, tut weder sich noch dem künftigen Unternehmen etwas Gutes.

Keine Sorge – hier kommt Hilfe. So verbiegst du dich im Vorstellungsgespräch nicht und findest die richtige Balance zwischen professionell und persönlich.

Das passt ins Vorstellungsgespräch

Als erstes gibt es bei persönlichen Details im Vorstellungsgespräch eine grobe Faustregel im Hinterkopf zu behalten: Du musst von dir aus nichts Persönliches erzählen, wenn du nicht magst. Es sei denn, dein Gegenüber fragt auf angemessene Weise danach. "Manche Unternehmen wollen explizit wissen, wer denn der Mensch hinter dem Lebenslauf ist. Daher kann man ruhig ein paar Eckdaten preisgeben, zum Beispiel über Hobbys. Oftmals finden sich da Gemeinsamkeiten", sagt die Personalberaterin Ulrike Winzer.

Im beruflichen Umfeld zählen nämlich nicht nur die blanken Daten. "Etwas sollte man schon von sich preisgeben, damit der Arbeitgeber und man selbst einschätzen kann, ob man zueinander passt", erklärt die Karriereberaterin Petra Barsch. "Das betrifft die Persönlichkeit, Hobbys oder auch die Wünsche für die Arbeit – aber nur, soweit man dazu bereit ist."

Die nächste Frage: Ist es im weitesten Sinne relevant? Also, sagt es wirklich etwas Entscheidendes über dich als Person aus oder hat es im weitesten Sinne mit dem Job zu tun? Shoppingleidenschaft oder Fitnessfieber sind keine interessanten persönlichen Details – es sei denn, du bewirbst dich als Stylist*in oder Personal Trainer*in. "Immer, wenn das Persönliche für den Job wichtig ist, dann kann man darüber erzählen", sagt auch Ulrike Winzer.

Interessant machen ja, schummeln nein

Den Menschen kennenlernen schön und gut – aber bei persönlichen Details im Vorstellungsgespräch ist es wichtig, dass du keine Grenzen überschreitest. Niemand im Job muss wissen, dass du privat auf Furry Porn stehst oder dass du dir am Wochenende in der Großraumdiskothek gern Kurze zu Gemüte führst. Das ist deine Privatsache und geht auf der Arbeit niemanden etwas an. Schon gar nicht deine Vorgesetzten und erst recht nicht im Bewerbungsgespräch. "Es ist dabei nicht zu vergessen, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt und nicht um eine intime Beziehung", sagt Petra Barsch.

Auch emotionale Ausnahmesituationen und Krisen gehen niemanden etwas an. Dass deine große Liebe dir das Herz aus der Brust gerissen und angezündet hat, das hat im Vorstellungsgespräch wirklich nichts verloren. "Jammergeschichten möchte niemand hören", meint auch Ulrike Winzer. Es gibt allerdings gewisse Ausnahmen: "Wenn zum Beispiel eine berufliche Lücke damit erklärt wird, dass man eine Auszeit genommen hat, um die kranke Mutter zu pflegen oder weil man eine Weltreise gemacht hat – und das ist eine Chance, die man durchaus ergreifen sollte –, ja, dann ist das wichtig."

Selbstredend kannst du deine Hobbys spannend und spezifisch formulieren. "Ich lese ganz gern" klingt so meh und beliebig; "Ich habe eine glühende Leidenschaft für viktorianische Kriminalromane und weiß alles über Sherlock Holmes", zeigt mehr über dich. Vorausgesetzt allerdings, du erfindest keinen Bullshit. "In meiner Freizeit gebe ich mich ganz dem Zwölftonmusik-Unterricht für Waisenkinder hin" kann schnell als Humbug und du als Lügner*in entlarvt werden. Das ist es nicht wert. Es geht schließlich um dich. Um eine ideale Form von dir, aber um dich – und nicht um jemanden, der*die du gern wärst.

Warum ist Persönliches relevant?

Selbstverständlich bewirbst du dich auf einen Job, weil dich die Aufgaben interessieren, und natürlich wirst du eingeladen, weil deine Qualifikationen und Erfahrungen gut ins Jobprofil passen. Aber das ist nur der eine Teil. Der andere Teil ist der Mensch, der da demnächst acht Stunden am Tag, fünf Tage die Woche sitzen wird. "Wir verbringen oft mehr Zeit im Job als mit dem Partner oder mit Freunden. Daher ist es wichtig, die eigenen Werte und die persönliche Haltung zu zeigen", erklärt Personalberaterin Ulrike Winzer. "Auch das Bauchgefühl zwischen Vorgesetzten und Angestellten muss passen – beiderseits."

Ob und inwiefern das tatsächlich der Fall ist, lässt sich nun mal nur herausfinden, wenn ihr im Vorstellungsgespräch nicht ausschließlich über erfolgreiche Projekte und Jobstationen redet. "Wir sind im beruflichen Umfeld ja kein gänzlich anderer Mensch als im privaten Leben. Wir haben einen Charakter, der ist immer da und den nehmen wir überall mit hin. Ein introvertierter Mensch ist nicht plötzlich extrovertiert, weil der Beruf das erfordert", so Ulrike Winzer.

Zudem ist es nicht nur für den*die Arbeitgeber*in wichtig zu wissen, wer da anfangen soll. Auch für dich ist es entscheidend, zu erkennen, ob du dich im neuen Job wohlfühlen würdest. "Bestimmte Persönlichkeiten eigenen sich für bestimmte Strukturen. Immer wieder erlebe ich, dass es hier zu Diskrepanzen kommt, wenn diese Passung nicht stimmt", berichtet Karriereberaterin Petra Barsch aus ihrer täglichen Erfahrung. "Nicht jeder ist für eine Start-up-Kultur geschaffen und auch nicht für eine Konzern- oder Familienunternehmensstruktur."

Auch die Orchestrierung der verschiedenen Charaktere innerhalb eines Teams ist essenziell. Wenn nur Eigenbrötler*innen aufeinander sitzen, bewegt sich nichts. Ein Team aus lauter extrovertierten Selbstdarsteller*innen – und der Laden explodiert.

Und genau deshalb gehören persönliche Details durchaus in ein Vorstellungsgespräch.

Privates und Berufliches lässt sich nicht trennen

Natürlich kommt es zum Teil auch darauf an, wo du anfangen willst – da gibt es kulturabhängige Branchenunterschiede. Doch Berufliches und Privates lässt sich nirgendwo zu 100 Prozent trennscharf auseinanderhalten. Es ist nämlich ein Mensch, der da jeden Tag ins Büro kommt – egal, in welcher Branche. "Ich denke, dass es heute kaum noch trennbar ist", sagt Petra Barsch. "Denn aus der privaten Situation ergeben sich Anforderungen an die Arbeit und die Arbeit nehmen heute viele mit nach Hause. Im besten Fall muss beides zueinander passen, sich ergänzen und ein ganzes Leben bieten."

Deshalb geht es letztlich auch darum, deinem*deiner zukünftigen Arbeitgeber*in im Vorstellungsgespräch zu zeigen, wer du bist und was du dem Unternehmen geben kannst. Selbstverständlich bezieht sich das nicht ausschließlich auf deine Qualifikationen und deine Professionalität, sondern eben auch auf dich. "Wir sind überall Menschen", sagt auch Ulrike Winzer. "Gerade aufgrund der Digitalisierung wird dieser Faktor Mensch noch viel wichtiger werden, und das ist sehr gut so!"