Es beginnt meist mit einer E-Mail, Betreff: Außerordentliche Betriebsversammlung. Dann eskaliert der Flurfunk. Angst macht sich in der Belegschaft breit – was ist da nur los? Die entsprechenden Ansagen von oben sind oft in Businesssprech gekleidet: Geschäftsergebnis, Performance, Outsourcing, Optimierung, Verschlankung, Synergien, Fusion, Investor, Blabla. Die Übersetzung bedeutet nicht selten: Menschen müssen gehen, es werden Stellen gestrichen. Danke, tschüss, auf ein erfolgreiches neues Quartal.

Und dann stehen alle mit Angstpuls da und rätseln, wen es trifft und wer vielleicht noch Glück hat. Diesmal. Sicher ist im ersten Moment oft nur eins: Es wird Kündigungen geben.

Dabei muss der Betrieb nicht mal in einer Krise stecken. "Unternehmen dürfen selbst bei ausgezeichneter Gewinnlage Arbeitsplätze abbauen. Dabei müssen allerdings Regeln eingehalten werden", wie der Arbeitsrechtanwalt Michael Felser erklärt. "Die Arbeitsgerichte überprüfen die Kündigung darauf, ob die Arbeit tatsächlich dauerhaft wegfällt, ob die Sozialauswahl beachtet wurde und ob keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht. Die Kündigung ist immer das letzte Mittel."

Um Kosten zu sparen, gibt es deshalb verschiedene Streichmethoden, die in Unternehmen üblicherweise zum Einsatz kommen. "Gängige Mittel sind Zusammenlegungen von Abteilungen, Streichen von nicht rentablen Geschäftsbereichen und Outsourcing von Bereichen, die intern abzudecken zu kostenintensiv sind", erklärt Bettina Zimmermann, Schweizer Expertin für betriebliches Krisenmanagement und Sicherheit.

Nicht immer würden laut der Expertin unmittelbar Menschen gekündigt: "Je nachdem, wie viele Mitarbeitende betroffen sind, kann ein solcher Abbau über natürliche Fluktuation gelöst werden – das heißt, Angestellte, die kündigen, werden nicht mehr ersetzt, auch Frühpensionierung kann ein Thema sein."

Wenn das Ergebnis dann noch immer nicht zufriedenstellend ist, Abteilungen fusionieren und Aufgaben wegfallen, werden Stellen gestrichen. Aber was dann? Hier sind ein paar nützliche Ratschläge für den Fall, dass du oder jemand, den du kennst, von Entlassungen betroffen sein sollte.

Es werden Stellen gestrichen? Hi, Rechtsschutz!

Als erstes gilt: Keine Panik, Ruhe bewahren, atmen. Einen Kaffee trinken, einen Keks essen. Und dann Rechtssicherheit herstellen. Wer noch keine Rechtsschutzversicherung hat, sollte zeitig eine abschließen, rät der Arbeitsrechtsexperte: "Spätestens bei den ersten Warnzeichen wie Kurzarbeit oder Sozialplan-Verhandlungen mit dem Betriebsrat. Die Rechtsschutz zahlt Anwaltskosten nämlich erst nach drei Monaten Wartezeit", sagt Felser. "Und man sollte so früh wie möglich zum Anwalt gehen, um alle Optionen zu prüfen. Eine Erstberatung kostet maximal 190 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer."

Manchmal kann es nämlich sein, dass eine Kündigung nicht ganz rechtens ist oder dass Verhandlungen anstehen, und dann ist es beruhigend zu wissen, dass du nicht allein dastehst und Rückendeckung hast. Dabei hilft auch ein Betriebsrat, sofern vorhanden.

Ein Recht auf Erhalt deines Arbeitsplatzes hast du laut Michael Felser allerdings nicht: "Nur, wenn der Beschäftigungsbedarf fortbesteht, ein anderer vergleichbarer Mitarbeiter schlechtere Sozialdaten hat oder eine freie Stelle existiert, auf der man weiterbeschäftigt werden könnte, kann man den Job retten. Außerdem muss Sonderkündigungsschutz – beispielsweise Schwerbehinderung, Mutterschutz, Elternzeit, Pflegezeit oder Betriebsratsmandat – beachtet werden."

Wenn das mit der Kündigung schon sehr konkret ist – zügig bei der Arbeitsagentur vorstellig werden. "Wenn man entlassen wird oder wurde, sollte der oder die Angestellte sich umgehend auf dem Arbeitslosenamt melden", sagt Krisenmanagerin Bettina Zimmermann. "Zum einen, damit die Lohnfortzahlung nach dem Weggang aus dem Unternehmen nahtlos weiter geht; zum anderen, weil Arbeitsämter auch Unterstützungsprogramme haben."

Arbeitsplatzverlust = Schock und Trauer

Sobald der rechtliche Aspekt abgedeckt ist, geht es ans Menschliche und ans Umgucken. Wie ist die Lage im Unternehmen wirklich, gibt es Unterstützungsprogramme? Und wie geht es Kolleg*innen?

"Das Wichtigste ist, nicht den Kopf hängen zu lassen und so schnell wie möglich wieder aktiv zu werden", erklärt Andrea Kern, österreichische Expertin für Change-Management. "Und sich klarzumachen, dass man nicht alleine betroffen ist. Vielen geht es ganz ähnlich. Wenn einige andere im Unternehmen auch ihre Stelle verlieren, sich treffen und darüber reden. Vielleicht kommt ihr dadurch auf neue Ideen."

Doch du musst nichts überstürzen, wenn du dich nicht danach fühlst. Wer den Arbeitsplatz verliert, ist häufig in den Grundfesten erschüttert – immerhin geht es um die Existenz, manchmal hängen massive finanzielle oder familiäre Verantwortlichkeiten daran. Da kann dir schon mal länger speiübel und schwummerig werden, das ist okay. Und zwar auch dann, wenn du im ersten Moment selbst vielleicht (noch) gar nicht unmittelbar von Entlassung betroffen bist. "Sowohl der Verlust der eigenen Stelle als auch der Verlust von Kolleg*innen ist mit Trauerarbeit verbunden – und die sieht sehr individuell aus", sagt Andrea Kern. Da hilft aushalten und atmen, bis du wieder halbwegs klar denken kannst.

Der Schock trifft nämlich auch oft die, die bleiben. "Es gibt eine ganze Reihe von Problemen, mit denen die im Unternehmen Verbleibenden zu kämpfen haben: Verlust, Wut, Schuldgefühle", sagt Kern.

Dazu kommt unter Umständen Mehrarbeit und Arbeitsverdichtung. Und natürlich das Problem: Wie gehst du mit gekündigten Kolleg*innen um? "Manche möchten getröstet, manche möchten einfach in Ruhe gelassen werden. Auch hier ist es wichtig, der Situation mit Empathie und Ehrlichkeit zu begegnen", sagt Andrea Kern. Im Zweifel schade es nicht, einfach zu fragen, was den betroffenen Kolleg*innen am liebsten sei.

So sieht es auch Bettina Zimmermann: "Jeder Mensch ist anders und braucht unterschiedliche Dinge. Grundsätzlich gilt aber: Für die Person da sein, wenn sie etwas braucht. Augen offen halten, wenn man selber ein Stelleninserat sieht und es der Person mitteilen."

Katastrophe als Chance

Das bringt uns zum nächsten Punkt: Aktion. Sich selbst innerhalb des Unternehmens für eine neue Tätigkeit ins Spiel zu bringen, ist unter Umständen einen Versuch wert, aber längst nicht immer erfolgversprechend.

"Wenn der Arbeitgeber im Abbau ist, dann wird er wohl kaum offen sein für neue Aufgabenbereiche", sagt Bettina Zimmermann. "Besser ist, sich auf andere Möglichkeiten zu fokussieren. Jobs mit Suchmaschinen suchen, den Freundes- und Bekanntenkreis informieren, dass man eine Stelle sucht, die Bewerbungsunterlagen auf Top-Stand bringen, soziale Netzwerke wie Xing, LinkedIn aktuell halten."

Denn auch, wenn Kündigungen katastrophal und fürchterlich sein können, bieten sie gleichzeitig vielleicht eine prima Möglichkeit für einen längst überfälligen Neuanfang.

"Wer selbst betroffen ist, kann sich schlau machen, ob es einen Sozialplan gibt, der den Ausstieg erleichtert – vielleicht gibt es einen Weiterbildungsfonds, mit dem eine interessante Fortbildung finanziert werden kann", sagt Change-Managerin Andrea Kern. Eventuell ist es ja Zeit für eine längst aufgeschobene berufliche Neuorientierung. Dabei helfe laut Kern die simple Frage: War der aktuelle Job wirklich dein Traumjob oder möchtest du eigentlich etwas ganz anderes machen?

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Bitte nicht ohne Respekt und Anstand

Entlassungen im Job sind zweifelsohne ein heftiger Einschnitt, ob du nun selbst davon betroffen bist oder deine Kolleg*innen. Und vollkommen egal, wie berechtigt, begründet und nötig es tatsächlich ist, dass im Unternehmen Stellen gestrichen werden – es geht um Menschen. Und die sollten mit Feingefühl und Anstand behandelt werden.

"Ein Unternehmen, das vor Entlassungen steht, muss unbedingt auch den Faktor Mensch miteinbeziehen. Es geht immer um Schicksale, die dahinter stehen", sagt auch Krisenexpertin Bettina Zimmermann und plädiert für einen anständigen Umgang: "Respekt und Wertschätzung gehören für mich nicht nur in guten Zeiten zur Unternehmensführung, sondern auch oder vor allem in schlechten Zeiten oder Krisensituationen."